Adoptionskosten: Muss das denn wirklich sein?

Wenn etwas sein muss, dann ist es zwangsläufig. Und wenn etwas zwangsläufig ist, (so weiß der Fachmann) dann kann es auch unter weiteren Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

Aktuell ist eine Verfassungsbeschwerde (Az: 2 BvR 1208/15) anhängig, in der zu klären ist, ob die Kosten einer Adoption wegen der Sterilität eines Partners zwangsläufig entstehen und dementsprechend als außergewöhnliche Belastung angesetzt werden können.

Der Bundesfinanzhof hat (auf der Linie seiner bisherigen Rechtsprechung) in einem neuem Urteil (Az: VI R 60/11) den Abzug von Adoptionskosten eines Kindes als außergewöhnliche Belastung abgelehnt. Der Grund: Es fehlt an der Zwangsläufigkeit. Liest man die Entscheidung des Bundesfinanzhofs, so ist die Argumentation schlüssig, logisch, gut subsumiert und auch durchdacht. Aber ist sie deswegen richtig?

Der Bundesfinanzhof argumentiert, dass Krankheitskosten nach der ständigen Rechtsprechung aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen und dementsprechend immer ein Abzug als außergewöhnliche Belastung infrage kommt. Dies auch der Grund, warum die Kosten einer künstlichen Befruchtung zwangsläufig entstehen. Der BFH argumentiert, dass die Kosten einer künstlichen Befruchtung nur deshalb aufgewendet werden, weil die organisch bedingten Sterilität eines Partners (zumindest in der steuerlichen Betrachtung) als Krankheit angesehen werden kann. Insoweit werden die Kosten der künstlichen Befruchtung zur Überwindung dieser Krankheit aufgewendet und fallen damit in den Bereich der außergewöhnlichen Belastung. Aber wie ist es mit den Adoptionskosten?

Adoptionskosten die einem Paar aufgrund der Adoption eines Kindes im Falle von organisch bedingten Sterilität eines Partners entstehen, fallen hingegen (so der Bundesfinanzhof) nicht zwangsläufig an, weil damit der Zustand der Kinderlosigkeit überwunden werden soll. Da nun eine Kinderlosigkeit (auch steuerlich) kaum als Krankheit eingeordnet werden kann, ist es schlüssig und folgerichtig argumentiert, dass insoweit auch keine außergewöhnlichen Belastungen vorliegen.

Diese Linie entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wonach Adoptionskosten weder aus rechtlichen noch aus sittlichen Gründen zwangsläufig anfallen bzw. es ansonsten auch keine tatsächlichen Gründe für deren Zwangsläufigkeit gibt.

Als Steuerrechtler kann ich bei der Subsumtion der Vorschriften dieser Auffassung nur zustimmen. Dennoch muss die Frage gestellt werden: Kann das wirklich richtig sein oder ist es vielleicht doch zu kurz gedacht? So kann zwar mit Sicherheit auch die Kinderlosigkeit im Steuerrecht nicht als Krankheit eingestuft werden. Aber: Die Kinderlosigkeit ist doch bereits die Folge der Sterilität eines Partners. Damit liegt doch auch hier die Folge einer (steuerlichen) Krankheit vor, welche durch die Adoptionskosten überwunden werden soll.

Folglich werden auch Adoptionskosten (mindestens indirekt) zur Überwindung der Sterilität eines Partners aufgewendet. Oder?

Zugegeben: Steuerrechtlich ein dünnes Konzept. Dennoch spricht menschlich umso mehr dafür. Es bleibt abzuwarten, was das Bundesverfassungsgericht sagt.

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Ein Kommentar zu “Adoptionskosten: Muss das denn wirklich sein?

  1. Wenn Kosten einer künstlichen Befruchtung zur Beseitigung der Folgen einer organisch bedingten Sterilität eines Partners als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden, warum dann nicht auch die Kosten einer Adoption. Künstliche Befruchtung wie auch Adoption heilen beide nicht die organisch bedingten Sterilität eines Partners, aber beide vermeiden psychische Belastungen aus der Kinderlosigkeit, die ansonsten zu psychischen Erkranken führen können. Dies war und ist ja auch die Argumentationsweise des BFH zur Anerkennung der Kosten für künstliche Befruchtungen. Die rein theoretische Argumentation des BFH, es gibt keine sittliche Verpflichtung zur Adoption, weil Kinderlosigkeit in unserer Gesellschaft nicht als Makel gesehen wird, verschließt sich der medizinischen Tatsache, dass Kinderlosigkeit zur psychischen Erkrankung insbesondere von Frauen führen kann und diese Kinderlosigkeit eben nicht in allen Fällen durch künstliche Befruchtung „geheilt“ werden kann. Vielen Paaren bleibt nach vielen Versuchen der künstlichen Befruchtung nur der Weg der Adoption zur „Heilung“. Im Übrigen sehe ich die Argumentation des BFH der fehlenden sittlichen Verpflichtung in einer Zeit, in der sehr viel über die Werte unserer Gesellschaft diskutiert, gesellschaftspolitisch verfehlt. Auch der Blick ins Grundgesetz und die dort in Artikel 3 gebotene Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen widerspricht m. E. der BFH-Rechtsprechung. Eltern die mit künstlicher Befruchtung ihr Ziel erreichten und die Eltern, die erst mit der Adoption erfolgreich waren, müssen gleich behandelt werden. Ansonsten könnte man in Gesetzgebung und Rechtsprechung unterschiedliche Regelungen für Kranke und Behinderte aufstellen. Und dass Behinderte nicht benachteiligt werden dürfen, sollte frei jeder Diskussion sein. Auch die Förderung von Ehe und Familie in Artikel 6 GG wird m. E. durch die BFH-Rechtsprechung missachtet. Wenn der Staat einerseits Steuern und Abgaben auf die Kosten der Adoption erhebt und dies ausschließlich verheiratet Ehepaare trifft (Der Ehestand der Eltern ist meines Wissens immer noch Voraussetzung einer gesetzlichen Adoption in Deutschland.), so wird hier die Ehe und die werdende Familie über Maßen belastet. Über Maßen deshalb, weil § 33 EStG je eben die zumutbare Belastung schon den werdenden Eltern abverlangt und erst dann das Unzumutbare zum Abzug zulässt.

    Menschlich möchte ich mich als zweifacher Adoptivvater zu dem Thema besser nicht eingehend äußern. Nur so viel: Welcher BFH-Richter unterscheidet bei Frage der betrieblichen Veranlassung von Fahrtkosten, ob der Steuerpflichtige mit dem PKW oder der Bahn fährt. Manchmal wäre es einfach besser, … Aber wie gesagt, lassen wir das mit der menschlichen Betrachtungsweise einfach weg.

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