Schluss mit dem Fachchinesisch auf den Hauptversammlungen

Auf geht’s zur Nachhilfe bei Timotheus Höttges: Was Redner von ihm lernen können

Kennen Sie Timotheus Höttges? Er ist nicht nur Vorstand der Deutschen Telekom, sondern auch Gewinner des Rhetorik-Rankings der diesjährigen Hauptversammlungs-Saison. Herr Höttges wird in dem Artikel des Handelsblattes, das die Ergebnisse des Rankings vorstellt, hochgelobt. Neugierig schaue ich mir eine Rede der Hauptversammlung von 2014 auf youtube an. Sie überzeugt. Das Lob ist gerechtfertigt, die Autorin hat nicht übertrieben. Doch soll dieser Artikel keinesfalls nur Lobeshymnen enthalten. Vielmehr möchte ich folgendes Problem diskutieren: Bei Hauptversammlungen verstecken sich die Redner oft hinter langen Worthülsen, komplizierten Satzkonstruktionen und Fachbegriffen.

Welcher Zuhörer kann einem Satz von sage und schreibe 53 Worten folgen? Wohl kaum einer. Bei einer Präsentation würde man sagen: Nicht zielgruppengerecht. Ein Vorstand sollte doch in der Lage sein, bei seiner Rede auf der Hauptversammlung verständlich zu sprechen. So der Wunsch. Die Realität sieht derzeit leider noch ganz anders aus. Positiv hervorgehoben werden kann lediglich: Es gibt Ausnahmen. Bei Wiederholungstätern verbessert sich die Verständlichkeit – wenn auch oft nur leicht.

Vorstände, Aufsichtsratsvorsitzende und weitere Personen, die in der Hauptversammlung zu Wort kommen, sollten dahingehend besser vorbereitet werden. Denn auf der Hauptversammlung wird das Unternehmen präsentiert. Es zählen nicht nur die Zahlen, Daten und Fakten, die präsentiert werden. Viel wichtiger ist oftmals die Kompetenz sowie die Glaubwürdigkeit des Redners. Weder Glaubwürdigkeit noch Kompetenz können durch die Masse an verwendetem Fachchinesisch gezeigt werden. Viel anspruchsvoller ist es, komplizierte Themen einfach zu erklären.

Timotheus Höttges erklärt Fachbegriffe kurz und prägnant. Bei ihm gilt: Ein Gedanke pro Satz. Also keine Elefantensätze mit mehr als 50 Wörtern. Laut Zitat im Handelsblatt ist ihm Klarheit sehr wichtig. Dies sagt er nicht nur, sondern er tut es auch.

Stephan Sturm, Chef von Fresenius, folgt Höttges auf dem zweiten Platz des Rankings. Auch er erklärt in seiner Rede dem Publikum beispielsweise die Produktsparte „Biologika“ verständlich. Zitat: „Das sind biotechnologisch hergestellte Arzneimittel. Biotechnologisch bedeutet: Diese Arzneimittel entstehen nicht durch chemische Synthese. Das wäre der übliche Weg. Stattdessen nutzt man lebende Zellen. Diese produzieren die benötigten Wirkstoffe.“ Kurz, prägnant, verständlich. So wünschen sich dies doch die Aktionäre.

Fazit: Fachkompetenz haben Vorstände ausreichend. Die Kompetenz hinsichtlich Verständlichkeit ihrer Reden ist teilweise noch erheblich ausbaufähig. Die Unternehmen sollten ihre Vorstände dahingehend unterstützen. Die Zuhörer werden es ihnen danken.

Lesen Sie dazu:
Obmann: Über Champions und verpatzte Premieren, Handelsblatt vom 16. Juni 2017, Seite 50-51

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