Pleite des Mandanten = Pleite des Steuerberaters?

Im letzten Blog hatte ich mich mit den Pflichten von Abschlussersteller und Abschlussprüfer im Zusammenhang mit einer Gefährdung der Unternehmensfortführung befasst. Ein aktuelles Urteil des BGH zur Haftung des Steuerberaters bei unzutreffender Annahme der Unternehmensfortführung im von ihm erstellten Jahresabschluss gibt Anlass, die Pflichten des beauftragten externen Erstellers näher zu beleuchten. Das Thema betrifft dabei nicht nur Steuerberater, sondern auch Wirtschaftsprüfer, die mit der Abschlusserstellung beauftragt werden.

Dem BGH-Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde (BGH v. 26. Januar 2017). Der Mandant (GmbH) beauftrage den Steuerberater im Jahr 2005 mit der Erstellung des Jahresabschlusses 2003 und übergab ihm den Jahresabschluss 2002, der einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag auswies. In den Folgejahren erteilte die GmbH jeweils erneut Einzelaufträge zur Abschlusserstellung an den Steuerberater. Die Abschlüsse der Jahre 2003 bis 2007 wiesen aufgrund von Verlusten erhebliche nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge, also eine bilanzielle Überschuldung, auf.

Im Jahr 2007 wies der Steuerberater schriftlich darauf hin, dass die Geschäftsführung verpflichtet sei, „regelmäßig die Zahlungsfähigkeit sowie die Vermögensverhältnisse der GmbH dahingehend zu überprüfen, ob die Zahlungsfähigkeit gewährleistet ist und dass keine Überschuldung vorliegt“. Ebenfalls noch in 2007 wies er auf einen Rückgang der Umsatzerlöse im Vergleich zum Jahr 2006 um fast 50 % bei gleichzeitigem Anstieg des Personalaufwands von ca. 20 % hin. Im Januar 2009 übersandte er den vorläufigen Jahresabschluss 2007 wie auf die weitere Erhöhung der bilanziellen Überschuldung hin. Im Juli 2009 stellte der Mandant einen Insolvenzantrag.

Der Insolvenzverwalter behauptet, die GmbH habe über keine stillen Reserven verfügt und sei bereits seit 2002, jedenfalls aber Mitte 2005 bei Übernahme des ersten Auftrags durch den Steuerberater überschuldet und wegen der Überschuldung kreditunwürdig und damit zahlungsunfähig gewesen. Mindestens ab 2006 sei die Zahlungsfähigkeit zweifelhaft gewesen. Der Steuerberater will im Mai 2005 den Geschäftsführer der GmbH auf die bilanzielle Überschuldung hingewiesen haben. Dieser habe erklärt habe, das Problem sei bekannt, eine Kapitalerhöhung geplant und das Problem werde mit dem Gesellschafter erörtert.

Bei der Bewertung ist von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB). Diese als Bewertungsnorm formulierte Regelung wird allgemein als GoB für den Abschluss, also auch für Ansatzfragen, interpretiert. Der Abschluss ist nach Auffassung des BGH dann mangelhaft, wenn er die rechnerische Überschuldung nicht erkennen lässt, was etwa vorliegt, wenn er zu Unrecht unter Annahme der Unternehmensfortführung erstellt wird. Zumindest wenn Indizien gegen die Aufrechterhaltung der Fortführungsannahme sprechen, ist durch die Geschäftsführung eine ausführliche Fortführungsprognose aufgrund einer integrierten Gesamtplanung zu erstellen.

Der abschlusserstellende Steuerberater kann sich bei seiner Tätigkeit auf die ihm übergebene Fortführungsprognose stützen, wenn sie nicht offensichtlich unzureichend belegt und sein Auftrag nur auf die Aufstellung ohne Beurteilung gerichtet ist. Wenn aufgrund der dem Steuerberater vorgelegten Unterlagen und ihm sonst bekannter Umstände Indizien für tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten vorliegen, die gegen die Aufrechterhaltung der Fortführungsannahme sprechen, muss er diesbezüglich die gesetzlichen Vertreter des Mandanten kontaktieren. Jedoch kann auch eine intensivere Beurteilung beauftragt sein, was die Anforderungen an den Steuerberater erhöht.

