Jahresrückblick Steuerstrafrecht 2015 (Teil 3/3)

Mit Teil 3 der Reihe endet meine persönliche Rückschau zum Steuerstrafrecht 2015. Dieser Teil richtet seinen Blick auf lesenswerte Literatur und Kurioses zum Thema. Teil 1 befasste sich mit den Neuerungen aus Gesetzgebung und Verwaltung, Teil 2 mit relevanten Steuerverfahren im Dunstkreis von Steuerhinterziehungs- bzw. Steuerverkürzungssachverhalten.

LITERATUR

In den letzten Jahren nahm die steuerstrafrechtliche Literatur deutlich an Fahrt auf. Dieser Trend setzte sich in 2015 fort. Dies war insbesondere dem zum 1.1.2015 reformierten Recht der Selbstanzeige und des Absehens von Strafverfolgung (§§ 371, 398a AO) geschuldet. Zudem erfuhren grundsätzliche Themen eine Renaissance. Hierzu gehört unter anderem das Spannungsfeld Steuerrecht-Steuerstrafrecht: So wird beispielsweise im steuerpolitischen Diskurs und der steuer(straf)rechtlichen Praxis nicht immer hinreichend zwischen legaler Steuergestaltung (vgl. hierzu BVerfG vom 14.4.1959 – 1 BvL 23, 34/57, BVerfGE 9, 237 (250); BFH vom 29.11.1982 – GrS 1/81, BStBl. II 1983, 272), steuerlich nicht anzuerkennender Steuerumgehung (§ 42 AO) und strafbarer Steuerhinterziehung (§§ 369 ff. AO) unterschieden. Das Thema ist aktueller denn je, man denke nur an die Diskussionen und Verfahren im Zusammenhang mit den diversen Steueroptimierungsmodellen von Banken oder ausländischen Konzernen (vgl. aktuell: FG Hessen vom 10.2.2016 – 4 K 1684/14 (Cum-ex-Geschäfte), NWB-News: Link). Das vorgenannte Spannungsfeld führt mich zu meiner ersten Literaturempfehlung des Jahres 2015.

Mellinghoff (Hrsg.), Steuerstrafrecht an der Schnittstelle zum Steuerrecht (DStJG Band 38, 2015)

Der zur 39. Jahrestagung der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft (DStJG e.V.) erschienene Tagungsband „Steuerstrafrecht an der Schnittstelle zum Steuerrecht“ versammelt unter anderem 16 Beiträge namhafter Referenten aus den Bereichen Steuerrecht und Steuerstrafrecht sowie die daran anschließenden Diskussionen zu einem der zentralen Themen in Wissenschaft und Praxis: dem dogmatisch und faktisch schwierigen Verhältnis zwischen Steuerstrafrecht und Steuerrecht in einer Zeit, in der die Grenzen zwischen diesen beiden Regimen immer mehr verwischen.

Exemplarisch sei der Eröffnungsvortrag von Prof. Dr. Mellinghoff herausgegriffen, der in diesem Kontext u.a. hervorhob, dass rechtlich zulässige Gestaltungen zur Minimierung der Steuerlast moralisch in die Nähe von Steuerhinterziehungssachverhalten gerückt, Streitigkeiten über Verrechnungspreise oder Bewertungsfragen nicht mehr in der Veranlagung geklärt oder Steuerberater im Rahmen von Betriebsprüfungen unter Androhung des Einsatzes der Steuerfahndung zu Zugeständnissen veranlasst würden. „In einer solchen Situation“ – so Mellinghoff – sei „es notwendig, sich auf die Grundlagen von Steuerrecht und Steuerstrafrecht zu besinnen“.

Der Tagungsband ist in der Reihe „Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V.“ erschienen. Als Herausgeber fungiert Prof. Dr. Rudolf Mellinghoff, seines Zeichens Vorsitzender des Vorstandes der DStJG und Präsident des Bundesfinanzhofs.

Zusammenfassend: Der Band liefert nicht nur ein wertvolles Abbild der steuer-, kriminalpolitischen und gesellschaftlichen Neubetrachtungen des Steuer(straf)rechts, sondern bietet darüber hinaus wegweisende Impulse für Wissenschaft und Praxis. Er wird meines Erachtens in den nächsten Jahren einen ähnlichen Stellenwert genießen wie der heute legendäre DStJG-Band zur Tagung „Strafverfolgung und Strafverteidigung im Steuerstrafrecht“ aus dem Jahre 1982.

Beyer, „Selbstanzeige ab dem 1.1.2015 – Fallstricke in der Praxis“ (NWB Nr. 11/2015) sowie Heuel/Beyer, „Fallstricke bei der Korrektur von Umsatz- und Lohnsteuer-Anmeldungen“ (BBK Nr. 16/2015)

Das zum 1.1.2015 reformierte Recht der Selbstanzeige und des Absehens von Strafverfolgung (§§ 371, 398a AO) stellt die Praxis vor zahlreiche Stolperfallen. Die hierzu veröffentlichte Literatur ist schier unüberblickbar; erst recht die mit der Reform neu im Raum stehenden Fragen.

Die Aufsätze von Beyer bzw. Heuel/Beyer bieten meiner Ansicht nach einen sehr guten Überblick über die Änderungen und die zahlreichen Fallstricke. Die Autoren beschränken sich dabei nicht auf die Schilderung der Probleme, sondern bieten darüber hinaus Lösungsvorschläge für die Praxis.

Am Ende dieses Beitrages finden Sie die Links zu den Beiträgen (vgl. „*Weiterführende Informationen“).

Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht (1. Auflage, 2015)

Das von Professor Dr. Harald Schaumburg (Rechtsanwalt) und Dr. Sebastian Peters (Staatsanwalt) verfasste Werk setzt sich mit den vielgestaltigen Dimensionen des Internationalen Steuerstrafrechts auseinander. Neben den Grundzügen des Internationalen Steuerrechts werden insbesondere die Grundlagen und Rechtsquellen des Internationalen (Steuer-)Strafrechts und Strafanwendungsrechts, die Grundlagen und der Ablauf des Internationalen Steuerstrafverfahrens sowie die Internationale Amts- und Rechtshilfe dargestellt.

Dass ein solches Handbuch erst jetzt erschienen ist, verwundert allerdings. Denn die grenzüberschreitende Steuerkriminalität ist ein seit Jahrzehnten wachsendes Phänomen. Zu nennen sind hier nicht nur die „klassischen“ Umsatzsteuerkarusselle, sondern beispielsweise auch a) der (scheinbare) Wegzug natürlicher Personen in Niedrigsteuerländer, b) die Einschaltung von Basisgesellschaften in Steueroasen, ohne dass diese Gesellschaften eine wirtschaftliche Tätigkeit entfalten würden, oder c) die Errichtung ausländischer (Familien-)Stiftungen und Truts als Verschleierungsvehikel.

Insgesamt bietet das Werk von Schaumburg/Peters einen prägnanten und hilfreichen Überblick über diese komplexe, internationale Dimension des Steuerstrafrechts.

KURIOSES

Auch die kuriosen Seiten kamen 2015 nicht zu kurz. Im zweiten Beispiel wird man allerdings mit Blick auf die dahinter stehenden Schicksale nicht von „kurios“ sprechen können – „ungewöhnlich“ wäre vielleicht angemessener.

Informant trickst sich selbst aus – Verkauf einer Steuer-CD scheiterte

Der Bloggerkollege Matthias Trinks (http://www.nwb-experten-blog.de/author/mtrinks/) machte mich auf folgende Meldung zum Stichwort „Daten-CD-Ankauf“ aufmerksam (herzlichen Dank!): Im November 2015 war in den Medien zu lesen, dass ein Anbieter von Steuerdaten vier Millionen Euro für die Überlassung von 54.000 Datensätzen kassieren wollte. Wie in solchen Fällen üblich, überließ er den deutschen Behörden einen Teil der Datensätze, um die Validität des Materials zu demonstrieren. Einen anderen Teil stellte er jedoch den französischen Steuerbehörden zu Verfügung. Diese tauschten ihre Informationen mit den deutschen Kollegen aus. Nach Zusammensetzung des Materials war kein Ankauf mehr nötig. Der Informant ging leer aus.

Steuerfahnder rehabilitiert

Im Bundesland Hessen spielte seit Ende der 1990er Jahre eine Art behördeninterner Krimi, der Ende des Jahres 2015 sein (wohl rechtskräftiges) Ende gefunden hat. Es ging um vier Steuerfahnder, die ursprünglich Mitte der 1990er Jahre mit Ermittlungen im Zusammenhang mit Schwarzgeldkonten in Liechtenstein befasst waren.

2001 entbrannte ein behördeninterner Streit: Eine Verfügung bestimmte, man solle nur noch bei Verdachtsfällen über 500.000 DM aktiv werden. Das war für zahlreiche Beamte nicht nachvollziehbar. Sie interpretierten diese Anweisung als amtlich verordnete Strafvereitelung. Am Ende blieb ein kleiner Kreis von Fahndern übrig, die sich gegen die Verfügung zur Wehr setzen. Sie sahen sich mit internen Versetzungen und anderen Maßnahmen konfrontiert. Einzelne wurden hierüber depressiv. In 2006 wurde ein Gutachter hinzugezogen. Dieser meinte, an den vier Fahndern „paranoid-querulatorische“ Eigenschaften erkannt zu haben. Sie wurden dann in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Langjährige Rechtsstreitigkeiten waren die Folge.

Der Gutachter wurde am Ende wegen vorsätzlicher Falschbegutachtung zu einer Geldstrafe verurteilt. Im November 2015 sprach das Oberlandesgericht Frankfurt den vier ehemaligen Steuerfahndern jeweils fünfstellige Ansprüche auf Schadensersatz gegen den Gutachter zu. Es soll ein Rückkehrangebot an die Fahnder existieren.

Der Sacherhalt wurde den im Anhang „*Weiterführende Informationen“ ausgewiesenen Quellen entnommen.

*WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN

Literatur

Tagungsband DStJG

Rezension: Link.

Beyer, Selbstanzeige ab dem 1.1.2015 – Fallstricke in der Praxis

NWB-Datenbank: Link.

Heuel/Beyer, Fallstricke bei der Korrektur von Umsatz- und Lohnsteuer-Anmeldungen

NWB-Datenbank: Link.

Kurioses

Informant trickst sich selbst aus

Handelsblatt.com vom 6.11.2015: Link.

Steuerfahnder rehabilitiert

FR-online.de vom 15.12.2015: Link.

Sueddeutsche.de vom 14.12.2015: Link.

 

Teil 2/3 des Beitrags finden Sie hier: Link.

Teil 1/3 des Beitrags finden Sie hier: Link.

 

Hinweis zur Beitragsreihe

„Revolution per Nebensatz: Tax-Compliance-System kann Vorsatz ausschließen (BMF)“

Die Reihe wird im April fortgesetzt. Teil 1 finden Sie hier: Link.

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