Diensterfindung – Wer erfindet etwas?

Die Frage, ob ein immaterielles Anlagegut erworben oder selbst geschaffen wurde, ist in Grenzfällen genauso schwierig zu beantworten wie sie bedeutsam sein kann. Handelsbilanziell kommt der Frage Bedeutung zu, weil für erworbene immaterielle Anlagegüter eine Aktivierungspflicht, hingegen für selbst geschaffene ein Aktivierungswahlrecht besteht (§ 246 Abs. 1, § 248 Abs. 2 HGB). Steuerlich besteht eine Aktivierungspflicht nur bei entgeltlichem Erwerb, wohingegen ansonsten ein Aktivierungsverbot vorliegt (§ 5 Abs. 2 EStG). Bei Diensterfindungen wird schon länger darüber gestritten, ob ein (entgeltlicher) Erwerb durch den Arbeitgeber vorliegt, wenn dieser eine Erfindung seines Arbeitnehmers im Rahmen des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen an sich zieht.

Traditionell wurde handelsbilanziell grundsätzlich von einem entgeltlichen Erwerb ausgegangen (so ADS). Nicht ganz klar ist dabei die Auffassung im Wirtschaftsprüfer-Handbuch, weil ein Erwerb nur bei Zahlung außerhalb des Arbeitsentgelts angenommen wird. Lohnsteuerlich ist die Arbeitnehmererfindung aber schon als Teil des Arbeitsentgelts eingestuft worden (BFH-Urteil v. 21.10.2009 – I R 70/08). Ob die Sichtweise im Wirtschaftsprüfer-Handbuch lohnsteuerlich gemeint ist, bleibt offen.

Das DRSC hat neuerdings für den handelsrechtlichen Abschluss die Auffassung vertreten, eine Diensterfindung entstünde in der Risikosphäre des Arbeitgebers, weshalb kein Erwerb durch den Arbeitgeber erfolge (E-DRS 32.28, .B28). Damit folgt das DRSC im Ergebnis der – allerdings unbegründeten – Auffassung des Beck´schen Bilanzkommentars.

Steuerlich geht die Finanzrechtsprechung wohl eher von einem Erwerb aus: „Mit der unbeschränkten Inanspruchnahme der Erfindung durch die Arbeitgeberin hat sich … ein kaufähnlicher Vermögensübergang vollzogen“ (BFH-Urteil v. 28. 1. 1976 – I R 103/75). In der Literatur wird dementgegen teils ein Erwerb durch den Arbeitgeber abgelehnt, insbesondere weil zwischen dem Arbeitnehmererfinder und dem Arbeitgeber ein entgeltlicher Erwerb nur dann vorläge, wenn ein bereits beim Arbeitnehmer vorhandenes marktfähiges Wirtschaftsgut überginge, woran es aber mangele (etwa Borggräfe/Hinz).

Nun bin ich kein uneingeschränkter „Follower“ der bilanzrechtlichen Weisheit und systematischen Geschlossenheit des BFH. Dem oben genannten Urteil lässt sich aber eine auch zum Handelsbilanzrecht vertretene wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht absprechen. Neben dem Terminus „kaufähnlich“ finden sich auch Umschreibungen wie „tauschähnlich“ etwa bei Einlagevorgängen, die formal gesehen gesellschaftsrechtliche Vorgänge darstellen. Mithin kommt es entscheidend darauf an, ob aus wirtschaftlicher Sicht etwas im Wesentlichen in der Risikosphäre der Arbeitnehmers entstanden ist und dann „kaufähnlich“ entgeltlich auf den Arbeitgeber übergeht oder nicht.

Hat etwa der Arbeitgeber die wesentlichen Risiken der Entwicklung getragen, weil der Forschungsmitarbeiter im Rahmen seiner Tätigkeit im Entwicklungszentrum des Arbeitgebers eine Erfindung getätigt hat, sollte man eher den Erwerb ablehnen. Hat der Arbeitnehmer nur unter Rückgriff seines beim Arbeitgeber erworbenen Erfahrungswissens in Eigeninitiative ohne Rückgriff auf Ressourcen des Arbeitgebers eine Erfindung getätigt, sollte die Beurteilung anders ausfallen. Dazwischen ist dann viel „Grau“.

Mit dem BFH ließe sich zwar durchaus argumentieren, der kaufähnliche Vorgang stelle in jedem Fall einen entgeltlichen Erwerb dar. Die zuvor dargestellte modernere Auffassung unter Rückgriff auf den Träger des Herstellungsrisikos konnte in der älteren Rechtsprechung jedoch noch keinen Niederschlag finden. Wünschenswert wäre hier eine aktuellere Klärung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung in näherer Zukunft, was vor dem Hintergrund der widerstreitenden Interessen von Finanzverwaltung (Aktivierung) auf der einen Seite und Steuerpflichtigen bzw. ihren Beratern (Betriebsausgabe) auf der anderen Seite im Bereich des Möglichen scheint.

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