Fraglich ist, was Indizien sein können, die auch ohne eine beauftragte Beurteilung offensichtlich auf eine Gefährdung der Unternehmensfortführung hindeuten und daher Zweifel an der Fortführungsannahme auslösen können. Nachhaltige Verluste bis hin zur bilanziellen Überschuldung und erkennbare Liquiditätsengpässe dürften für den Steuerberater evident auf eine Gefährdung hindeuten. Beispielsweise auch starke Umsatzrückgänge, eine kurzfristige revolvierende Finanzierung bei längerfristigen Investments oder abgegebene Bürgschaften oder Gewährleistungen i.S. von § 251 HGB, wie etwa harte Patronatserklärungen, können Bedenken begründen. In solchen Fällen wird man vom Steuerberater erwarten müssen, mit der Geschäftsführung die Aufrechterhaltung der Fortführungsannahme abzuklären und auf eine etwaige Antragspflicht hinzuweisen. Der Hinweis muss die konkreten Umstände, die auf die Insolvenzgefährdung und eine etwaige Antragspflicht hinweisen, im Einzelnen bezeichnen. Bloße Aussagen des Mandanten bzw. dessen Geschäftsführung ohne sachlichen Gehalt im Hinblick auf die Fortführbarkeit des Unternehmens entlasten den Steuerberater nicht. Der BGH verlangt jedoch ohne besonderen Auftrag nicht die Erstellung einer Fortführungsprognose durch den Steuerberater.

Handelt der Steuerberater pflichtwidrig, muss er damit rechnen im Falle der Insolvenz vom Insolvenzverwalter zu Gunsten der Gläubiger des Mandanten für einen Schaden durch Insolvenzverschleppung in Anspruch genommen zu werden. Die Haftung setzt jedoch auch voraus, dass der erstellte Abschluss objektiv unrichtig war, d.h. im konkreten Fall zu Unrecht unter der Annahme der Fortführbarkeit des Unternehmens erstellt wurde.

Dringend zu empfehlen ist vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung nicht nur eine klare schriftliche Fixierung des Auftragsverhältnisses mit dem Mandanten, sondern auch eine Dokumentation der Einschätzung des Steuerberaters und einer etwaigen Information des und Abklärungen mit dem Mandanten.

Der BGH rückt mit dem aktuellen Urteil teils von seiner früheren Rechtsprechung ab, in der er im Falle einer Dauermandatierung des Steuerberaters selbst bei einem nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag keine Hinweispflicht des Steuerberaters auf Insolvenzrisiken und etwaige Pflichten der Organmitglieder des Mandanten gesehen hatte (so noch BGH v. 7. März 2013). Jetzt aber: „Der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater hat die Mandantin auf einen möglichen Insolvenzgrund und die daran anknüpfende Prüfungspflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und er annehmen muss, dass die mögliche Insolvenzreife der Mandantin nicht bewusst ist (teilweise Aufgabe von BGH, Urteil vom 7. März 2013, IX ZR 64/12…“ (BGH v. 26. Januar 2017).

Für Wirtschaftsprüfer, die sich als Abschlussersteller betätigen, gelten schon strengere berufsständische Grundsätze, die mit der aktuellen Rechtsprechung korrespondieren. Danach darf der Wirtschaftsprüfer nicht an einer erkannten unzutreffenden Rechnungslegung mitwirken. Das betrifft insbesondere die unzutreffende Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit, „obwohl dem tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten offensichtlich entgegenstehen“
(IDW S 7.30).

Weitere Informationen (teilw. kostenpflichtig):

 

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