Weiträumiges Tätigkeitsgebiet: Interessantes „Hafen-Urteil“ des BFH

Erst kürzlich habe ich in meinem Blog-Beitrag „Weiträumiges Tätigkeitsgebiet – ein seltsames Steuergebilde“ zwei Entscheidungen des Niedersächsischen FG zu Hafenarbeitern vorgestellt. Im Jahre 2021 hatten die Richter entschieden, dass ein Hafenarbeiter des Hamburger Hafens in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet arbeitet. Das Gebiet des Hafens von Bremerhaven sahen sie im Jahre 2022 hingegen nicht als weiträumiges Tätigkeitsgebiet (Urteil vom 3.2.2021, 4 K 11006/17; Urteil vom 2.9.2022, 4 K 149/21). Zugegebenermaßen habe ich die Sache etwas verkürzt, denn die Sachverhalte waren vielleicht nicht ganz vergleichbar.

Wie dem auch sei: Das erstgenannte Urteil hat der BFH soeben kassiert. Der Leitsatz lautet: Weiterlesen

Weiträumiges Tätigkeitsgebiet – ein seltsames Steuergebilde

Ich kenne den Hamburger Hafen lediglich von einer Hafenrundfahrt und den Hafen Bremerhaven nur von einem ganz kurzen Aufenthalt. Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, dass beide Hafengebiete enorm groß sind und steuerlich daher als weiträumige Tätigkeitsgebiete i.S. des § 9 Abs. 1 S 3 Nr. 4a EStG gelten, wenn Arbeitnehmer im Hafengebiet eingesetzt werden. Das Niedersächsische FG musste sich in jüngster Zeit mit beiden Häfen beschäftigen, also mit der Frage, ob Arbeitnehmer in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet arbeiten.

Im Jahre 2021 haben die Richter entschieden, dass ein Hafenarbeiter des Hamburger Hafens in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet arbeitet. Dies gilt auch dann, wenn er von seinem Arbeitgeber im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung bei verschiedenen Einzelbetrieben auf dem Gebiet des Hamburger Hafens eingesetzt wird. Folglich werden die Fahrten zu dem nächstgelegenen Hafenzugang nur mit der Entfernungspauschale berücksichtigt (Urteil vom 3.2.2021, 4 K 11006/17). Es wurde allerdings die Revision zugelassen, die beim Bundesfinanzhof unter dem  Az. VI R 4/21 vorliegt. Um den Abzug von Verpflegungspauschalen ging es in dem Verfahren übrigens nicht.

Jüngst ging es um das Gebiet des Hafens von Bremerhaven. Weiterlesen

Erste Tätigkeitsstätte oder wenn der Springer nicht springt

Im Jahre 2019 hatte das FG Rheinland-Pfalz entschieden, dass ein Feuerwehrmann, der nach seinem Arbeitsvertrag verpflichtet ist, seinen Dienst an verschiedenen Einsatzstellen zu leisten, keine „erste Tätigkeitsstätte“ hat. Nach diesem Urteil hätte er für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht nur die Entfernungspauschale, sondern die tatsächlichen Fahrtkosten bzw. die Dienstreisepauschale als Werbungskosten geltend machen können (Urteil vom 28.11.2019, 6 K 1475/18).

Doch soeben hat der BFH das Urteil wieder kassiert. Dies ist sowohl materiell-rechtlich als auch verfahrensrechtlich interessant, so dass die Entscheidung nachfolgend vorgestellt werden soll. Weiterlesen

Wann liegt ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet vor?

Zuletzt hat der BFH mit einer Reihe von Urteilen zum Vorliegen einer ersten Tätigkeitsstätte Stellung bezogen. Ob Postzusteller, Lokführer einer Werksbahn oder Rettungssanitäter – der BFH hat jeweils erste Tätigkeitsstätten angenommen. Mich persönlich hat insbesondere das Lokführer-Urteil ein wenig verwundert, da ich hier eigentlich fast den klassischen Fall des weiträumigen Tätigkeitsgebiets gesehen hatte. Doch der BFH hat anders geurteilt: Auch wenn das Einsatzgebiet des Lokführers eine Strecke durch mehrere Ortschaften im Umland umfasst und damit großräumig ist, bleibt es dabei, dass eine erste Tätigkeitsstätte vorliegt. Der Kläger bewegt sich nicht im öffentlichen Raum, sondern ausschließlich auf betrieblichem Gelände, dem er seitens des Arbeitgebers „zugeordnet“ ist (BFH-Urteil vom 1.10. 2020, VI R 36/18).

Das lenkt den Blick selbstverständlich auf ähnliche Fälle, etwa auf Hafenarbeiter, die auf dem gesamten Hafengelände eingesetzt werden. Weiterlesen

Keine pauschalen Km-Sätze für Dienstreise bei Nutzung von ÖPNV oder Flugzeug

Ein Betriebsprüfer der Finanzverwaltung hatte eine schöne Idee zur Berücksichtigung seiner Dienstreisekosten im Rahmen der Steuererklärung: Seine Aufwendungen für längere Dienstreisen mit der Bahn wurden von seinem Dienstherrn zwar voll erstattet, doch er war der Ansicht, dass er dennoch abzugsfähige Werbungskosten geltend mache könne. Die entsprechende Regelung in § 9 Abs. 1 Satz Nr. 4a EStG sei so auszulegen, dass er zumindest die Pauschalen geltend machen könne, die ihm als Wegstreckenentschädigung nach dem Bundesreisekostengesetz zustehen.

