Risiken überall – Lagebericht und nichtfinanzielle Erklärung

Der deutsche Rechnungslegungsstandard (DRS) 20 konkretisiert die Vorgaben des Gesetzgebers zum (Konzern-)Lagebericht und bringt darüberhinausgehende Anforderungen. Da der Gesetzgeber laufend an den gesetzlichen Vorgaben arbeitet, hat das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) vor wenigen Tagen den Entwurf eines Änderungsstandards zu DRS 20 (E-DRÄS 8) herausgebracht. Auch das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat sich diesbezüglich in einem Positionspapier geäußert. Welche Neuerungen ergeben sich hier für die Risikoberichterstattung?

Das DRSC will mit E-DRÄS 8 die neuen Anforderungen zur nichtfinanziellen Berichterstattung in seinen Lageberichtsstandard implementieren. Dabei hat sich das DRSC diesmal das Ziel gesetzt, nicht über die gesetzlichen Anforderungen hinauszugehen. Einige ausgewählte Neuregelungen sollen heute und in der Folgezeit skizziert werden. Beginnen möchte ich mit der Berichterstattung über Risiken.

Unter dem Begriff Risiko wird bisher verstanden: „Mögliche künftige Entwicklungen oder Ereignisse, die zu einer für das Unternehmen negativen Prognose bzw. Zielabweichung führen können.“ Hier soll der Bezug „für das Unternehmen“ gestrichen werden, um gerade im Bereich der neuen Berichterstattung zu Risiken im Zusammenhang mit Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelangen, Achtung der Menschenrechte sowie Bekämpfung von Korruption und Bestechung (nachfolgend „Aspekte“) auch auf andere Stakeholder als die Kapitalgeber abzustellen.

Das geht zwar vordergründig konform mit der gesetzlichen Systematik des § 289c Abs. 3 Nr. 3, 4 iVm. Abs. 2 HGB. Es sollen die wesentlichen Risiken, die mit der eigenen Geschäftstätigkeit der Kapitalgesellschaft verknüpft sind und die sehr wahrscheinlich schwerwiegende negative Auswirkungen auf die zuvor genannten Aspekte haben oder haben werden, sowie die Handhabung dieser Risiken durch die Kapitalgesellschaft berichtet werden (§ 289c Abs. 3 Nr. 3 HGB). Zudem ist über die wesentlichen Risiken zu berichten, die mit den Geschäftsbeziehungen der Kapitalgesellschaft, ihren Produkten und Dienstleistungen verknüpft sind und die sehr wahrscheinlich schwerwiegende negative Auswirkungen auf die zuvor genannten Aspekte haben oder haben werden, soweit die Angaben von Bedeutung sind und die Berichterstattung über diese Risiken verhältnismäßig ist, sowie die Handhabung dieser Risiken durch die Kapitalgesellschaft (§ 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB).

Dabei ist im Auge zu behalten, dass eine Verwirklichung der Risiken schnell auch Auswirkung auf die finanzielle Situation des Unternehmens und damit auf die Kapitalgeber hat. Im so verstandenen Sinne umfasst ein Shareholder-Value-Ansatz auch immer die Interessen anderer Stakeholder. Diese Denkweise wird aber in einer Zeit der schnellen Empörung ohne nachhaltige Folgen wohl nicht mehr als politisch korrekt eingeschätzt werden.

Das IDW hat sich in einem Positionspapier zur nichtfinanziellen Erklärung unter anderem auch der Frage der Risikoberichterstattung angenommen. Zur Erläuterungen werden dort einige Beispiele gegeben, von denen eines nachfolgend nachskizziert wird.

