Hat die Commerzbank (noch) keinen Restrukturierungsplan? – Restrukturierungsrückstellungen (Teil 2)

Die Commerzbank hat angekündigt bis zu 9.600 Stellen abzubauen. Dabei klang durch, die Aufwendungen für die Maßnahmen sollten zu einem erheblichen Teil erst in den Jahren 2017 und 2018 anfallen. Im letzten Blog wurde der Frage nachgegangen, woran es liegen könnte, dass der Aufsichtsrat der Commerzbank noch keine konkreten Informationen über den geplanten Arbeitsabbau erhalten hat. Dabei wurden die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung nach handels- und steuerrechtlichen Vorschriften betrachtet. Die Commerzbank erstellt ihren Konzernabschluss nach den Regelungen der International Financial Reporting Standards (IFRS). In diesem Blog wird nun der Frage nachgegangen, wann Restrukturierungsrückstellungen nach IFRS zu bilden sind und ob möglicherweise Abschlusspolitik im IFRS-Konzernabschluss eine Rolle spielen könnte.

Restrukturierungsrückstellungen unterliegen nach IFRS den Regelungen von IAS 37 und IAS 19. Letzterer Standard greift für die Verpflichtungen gegenüber Mitarbeitern im Rahmen der Beendigung von Arbeitsverhältnissen (termination benefits). Unter die Regelungen fallen sowohl Sozialplanverpflichtungen als auch freiwillige Abfindungsangebote (IAS 19.159). Eine Restrukturierungsrückstellung ist dann aufwandswirksam zu erfassen, wenn

  • das Unternehmen das Angebot solcher Leistungen nicht mehr zurückziehen kann, und
  • das Unternehmen Kosten für eine Restrukturierung erfasst, die in den Anwendungsbereich von IAS 37 fällt, und die Restrukturierung die Zahlung von Leistungen aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses beinhaltet (IAS 19.165).

Ein Zurückziehen ist für freiwillige Abfindungen dann nicht mehr möglich, wenn

  • der Arbeitnehmer dem Angebot zustimmt, oder
  • ein Zurückziehen z. B. aufgrund einer gesetzlichen, aufsichtsrechtlichen oder vertraglichen Vorschrift oder sonstiger Beschränkungen nicht mehr möglich ist (IAS 19.166).

Für Sozialplanverpflichtungen ist ein Zurückziehen dann nicht mehr möglich, wenn das Unternehmen die betroffenen Arbeitnehmer über einen Plan hinsichtlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses informiert hat, der alle folgenden Kriterien kumulativ erfüllt:

  • Die für die Umsetzung des Plans erforderlichen Maßnahmen lassen den Schluss zu, dass wesentliche Änderungen am Plan unwahrscheinlich erscheinen.
  • Der Plan enthält die Anzahl der Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis beendet werden soll, deren Arbeitsplatzkategorien oder Funktionen und deren Standorte. Es muss jedoch nicht jeder einzelne Arbeitnehmer vom Plan identifiziert werden.
  • Der Plan enthält den erwarteten Umsetzungsabschluss.
  • Der Plan legt die Leistungen aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses so detailliert fest, dass die Arbeitnehmer die Art und die Höhe der Leistungen, die sie bei Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses erhalten, ermitteln können (IAS 19.167).

Man muss dies im Zusammenhang mit den Kriterien für sonstige Verpflichtungen aus Restrukturierungen sehen, für die IAS 37 gilt. Danach muss bei den Betroffenen eine gerechtfertigte Erwartung erweckt worden sein, dass die Restrukturierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Dies wird durch den Beginn der Umsetzung des Plans oder die Ankündigung seiner wesentlichen Bestandteile den Betroffenen gegenüber erreicht (IAS 37.72(b)).

Damit stellt sich die Frage, wann eine solche Bekanntgabe gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern vorliegt. Dabei kommt es nicht auf die Bekanntgabe gegenüber den einzelnen betroffenen Arbeitsnehmern an, sondern die Bekanntgabe gegenüber dem Betriebsrat erfüllt bei kollektiven Maßnahmen die Anforderung. Das entspricht in etwa den im letzten Blog dargestellten deutschen steuerlichen Regelungen. Daneben ist die Voraussetzung der Bekanntgabe aber auch dann erfüllt, wenn sie bzw. die Entscheidung in einem Aufsichtsgremium wie dem Aufsichtsrat erfolgt, in dem sich Arbeitnehmervertreter befinden (IAS 37.77).

Im Ergebnis kann die Behandlung eines detaillierten Restrukturierungsplans im Aufsichtsrat der Auslöser für die Pflicht zur Bildung einer Rückstellung sein. Damit besteht aber auch die Möglichkeit, den Zeitpunkt der Rückstellungsbildung gezielt zu steuern, indem die Unternehmensleitung dem Aufsichtsrat die Details eines Restrukturierungsplans erst zum gewünschten Zeitpunkt mittteilt. Genau daran musste ich denken, als ich die Berichterstattung zur Commerzbank gelesen hatte.

Man muss die Regelungen der IFRS als Versuch werten, abschlusspolitische Spielräume bei der Bildung von Restrukturierungsrückstellungen einzuschränken. Insoweit kann man die Rückstellungsregelungen der IFRS in gewissem Maße auch als Rückstellungsverhinderungskriterien verstehen. Die Regelungen sind dabei unter Vernachlässigung der Wertaufhellungsproblematik der Auffassung des deutschen Fiskus gar nicht so unähnlich. Das kann schon deswegen nicht verwundern, weil beide eher einen rückstellungsbegrenzenden und abschlusspolitische Möglichkeiten einschränkenden Fokus haben. Es bleibt aber immer ein Rest an abschlusspolitischen Sachverhaltsgestaltungen.

Die Erfüllung des Verpflichtungskriteriums für die Rückstellungsbildung, das sowohl dem deutschen Handels- und Steuerrecht als auch den IFRS immanent ist, soll letztlich über die Schaffung einer begründeten Erwartungshaltung bei den Arbeitnehmern erreicht werden. In der Folge wird von einer faktischen Verpflichtung ausgegangen, die einen Rückstellungsansatz überhaupt erst rechtfertigt. Das kann man aber durchaus in Frage stellen, denn eine große Zahl betroffener Mitarbeiter wird wohl kaum aufschreien, wenn angekündigte Entlassungsmaßnahmen zurückgenommen werden. Damit steht aber das sogenannte Unentziehbarkeitskriterium als Voraussetzung für eine Rückstellungsbildung in Frage. Im Ergebnis kann man eine Restrukturierungsrückstellung insoweit auch als Aufwandsrückstellung interpretieren, die weder nach deutschem Handels- und Steuerrecht noch nach den IFRS passiviert werden kann. Retten kann man die Argumentation nach deutschem Recht vielleicht noch über das wahrscheinliche Entstehen einer Verpflichtung, was für die Erfüllung des Verpflichtungskriteriums ausreicht.

Sei es drum, den bei der Commerzbank betroffenen Mitarbeitern, wie auch allen anderen von Personalmaßnahmen betroffenen Mitarbeitern ist der erfolgreiche Start in ein neues befriedigendes Beschäftigungsverhältnis zu wünschen.

Weitere Informationen:

Mujkanovic: Hat die Commerzbank (noch) keinen Restrukturierungsplan? – Restrukturierungsrückstellungen (Teil 1)

FAZ: Commerzbank-Aufsichtsrat kritisiert Vorstand scharf (ausführlicher FAZ- Printausgabe 10.10.2016, S. 19)

Wirtschaftswoche: Commerzbank-Stellenabbau

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

− 2 = 1