Indes hat der Bundesfinanzhof diese Auffassung nicht geteilt. Der Ansatz der pauschalen Kilometersätze nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 2 EStG anstelle der tatsächlichen Aufwendungen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 1 EStG für sonstige berufliche Fahrten komme nicht in Betracht, wenn der Steuerpflichtige ein regelmäßig verkehrendes Beförderungsmittel i.S. des § 4 Abs. 1 BRKG benutzt (BFH-Urteil vom 11.2.2021, VI R 50/18).

Der Sachverhalt in Kurzform: Der Kläger war als Bundesbetriebsprüfer im Außendienst eingesetzt. Die Erstattung seiner Reisekosten richtete sich nach dem Bundesreisekostengesetz. Im Rahmen einer längeren Prüfung fuhr er per Bahn bzw. S-Bahn täglich 378 Kilometer. Der Arbeitgeber erstattete hierfür die tatsächlich entstandenen Bahnfahrtkosten von 1.726 Euro. Dem Prüfer waren also unterm Strich keine Kosten entstanden. In seiner Steuererklärung rechnete er aber unter anderem wie folgt: Pauschaler Kilometersatz 0,20 Euro x 378 Km tägliche Strecke x 60 Tage = 4.536 Euro abzüglich Erstattung 1.726 Euro, als Werbungskosten abzuziehen also 2.810 Euro. Weitere Details in der NWB Online-Nachricht Einkommensteuer | Kein Ansatz pauschaler Kilometersätze bei Benutzung regelmäßig verkehrender Beförderungsmittel (für Abonnenten kostenfrei).

Der Prüfer berief sich auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 2 EStG, in dem es heißt: „Anstelle der tatsächlichen Aufwendungen, die dem Arbeitnehmer durch die persönliche Benutzung eines Beförderungsmittels entstehen, können die Fahrtkosten mit den pauschalen Kilometersätzen angesetzt werden, die für das jeweils benutzte Beförderungsmittel (Fahrzeug) als höchste Wegstreckenentschädigung nach dem Bundesreisekostengesetz festgesetzt sind.“  

Der Bundesfinanzhof folgte dem jedoch nicht. Es begründet seine Entscheidung mit der Gesetzessystematik. Regelmäßig verkehrende Beförderungsmittel – wie die Bahn oder das Flugzeug –, die im Bundesreisekostengesetz erfasst sind, seien von der Anwendung einer Pauschale gerade ausgeschlossen.

Letztlich hatte man eine ähnliche Haltung schon einmal gesehen, nämlich im BFH-Urteil vom 12.2.2020 (VI R 42/17). Danach darf nur die halbe Entfernungspauschale abgezogen werden, wenn die Rückfahrt von der Arbeit an einem anderen Tag erfolgt.

Um es kurz zu machen: Pauschalierungen und Vereinfachungen sind die eine Sache, Kosten aber abziehen zu wollen, die gar nicht entstanden sind, eine andere. Hier schiebt der BFH einen Riegel vor. Und zwar meines Erachtens zurecht, auch wenn ich die Idee des Außenprüfers nach wie vor charmant finde.

Ich erinnere mich an den Talkshow-Auftritt eines deutschen Astronauten, der sagte, er hätte sich nach seiner Rückkehr zur Erde den Spaß erlaubt, bei seinem Arbeitgeber die Erstattung der Reisekosten mit einem pauschalen Km-Satz für die zurückgelegte Strecke zu verlangen. Die Dienstreisebestimmungen hätten das wohl hergegeben. Der Arbeitgeber fand das aber wohl weniger lustig.

Nur halbe Entfernungspauschale bei Rückfahrt an anderem Tag

Es kann vorkommen, dass Hin- und Rückfahrt zu und von der Arbeitsstätte, genauer gesagt der ersten Tätigkeitsstätte, an verschiedenen Tagen stattfinden – dass also die Rückfahrt von der Arbeit erst am folgenden Tag erfolgt. Die Frage ist, ob dann die Entfernungspauschale jeweils nur zur Hälfte oder je einmal pro Hin- und Rückweg berücksichtigt wird. Weiterlesen

Warum die Mobilitätsprämie ins Leere laufen wird

Fernpendlern mit einem Arbeitsweg von mehr als 20 Kilometern, deren zu versteuerndes Einkommen innerhalb des Grundfreibetrags liegt (Geringverdiener), haben von der – geplanten – erhöhten Entfernungspauschale keinen Vorteil. Bei ihnen bringt ein höherer Werbungskosten- oder Betriebsausgabenabzug keine entsprechende steuerliche Entlastung. Daher soll ab dem 1.1.2021 für Geringverdiener die Möglichkeit geschaffen werden, alternativ zur erhöhten Entfernungspauschale von 35 Cent ab dem 21. Entfernungskilometer eine Mobilitätsprämie in Höhe von 14 Prozent dieser erhöhten Pauschale zu wählen (§§ 101 ff. EStG, „Gesetz zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht – Entwurf“).

