Alles nachhaltig oder, was?

Die neue CSR-Richtlinie oder wie wir uns selbst belügen (wollen?)

Das Thema Nachhaltigkeit hat nun auch das Rechnungswesen erreicht. Doch was ist denn eigentlich nachhaltig? Tja, allein wenn man den Begriff googelt erhält man mehr als 10 Millionen Einträge. Halt: Ich habe gegoogelt, war das gerade nachhaltig? Egal. Solange es niemanden interessiert, kann ich weiterhin googeln.

Ab 2017 oder anders gesagt „für nach dem 31. Dezember 2016 beginnende Geschäftsjahre“ sind bestimmte Unternehmen dazu verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen und zu veröffentlichen. Welche Unternehmen betrifft das? Denn eigentlich wollten wir doch Bürokratie abbauen. Aber gut, es geht um Nachhaltigkeit. Dafür lohnt sich der Mehraufwand auf alle Fälle. Man sollte nur nicht berechnen, wie viele Ressourcen durch die Berichterstattung gebraucht werden. Schließlich ist Nachhaltigkeit gerade im Trend.

Die Pflicht zur Erstellung eines Berichtes gilt auch nur für kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie Kreditinstitute und Versicherungen, die mehr als 500 Mitarbeiter haben. Eine Bank soll nachhaltig sein können? In der Werbung kommt das zwar in letzter Zeit immer wieder. Aber hat sich die Denkweise und die Handlungen seit der Finanzkrise denn um 180 Grad gedreht? Eine 180-Grad-Drehung würde gar nicht ausreichen. Es gibt sicherlich Banken, die genau auf diesem Prinzip der Nachhaltigkeit aufgebaut sind. Aber die Zocker-Banken sollen nun jetzt nachhaltig sein? Oder darüber berichten, wie nachhaltig sie angeblich sind? Kaum zu glauben.

Sind denn die Aktionäre auch an der Nachhaltigkeit interessiert, wenn ihre Dividende geringer ausfällt? Das wäre schön. Ich kann mir aber kaum vorstellen, dass der Druck auf den Vorstand eines börsennotierten Unternehmens hinsichtlich der Gewinnerzielung geringer werden wird.

In dem Nachhaltigkeitsbericht soll unter anderem über folgende Punkte berichtet werden:

  • Umweltbelastung, insbesondere Angaben zu Treibhausemissionen, zum Wasserverbrauch, zur Luftverschmutzung, zur Nutzung von erneuerbaren und nicht erneuerbaren Energien oder zum Schutz der biologischen Vielfalt
  • Arbeitnehmerbelange, insbesondere Angaben zur Gewährleistung der Geschlechtergleichstellung, zu Arbeitsbedingungen, zur Achtung der Arbeitnehmerrechte, zum Gesundheitsschutz
  • Sozialbelange
  • Achtung der Menschenrechte
  • Bekämpfung der Korruption

Was bitte sind Sozialbelange? Die theoretische oder auch die praktische Möglichkeit meiner Arbeitnehmer, Elternzeit zu nehmen ohne Karriereeinbußen zu haben? Die Arbeitszeit auf 50 % zu reduzieren, um Kinder zu erziehen oder Eltern zu pflegen? Schutz der Mitarbeiter vor zu vielen Überstunden? Bitte nicht so konkrete Formulierungen. Nein, mal ehrlich: Was ist darunter zu verstehen?

Wollen wir wirklich etwas über die schlechten Arbeitsbedingungen der Lieferanten des Unternehmens erfahren? Würde uns das interessieren, könnten wir uns doch oft denken, dass es nur mittels Ausbeuterei und miserablen Arbeitsbedingungen für die Näherinnen o.ä. möglich ist. Wie bitte soll für ein T-Shirt, das bei einem Unternehmen für 2,99 Euro brutto verkauft wird, ein fairer Lohn bezahlt werden? Aber gut, wir brauchen die unzähligen Shirts in unserem Kleiderschrank. Ist doch alles so günstig. Ja, schon. Aber wir wollen nicht wirklich wissen, welchen Schaden wir mit unserem Konsum anrichten.

Der Bericht (nichtfinanzielle Erklärung) ist Bestandteil des Lagerberichts. Damit die Unternehmen mit der Erstellung nicht überfordert sind, haben sie sechs Monate nach dem Bilanzstichtag Zeit, den Bericht zu erstellen. Will man damit vermeiden, dass von Jahr zu Jahr lediglich ein paar Zahlen ausgetauscht werden? Ansonsten wird sicherlich ein Standardtext vorliegen, der sich jährlich in dem neuen Bericht wiederfinden wird. Wollen wir den die nackte Wahrheit wirklich wissen? Oder doch wieder nur einen Bericht, der uns ein gutes Gewissen bereitet. So nach dem Motto: Ich kann jetzt weiterhin konsumieren, schließlich unterstütze ich die Nachhaltigkeit.
Nachhaltig heißt aber manchmal einfach auch: Weniger ist mehr. Nur damit lässt sich nicht so viel Geld verdienen.

Der Wirtschaftsprüfer muss zudem lediglich prüfen, ob der Bericht vorgelegt wurde. Inhaltlich wird er von ihm nicht geprüft. Lässt das Unternehmen den Bericht freiwillig prüfen, müssen die Prüfungsergebnisse veröffentlicht werden. Fragt sich, welche Unternehmen freiwillig zusätzliche Kosten auf sich nehmen, um diesen Bericht freiwillig prüfen zu lassen. Den Investoren sollte doch der Bericht an sich genügen.

Fazit: Gute Idee, aber leider wollen wir wahrscheinlich doch nicht die nackte Wahrheit erfahren. Wir wollen glauben, nachhaltig zu handeln. Wirklich nachhaltig sieht oft anders aus.

PS: Falls der Text einen Schreibfehler enthält, liegt es daran, dass ich im Sinne der Nachhaltigkeit den Text zum Korrektur lesen nicht ausgedruckt habe. Der Umwelt zuliebe.

Lesen Sie auch „Alles nachhaltig, oder was?“ Teil II

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