Serie „Bilanzkosmetik“: Luft in den Bilanzen

Wie börsennotierte Unternehmen dank IFRS ihre Bilanzen schönen

Das alte Thema: Goodwill. Seit mehr als zehn Jahren wird dieser nach IFRS nicht mehr planmäßig abgeschrieben. Das ist der Grund allen „Übels“. Im HGB muss ein entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwert planmäßig abgeschrieben werden. Doch warum ist dies so problematisch?

Unternehmen kaufen andere Unternehmen und bezahlen dafür in der Regel einen Preis, der oberhalb des Buchwertes des Eigenkapitals des zu verkaufenden Unternehmens liegt. Der den Buchwert übersteigende Betrag muss als Goodwill in der Bilanz aktiviert werden. Insbesondere durch die langanhaltende Niedrigzinsphase werden die Kaufpreise immer höher – und dadurch auch der aktivierte Goodwill. Ob der Käufer den gezahlten Mehrpreis jemals in Umsatzerlösen generieren wird? Gute Frage. Sicherlich nicht. Und genau hier setzt das Problem an: Wenn ein Unternehmen heute aufgrund einer Zukunftsprognose zu viel für ein Unternehmen bezahlt, kann diese „Last“ als Goodwill in den Bilanzen geschoben werden. Wie die zahlreichen Untersuchungen von Prof. Dr. Karlheinz Küting zeigen, versuchen vor allem auch die DAX-Konzerne außerplanmäßige Abschreibungen auf den Goodwill zu vermeiden. Seine Berechnungen ergaben astronomische Nutzungsdauern von teilweise weit über 100 Jahren. Realistisch ist das nicht.

Doch warum wird versucht, die Abschreibungen zu verhindern? Ganz einfach: Abschreibungen drücken den Gewinn und senken das Eigenkapital. Sie wirken sich allerdings nicht auf die Liquidität aus. Werden dann denn überhaupt Abschreibungen vorgenommen in IFRS-Bilanzen? Aber klar: Und zwar dann, wenn ein neuer Manager ins Unternehmen kommt. Der räumt erst mal auf und macht praktisch einen „Frühjahrsputz“. Dies hat für den neuen Manager folgenden Vorteil: So kann der die Abschreibungen seinen Vorgängern in die Schuhe schieben – Beseitigung des Sondermülls zu Beginn seiner Tätigkeit. Ein weiterer Vorteil ist: Dadurch wird der Gewinn voraussichtlich im Jahr nach der außerplanmäßigen Abschreibung steigen. Wer dies nicht hinterfragt, wird die Gewinnsteigerung alleine dem neuen Manager zuordnen. Sobald der „Neue“ eine Weile da ist und schon wieder an die Zeit nach seiner Tätigkeit in dem Unternehmen hinarbeitet, wird auch er Altlasten aufbauen – so kann sein Nachfolger wiederum einen Frühjahrsputz durchführen.

Untersuchungen zum Goodwill zeigen auch: In einigen Fällen ist der Goodwill im Vergleich zum Eigenkapital sehr hoch. Eine vollständige Abschreibung würde also zu einer erheblichen Verringerung des Eigenkapitals führen – und im schlimmsten Falle dieses sogar negativ werden lassen. Der Goodwill hat im Gegensatz zu einem Patent folgenden Nachteil: Ein Patent kann man wie den Deckel einer Flasche einzeln veräußern. Den Goodwill nicht – denn er ist nicht der Flaschendeckel. Schütteln Sie eine Wasserflasche: Die darin enthaltenen Blasen – das ist der Goodwill. Diese einzeln zu veräußert: Nicht möglich.

Aus Sicht des Managements ist es nachvollziehbar: Durch die Vermeidung von „unnötigen“ (?) Abschreibungen sieht nicht nur die Bilanzstruktur besser aus, sondern auch die Refinanzierungsbedingungen sind sicherlich auch besser. Sobald aber die Banken bei der Betrachtung der Bilanz den Goodwill streichen wie in der Strukturbilanz, sieht diese völlig anders aus. Ob und inwieweit die Banken sich das bei der derzeitigen Lage erlauben können, ist die andere Frage. Denn schließlich drücken bei ihnen wiederum die niedrigen Zinssätze, die zunehmenden Vorschriften
für Banken sowie die Digitalisierung nicht unerheblich auf die Marge.

Lesen Sie im Juli, wie Unternehmen das Eigenkapital noch anderweitig aufpumpen können als durch den Goodwill

Fazit: Die Höhe des Goodwills sollte kritisch beurteilt werden. Denn im Gegensatz zu einem marktfähigen Patent kann dieser nicht einzeln veräußert werden – sollte es doch mal hart auf hart kommen.

Lesen Sie dazu auch meine Beiträge hier im NWB Experten-Blog:

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