Im Rahmen der Geschäftstätigkeit eines Chemieunternehmens fallen durch chemische Prozesse toxisch belastete Abfälle an. Vor Ausleitung in einen Fluss werden die Abfallprodukte in einer Kläranlage gefiltert und gereinigt und nur unbelastetes Restabwasser in den Fluss ausgeleitet, um sehr nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit von Menschen und Tieren zu vermeiden. Die Kläranlage wird laufend überwacht und es besteht ein Störfallmanagement. Die Wahrscheinlichkeit einer unkontrollierten Ausleitung giftiger Substanzen ist sehr gering. Ausgefilterte toxische Rückstände werden durch ein Entsorgungsunternehmen sachgerecht deponiert. Unsachgemäße Lagerung in der Deponie könnte zu schweren Verunreinigungen des Grundwassers führen. Deponie und Grundwasser werden regelmäßig durch den Deponiebetreiber überwacht (Umweltmanagementsystem). Die Sicherungsmaßnahmen wurden Anwohnern und nichtstaatlichen Umweltorganisationen vermittelt.

Die Unternehmensleitung schätzt die Eintrittswahrscheinlichkeit der unkontrollierten Ausleitung von Toxinen mit der Folge schwerwiegender Umwelt- und Gesundheitsbeeinträchtigungen auf weniger als 3 % und die Eintrittswahrscheinlichkeit schwerwiegende Grundwasserverunreinigungen durch unsachgemäße Lagerung auf weniger als 5 % ein.

Nach DRS 20 kann die Darstellung von Risiken als Nettobetrachtung (verbleibendes Restrisiko nach Maßnahmen) oder als Bruttobetrachtung (Risiko vor Maßnahmen) erfolgen.

Nettobetrachtung: Aufgrund der getroffenen risikominimierenden Maßnahmen ist eine schwerwiegende Schädigung der Umwelt (Flusswasserverunreinigung, Grundwasserverunreinigung) bzw. der Gesundheit von Menschen und Tieren nicht sehr wahrscheinlich. Daher ist nach Auffassung des IDW keine Berichterstattungspflicht über das Restrisiko i.S.v. § 289c Abs. 3 Nr. 3 und 4 HGB n.F. gegeben.

Bruttobetrachtung: Ohne Berücksichtigung der risikomindernden Maßnahmen wäre es sehr wahrscheinlich, dass es durch die Geschäftstätigkeit zu nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt käme und die Auswirkungen wären schwerwiegend. Danach wäre im Rahmen der Bruttobetrachtung gemäß § 289c Abs. 3 Nr. 3 und 4 HGB n.F. über das Risiko und die Handhabung des Risikos (Kläranlage, Störfallmanagement, Umweltmanagementsystems des Deponiebetreibers) zu berichten.

Das IDW empfiehlt die Bruttodarstellung. So wird man als Anwender vermutlich den Vorwurf vermeiden, die Unterschlagung von Risikoaspekten beabsichtigt zu haben. Man muss aber natürlich die Frage stellen, ob die Berichtsklarheit dann eventuell leidet. Es stellt sich dann immer mehr die Frage: Wer liest das alles und für welche Entscheidungen der Berichtsadressaten ist das erheblich?

Interessant ist bezüglich der Risikoberichterstattung im Rahmen der nichtfinanziellen Berichterstattung, dass sie nicht nur einen Zukunftsbezugsbezug hat. Entgegen der sonstigen Risikoberichterstattung nimmt der Gesetzgeber auch Bezug auf aktuelle Auswirkungen, also auf Gegenwartsaspekte. Darüber wird gegebenenfalls bereits im Wirtschaftsbericht nach § 289 Abs. 1 HGB zu berichten sein. Der Vorschlag des DRSC, insoweit in der nichtfinanziellen Erklärung auf den Wirtschaftsbericht zu verweisen, erscheint schlüssig (E-DRÄS 8.B83).

Die interessierte Öffentlichkeit kann bis zum 14.8.2017 Stellung zum E-DRÄS 8 nehmen.

Weitere Hinweise:

E-DRÄS 8 Änderungen des DRS 20 Konzernlagebericht (www.drsc.de)

IDW Positionspapier: Pflichten und Zweifelsfragen zur nichtfinanziellen Erklärung als Bestandteil der Unternehmensführung (ww.idw.de, Stand 14.6.2017)

Mujkanovic, CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz verabschiedet (nwb-experten-blog)

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