Anzeigepflicht für Steuergestaltungen – die neue „Beta-Gesetzgebung“

Am 21. Februar hatte ich Gelegenheit, während des Bremer Steuerforums zum Thema „Anzeigepflicht für Steuergestaltungen“ zu referieren und im Anschluss an einer Podiumsdiskussion teilzunehmen. Ich selbst war eigentlich schon der Meinung, unendlich viele Ungereimtheiten des geplanten Gesetzes zu kennen. Nach Hause gefahren bin ich mit vielen weiteren Fragen. Letztlich bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass der Gesetzgeber künftig bewusst eine „Beta-Gesetzgebung“ in Kauf nimmt. Was ich damit meine?

Wir kennen alle Computerprogramme, die in einer Beta-Version interessierten Nutzern zur Verfügung gestellt werden, um diese auf Herz und Nieren zu testen. Zuweilen werden Beta-Versionen auch in den Markt gebracht und dürfen beim Kunden „reifen.“ Für die einen ist es ein Ärgernis, für technik-affine Menschen ist es hingegen ein normaler Vorgang und Fehler in den ersten Versionen werden hingenommen.

Der Gesetzgeber wird sein Gesetz zur Anzeigepflicht für Steuergestaltungen ähnlich „ausrollen“ bzw. „auf den Markt“ bringen. Er weiß bewusst, dass das Gesetz beim „Kunden“, also beim Steuerberater und beim Steuerzahler (und später bei den Gerichten) „reifen“ muss. Daher nimmt er unbestimmte Rechtsbegriffe billigend in Kauf und versucht nicht einmal, diese im Vorfeld hinreichend zu begründen. Allein schon der Begriff „Gestaltung“ ist eigentlich nicht wirklich definiert. Die EU möchte nur „aggressive“ Gestaltungen erfassen, der deutsche Gesetzgeber schränkt den Begriff „Gestaltungen“ hingegen nicht wirklich ein. Zugegebenermaßen wäre der Begriff „aggressive“ allerdings auch schon recht unbestimmt.

Dass wir im Steuerrecht mit unbestimmten Rechtsbegriffen leben müssen, ist nicht ganz neu. Allerdings betreffen die unbestimmten Rechtsbegriffe im Zusammenhang mit der Anzeigepflicht für Steuergestaltungen den Bußgeldbereich. Ich bin kein Strafrechtler, aber mir scheint das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 GG verletzt zu sein.

Jedenfalls habe ich ein extremes Störgefühl, wenn die „Beta-Gesetzgebung“ Schule macht. Es darf nicht sein, dass der Gesetzgeber bußgeldbewährte Anforderungen an Steuerberater und Steuerpflichtige stellt, er jedoch im Vorfeld nicht hinreichend verdeutlichen kann, wann überhaupt ein Bußgeld fällig werden könnte.

Übrigens, für alle Kolleginnen und Kollegen, die das Gesetz für Zukunftsmusik halten und sich heute noch nicht mit den gesetzgeberischen Planungen befassen möchten: Das Gesetz wird eine echte Rückwirkung entfalten, und zwar ab Mitte 2018. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole, kann ich nur die Empfehlung aussprechen, innerhalb der Kanzlei und bei den Mandanten für Maßnahmen zu sorgen, um die bereits auf den Weg gebrachten Gestaltungen nachvollziehen zu können. Wer eine vorweggenommene Erbfolge mit einem einzigen Auslandserben gestaltet hat, muss diese gegebenenfalls melden!

 

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