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Die Mobilitätsprämie – grober Unfug oder sinnvolle Entlastung der Pendler?

Klimaschutz ist wichtig. Aber: Natürlich muss der Klimaschutz „irgendwie“ ins Gesetz gegossen werden. Und natürlich dürfen die Kosten des Klimaschutzes niemandem wehtun. Und natürlich muss eine typisch deutsche Lösung her. Und natürlich lassen es sich die Ministerialbeamten nicht nehmen, eine maximal komplizierte Lösung zu finden. So, genug der Vorrede.

Nun stelle ich Ihnen die neue Mobilitätsprämie vor, die im Jahre 2021 das Licht der Welt erblicken soll. Sie findet sich im Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht (Gesetzentwurf der Bundesregierung). Ich erspare mir dieses Mal – ausnahmsweise – eine redaktionelle Zusammenfassung, denn dafür ist die geplante Neuregelung einfach zu herrlich.

Lesen Sie selbst und machen Sie sich ein Bild von der Mobilitätsprämie. Handelt es sich um groben Unfug oder um eine sinnvolle Entlastung der Pendler für die „CO2-Steuer“? Ich bin auf Ihre Kommentare gespannt. Hier nun der geplante Gesetzestext.

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Polizisten – Reisekosten als Werbungskosten?

Neues Reisekostenrecht vom BFH bestätigt


Das steuerliche Reisekostenrecht, das seit dem Jahr 2014 den Werbungskostenabzug für nicht ortsfest eingesetzte Arbeitnehmer und Beamte – wie z.B. Streifenpolizisten – einschränkt, ist verfassungsgemäß, so der BFH in seinem Urteil vom 04.04.2019 (VI R 27/17).

Über die Hintergründe berichtete ich in meinem Beitrag Befristete Beschäftigung – Reisekosten als Werbungskosten“.

Der Polizist im Streifendienst

Der Kläger ist Polizist, der seinen Dienst als Sachbearbeiter im Einsatz- und Streifendienst am Sitz seiner Polizeiinspektion ausübt. Hierzu sucht er die Dienststelle arbeitstäglich auf, zieht dort seine Uniform an, nimmt an Dienstantrittsbesprechungen teil und erledigt anfallende Schreibarbeiten. Er suchte arbeitstäglich zunächst seine Dienststelle auf und trat von dort seinen Einsatz- und Streifendienst an. Die Tätigkeiten in der Dienststelle beschränkten sich im Wesentlichen auf die Vor- und Nachbereitung des Einsatz- und Streifendienstes.

In seiner Einkommensteuererklärung für 2015 machte er Fahrtkosten von seiner Wohnung zu der Polizeidienststelle sowie Verpflegungsmehraufwendungen entsprechend der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nach Dienstreisegrundsätzen geltend.

Er ging davon aus, dass keine erste Tätigkeitsstätte vorliege, da er schwerpunktmäßig außerhalb der Polizeidienststelle im Außendienst tätig sei. Das Finanzamt (FA) berücksichtigte Fahrtkosten lediglich in Höhe der Entfernungspauschale. Mehraufwendungen für Verpflegung setzte es nicht an. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Weiterlesen

Befristete Beschäftigung – Reisekosten als Werbungskosten?

Neues Reisekostenrecht vom BFH bestätigt


Das steuerliche Reisekostenrecht, das seit dem Jahr 2014 den Werbungskostenabzug für nicht ortsfest eingesetzte Arbeitnehmer und Beamte einschränkt, ist verfassungsgemäß, so der BFH in seinem Urteil vom 10.04.2019 (VI R 6/17).

Zum Hintergrund

Steuerrechtlich sind beruflich veranlasste Fahrtkosten von nichtselbständig Beschäftigten grundsätzlich in Höhe des tatsächlichen Aufwands als Werbungskosten abziehbar. Abzugsbeschränkungen bestehen allerdings für den Weg zwischen der Wohnung und dem Arbeits- oder Dienstort. Werbungskosten liegen hier nur im Rahmen der sog. Pkw-Entfernungspauschale i.H.v. 0,30 € je Entfernungskilometer vor.

Dabei definiert das neue Recht den Arbeits- oder Dienstort als „erste Tätigkeitsstätte“ (bisher: „regelmäßige Arbeitsstätte“). Nach dem neuen Recht bestimmt sich die erste Tätigkeitsstelle anhand der arbeitsvertraglichen oder dienstrechtlichen Zuordnung durch den Arbeitgeber (§ 9 Abs. 4 EStG). Demgegenüber kam es zuvor auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers an. Diese Änderung ist für die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Entfernungspauschale (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2 EStG) sowie der Verpflegungspauschalen (§ 9 Abs. 4a Satz 1 EStG) von Bedeutung, so der BFH. Weiterlesen