Aufreger des Monats Februar: Außergewöhnliche Belastungen kaum noch abziehbar

In § 33 Abs. 2 EStG heißt es zum Begriff der „Außergewöhnlichen Belastungen“: „Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen“.

Ehrlich gesagt bin ich so langsam aber sicher ratlos, wann Gesetzgeber, Finanzverwaltung und BFH die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen überhaupt noch bejahen. Immaterielle („psychische“) Schäden? Betreffen nicht den existenzsichernden Bereich, denn gemeint ist ausschließlich die wirtschaftliche Existenz – also kein Abzug. Schäden am Haus oder an Einrichtungsgegenständen? Man hätte sich ja versichern können – grundsätzlich kein Abzug (Ausnahme: Es gibt eine Billigkeitsregelung wie die so genannten Katastrophenerlasse). Prozesskosten? Sind ohnehin gesetzlich fast immer vom Abzug ausgeschlossen. Bestattungskosten? Es ist das Erbe gegenzurechnen – daher nur selten ein Abzug.

Und nun ging es vor dem BFH um einen Fall einer behördlichen Anordnung, also um einen Sachverhalt, in dem sich der Steuerzahler den Kosten nun wahrlich aus rechtlichen Gründen nicht entziehen konnte. Aber auch hier fallen dem BFH schöne Argumente ein, um einen Abzug zu verneinen (BFH-Urteil vom 22.10.2019, VI R 48/17).

Der Sachverhalt

Die Familie A besitzt eine 102 Jahre alte Familiengrabstätte. Im Sommer 2013 wandte sich die Gemeinde an ein Familienmitglied und verlangte wegen der fehlenden Standsicherheit der Aufbauten auf dem Familiengrab die fachgerechte Behebung der bestehenden Sicherheitsmängel. Das Familienmitglied kam dieser Aufforderung nach und beauftragte einen Steinbildhauer und Steinmetzmeister mit der Sanierung des Grabes. Anschließend begehrte es beim Finanzamt den Abzug der Kosten als außergewöhnliche Belastung. Offenbar waren die Aufwendungen so hoch, dass sie auch die zumutbare Eigenbelastung überstiegen.

Während das Finanzamt einen Abzug verneinte, hat das Finanzgericht die Zwangsläufigkeit, Notwendigkeit und Außergewöhnlichkeit der Aufwendungen bejaht und einen Abzug als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG zugelassen (Hessisches FG, Urteil vom 4.4.2017, 2 K 1964/15).

Der BFH hingegen ist der Ansicht, dass keine „Zwangsläufigkeit“ vorliege. Es handele sich bei dem Familiengrab schon nicht um einen existenznotwendigen Vermögensgegenstand. Daher vermag auch die Anordnung der Gemeinde, die Standsicherheitsmängel des dort errichteten Grabmals fachgerecht beheben zu lassen, den Abzug der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung nicht zu begründen. Selbst wenn sich die Klägerin den Kosten aufgrund der Anordnung der Gemeinde zumindest teilweise nicht hätte entziehen können, reiche dies nicht aus, um insoweit aus rechtlichen Gründen zwangsläufige Aufwendungen i.S. des § 33 EStG anzunehmen.

Bei den im Streitfall zu beurteilenden Aufwendungen handelte es sich nach Ansicht des BFH auch nicht um Beerdigungskosten, die nach der Rechtsprechung des Senats unter bestimmten Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastung Berücksichtigung finden können.

Mir persönlich fallen nicht mehr allzu viele Fälle ein, in denen ein Abzug von außergewöhnlichen Belastungen gemäß § 33 EStG nach der Auffassung des BFH überhaupt noch möglich ist. Wenn man die Rechtsprechung auf die Spitze triebe, könnte man selbst bei Krankheitskosten jedem Steuerzahler entgegenhalten, dass er ja eine „übliche und leicht zugängliche“ Versicherung hätte abschließen können. Außerdem: Sind Zahnarztkosten wirklich „zwangsläufig“? Eines Tages wird der BFH den Betroffenen entgegenhalten, sie hätten ja ihre Zähne besser putzen können. Und zudem wird ein Zahnersatz ja auch erst dann existenziell, wenn wirklich die letzten Zähne gezogen werden müssen.

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