Abschlussprüfer und Financial Crime

Von Fachfremden wird immer wieder erwartet, der Abschlussprüfer sei eine Art Sheriff, dessen Aufgabe es sei, Verbrechen im Rahmen der Unternehmenstätigkeit oder Unregelmäßigkeiten im Rahmen der Rechnungslegung aufzudecken. Weit gefehlt: Diese Aufgabe steht nicht im Hauptfokus. Dennoch kann sich der Abschlussprüfer auch nicht einfach darauf zurückziehen, dass die Aufdeckung von Finanzkriminalität ihn gar nichts anginge. Mit der Rolle des Abschlussprüfers im Zusammenhang mit Finanzkriminalität hat sich nun Accountancy Europe (früher FEE), die privatwirtschaftliche Organisation der Wirtschaftsprüfer auf europäischer Ebene, in einem Informationspapier und FAQ´s befasst (siehe unten unter weiterführende Informationen).

Unter „Financial Crime“ oder Finanzkriminalität fallen dabei nicht nur Unterschlagungen und vorsätzliche Falschdarstellungen in der Rechnungslegung, sondern etwa auch Korruption oder Geldwäsche. Gerade letztere genießen in den vergangenen Jahren zunehmende Bedeutung in der Strafverfolgung und öffentlichen Wahrnehmung. Die Schäden durch Finanzkriminalität werden in Europa auf 120 Mrd. Euro, 10 % der Unternehmenskosten sowie 5 % der jährlichen Umsatzerlöse geschätzt. Große Bedeutung haben auch negative Reputationseffekte mit der Folge verschlechterter Geschäftsaussichten.

Die Abschlussprüfung ist zwar grundsätzlich nicht auf die Aufdeckung von Finanzkriminalität gerichtet, sondern zielt auf die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung und sonstigen prüfungspflichtigen Berichterstattung. Dennoch muss sich der Abschlussprüfer auch mit dem Risiko von Finanzkriminalität auseinandersetzen. Teils gibt es hierzu auch konkrete Vorgaben für den Abschlussprüfer, wie etwa bezüglich der Systeme zur Geldwäscheprävention bei Banken.

Bereits bei der Frage der Übernahme eines Prüfungsmandats muss sich der Abschlussprüfer mit den Risiken für Finanzkriminalität auseinandersetzen, etwa im Hinblick auf Geldwäscherisiken. Im Weiteren verschafft sich der Abschlussprüfer im Rahmen des geschäftsrisikoorientierten Prüfungsansatzes ein Verständnis vom Unternehmen und seiner Geschäftstätigkeit, bewertet vorhandene Kontrollmaßnahmen und deren praktische Anwendung. Ganz zentral ist die berufsübliche kritische Grundhaltung des Abschlussprüfers im Rahmen seiner Tätigkeit.

Die Association of Certified Fraud Examiners (ACFE, siehe unten unter weiterführende Informationen) hat im Rahmen einer empirischen Studie Kontrollmaßnahmen identifiziert, die eine gute Wirksamkeit haben. Darunter fallen beispielsweise das Vorhandensein einer Funktionseinheit zur Verhinderung oder Aufdeckung von kriminellen Handlungen im Unternehmen, eine proaktive Datenanalyse etwa im Hinblick auf Auffälligkeiten, Überraschungsmomente bei der Durchführung von Kontrollen, eine Hotline für Mitarbeiter, Jobrotation oder auch entsprechende Trainings von Mitarbeitern und Leitungsorganen.

Stößt der Abschlussprüfer auf Hinweise für Finanzkriminalität, wird er versuchen diese zu substanziieren. Handelt es sich um für die Rechnungslegung relevante Risiken, besteht ein direkter Zusammenhang zur Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung. In jedem Fall wird der Abschlussprüfer seine Erkenntnisse an die Adressaten seines Berichts vermitteln. Gerade im Hinblick auf die Dringlichkeit von Sachverhalten mit kriminellem Bezug wird eine frühzeitige Berichterstattung vor Übermittlung des Prüfungsberichts zur Abschlussprüfung im Rahmen der Redepflicht in Betracht kommen. An Dritte, etwa Strafverfolgungsbehörden, kann sich der Prüfer wegen der Verschwiegenheitspflicht in Deutschland grundsätzlich nicht wenden. Die Information Dritter kann etwa im Bereich regulierter Unternehmen vorzunehmen sein, z.B. bei Bankprüfungen die BaFin, und gegebenenfalls auch bei Unternehmen von öffentlichem Interesse. Der Wirtschaftsprüfer kann etwa im Hinblick auf Geldwäsche eine Verdachtsanzeige tätigen müssen. Die neue EU-Abschlussprüfungsverordnung kann entgegen der grundsätzlichen Verschwiegenheitspflicht des Abschlussprüfers eines Unternehmens von öffentlichem Interesse zu einer Informationspflicht an eine benannte Überwachungsinstanz führen, sofern das Unternehmen auf eine vorherige Mitteilung nicht mit eigenen Untersuchungen reagiert.

Bei alledem kann nicht erwartet werden, dass die Abschlussprüfung ein Qualitätssiegel für das Nichtvorhandensein von Finanzkriminalität liefern kann. Die Möglichkeiten des Abschlussprüfers im Rahmen seiner Ordnungsmäßigkeitsprüfung bleiben begrenzt und der Hauptfokus seiner Tätigkeit ist nun einmal die Rechnungslegung und sonstige Unternehmensberichterstattung.

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