Alert § 50a EStG! Finanzverwaltung erwägt, Abzugsteuer auf Zahlungen für Online-Werbung zu erheben

Ein neues Diskussionsfeld in Betriebsprüfungen hat das Potenzial, erhebliche Mehrkosten für werbetreibende Unternehmen auszulösen. Aktuell ist Online-Werbung ins Visier der Steuerbehörden geraten. Nachdem die jahrelange Unsicherheit rund um die Abzugsteuerpflicht von grenzüberschreitenden Zahlungen für Software seit 2017 weitgehend beseitigt ist, droht nun neues Ungemach.

In jüngerer Zeit mehren sich Betriebsprüfungen, in denen grenzüberschreitende Zahlungen für Online-Werbung als abzugsteuerpflichtig gemäß § 50a EStG behandelt werden. Überdies hat Franz Hruschka, Leiter der Betriebsprüfung beim FA München, kürzlich in einem als Privatmeinung bezeichneten Fachaufsatz (DStR 2019, S. 88) für die Abzugsteuerpflicht entsprechender Zahlungen argumentiert. Eine abgestimmte Meinung des BMF zu dieser Frage liegt derzeit noch nicht vor. Da die Sichtweise wohl auch in der Verwaltung nicht unumstritten ist, wird sich eine Meinungsbildung innerhalb der Finanzverwaltung inkl. der Abstimmung der Position auf Bund-/Länderebene bestimmt bis in den Sommer 2019 hinziehen. Dem Vernehmen nach werden die Feststellungen derzeit (noch) nicht per Haftungs-/Nachforderungsbescheid vollzogen, so dass in der Praxis bislang keine entsprechenden Zahlungspflichten zu beobachten sind.

Abzugsteuer als Kostenfaktor für die deutschen Unternehmen

Die Frage, ob grenzüberschreitende Zahlungen für Online-Werbung der deutschen Abzugsteuer unterliegen (15,825% inklusive SolZ; 18,8% bei Tragung durch den Zahlenden) ist gerade für werbeintensive Unternehmen von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung, da typischerweise vertraglich keine Möglichkeit besteht, die Abzugsteuer auf den eigentlichen Steuerschuldner (den ausländischen Zahlungsempfänger) abzuwälzen. Überdies werden in den seltensten Fällen Freistellungsbescheinigungen bestehen, die eine abzugsteuerfreie Zahlung erlauben dürften. Würde es also bei der von den Betriebsprüfungen teilweise vertretenen Auffassung bleiben, kämen hier erhebliche Haftungsschulden auf die Unternehmen zu und auch für die Zukunft würde sich ihre Kostenstruktur maßgeblich verschlechtern.

Steuerrechtlich bestehen sehr gute Argumente gegen die Auffassung, dass Zahlungen für Online-Werbung der Abzugsteuer unterliegen sollen. Überdies widerspricht die vorgebrachte These, Online-Werbung sei keine Dienstleistung, sondern eine Know-how-Überlassung internationalem Konsens, der sich ja auch in der Zielrichtung einer EU-weiten Digital Service (also Dienstleistungs-)Tax manifestiert, welche ja gerade auf Zahlungen für Online-Werbung erhoben werden soll.

Weiteres Vorgehen ist aus Compliance Gesichtspunkten zu prüfen

Dennoch sollten Steuerpflichtige mit entsprechenden grenzüberschreitenden Zahlungen (und das dürfte die Mehrheit aller Unternehmen sein) überprüfen, inwiefern hier eine vorsorgliche Offenlegung der geleisteten Zahlungen gegenüber der zuständigen Behörde (seit 2014 das Bundeszentralamt für Steuern, davor das lokale Finanzamt) erfolgen sollte, verbunden mit einer Begründung, warum aus Sicht des Stpfl. keine Abzugsteuer einzubehalten war/ist. Darüber hinaus ist zu erwägen, derartige Zahlungen ggf. – bis zu einer Klärung durch ein BMF-Schreiben – auch im Rahmen der quartalsweisen Abzugsteueranmeldungen entsprechend offenzulegen. Auch die (vorsorgliche) Beantragung von Freistellungsbescheinigungen durch das ausländische Unternehmen könnte mit dem Vergütungsgläubiger zu besprechen sein.

Auch die OECD ist in diesem Bereich aktiv

Der Vorstoß ist auch in einem größeren Zusammenhang von Bedeutung: Neben der unlängst vorgestellten Policy Note hat die OECD auch ein Konsultationspapier zur Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft veröffentlich. In dem Konsultationspapier erläutert die OECD die bisher abstrakt gehaltenen Vorschläge. Das in zwei „Säulen“ unterteilte Unterfangen zur Neukonzeption der internationalen Besteuerung besteht zum einen aus drei alternativen Vorschlägen zur Neu-Allokation von Besteuerungsrechten und zum anderen aus einem Grobkonzept für eine globale Minimumsteuer, das auf eine Initiative Deutschlands und Frankreichs zurückgeht (und teilweise auch als „BEPS 2.0“ bezeichnet wird). Die Vorschläge zur Neu-Allokation von Besteuerungsrechten zielen dabei teilweise ebenfalls auf Online-Werbung. Insbesondere im Vorschlag zur „Nutzerbeteiligung“ („user participation“) wird ausgeführt, dass die aktive Beteiligung der Nutzer in der digitalisierten Wirtschaft der entscheidende Wertschöpfungsfaktor ist. Demnach soll dem Staat der Nutzerbasis ein Besteuerungsrecht zugesprochen werden. Dieser Ansatz zielt, vergleichbar dem ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission für eine Digitalsteuer, auf spezifische Geschäftsmodelle ab: auf soziale Netzwerke, Suchmaschinen und online Marktplätze.

Es scheint damit so, als würden Teile der deutschen Finanzverwaltung in diesem Bereich nun schon mal ohne neue gesetzliche Grundlagen, sondern rein auf Basis der Neuinterpretation bestehender Regelungen vorpreschen wollen.

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