Kinderfreibetrag verfassungswidrig? Was nun? Teil II

Ab Kj 2014 ff. ist der Kinderfreibetrag verfassungswidrig. So jedenfalls mit guter und umfangreicher Begründung sieht dies der 7. Senat des Nieders. FG (7 V 237/15). Im Teil I habe ich die verfahrensrechtlichen Hintergründe und Probleme dargestellt. Jetzt geht es um die Höhe der Kinderfreibeträge. Für das Kj 2014 sind diese generell verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber (bewusst) die notwendige Anpassung „vergessen“ hat. Auch die Ermittlung des Freibetrages mit einem Durchschnittswert wird dem verfassungsrechtlichen Auftrag nicht gerecht.

So geht der Neunte Existenzminimumbericht davon aus, dass der Kinderfreibetrag jährlich um € 72,– zu erhöhen ist, und zwar ab 2014. Der Gesetzgeber hat dann trotz parlamentarischer Anfragen und Hinweise bei den Anhörungen das Kj 2014 „vergessen“. Es ist schlicht ein Skandal, wenn die Obrigkeit auf diese Art und Weise bewusst das Verfassungsrecht nicht ernst nimmt und macht, was sie will.

Aber die Höhe des Kinderfreibetrages ist dem Grunde nach verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber einen Durchschnittswert gebildet hat, der für die einzelnen ermittelten Lebensalterstufen der Kinder zu unrealistischen Werten führt. Der Gesetzgeber darf den unteren Wert des Existenzminimums nicht unterschreiten, was er aber durchführt, wenn ein Durchschnittswert gebildet wird. Der Kinderfreibetrag ist generell um € 444,– zu niedrig (je nach Altersstufe).

Der 7. Senat des FG hat zusätzlich verfassungsrechtliche Zweifel für die Höhe des Freibetrages bei einem volljährigen Kind, das sich in der der Ausbildung befindet, Für dieses Kind ist das Existenzminimum eines alleinstehenden Erwachsenen zu berücksichtigen und nicht der (zu niedrig ermittelte) Mittelwert.

Ein Hauptsacheverfahren ist noch nicht anhängig, da die Sache noch beim FA im Einspruchsverfahren ist. In der Sache selbst ist allerdings mit einem Vorlagebeschluss an das BVerfGG zu rechnen, wenn das Verfahren anhängig ist. Ein weiteres FG Verfahren ist beim FG München anhängig, das sich allerdings offensichtlich nur auf den Lapsus des nicht angepassten Kj 2014 konzentriert (8 K 2426/15). Aber da kann ja noch „nachgebessert“ werden aufgrund dieser aktuellen Erkenntnisse.

Grundsätzlich ist ein Ruhen des Einspruchsverfahrens gem. § 363 Abs. 2 Satz 1 AO zu beantragen. Es sollte unstreitig sein, dass es zweckmäßig ist, diese sich anbahnenden Musterprozesse abzuwarten. Allerdings ftrifft das FA eine reine Ermessensentscheidung. Wir wissen, wie schwer sich die Finanzämter damit tun, Rechtsmittel ruhen zu lassen. Erst wenn eine Entscheidung beim BFH oder BVerfG anhängig ist, kommt die Zwangsruhe gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO zur Anwendung. Aber dann darf die Finanzverwaltung den Vorläufigkeitsvermerk setzen, aber erst dann. Und vergessen Sie nicht die Möglichkeit des vorläufigen Rechtsschutzes (siehe Teil 1).

Viel Erfolg!

Weitere Infos:

ExpertenBlog-Audio-IconHören Sie hier: NWB Steuern mobil 5/2016 Track 23 | Ist der Kinderfreibetrag 2014 verfassungswidrig?
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