Aufreger des Monats März: Chaos bei der Überlassung von Fahrrädern und E-Bikes

Soeben habe ich mich ausführlich mit der Neuregelung zur Überlassung von Fahrrädern und E-Bikes befasst, das heißt, neben den gesetzgeberischen Neuregelungen mit dem koordinierten Ländererlass vom 13.3.2019. Ehrlich gesagt bin ich an dem Thema fast verzweifelt. Es ist wieder einmal ein Musterbeispiel von gesetzgeberischer Inkompetenz – ich kann es nicht anders bezeichnen.

Zunächst: Wir haben es mit einem recht einfachen Lebenssachverhalt zu tun, also ganz anders als etwa bei Erb- oder Umwandlungsfällen. Doch der Gesetzgeber hat es geschafft, selbst bei einem einfachen Lebenssachverhalt Lohnsteuer- bzw. Einkommensteuerrecht, Umsatzsteuerrecht und Sozialversicherungsrecht vollkommen auseinanderdriften zu lassen.

Dazu ein Beispiel: Wenn ich den Ländererlass richtig verstehe, wird bei der Überlassung eines Firmenfahrrads im Wege der Gehaltsumwandlung von nun an auch die halbierte Bemessungsgrundlage angesetzt. Dabei würde diese gesetzgeberisch nur für „echte“ Elektrofahrzeuge gelten, also etwa für so genannte S-Pedelecs. Die Auffassung der Finanzverwaltung ist zwar lobenswert; ihr fehlt aber – wie gesagt – meines Erachtens die rechtliche Grundlage. Daher haben wir bis auf Weiteres keinen Gleichklang zwischen Steuer- und Beitragsrecht (man mag mich eines Besseren belehren). Bis die Sozialversicherungsträger entschieden haben, müssen die Personal- und Steuerabteilungen mithin die unterschiedliche Behandlung berücksichtigen.

Wenn ich es richtig sehe, ist die Neuregelung zudem umsatzsteuerrechtlich überhaupt nicht vollzogen worden. Hier haben wir weiter die Ein-Prozent-Regelung von der vollen Bemessungsgrundlage.

Und dann die unterschiedlichen Anwendungszeitpunkte mit unterschiedlichen Besteuerungsfolgen und die Unterschiede bei Überlassung mit oder ohne Gehaltsumwandlung. Einmal steuerfrei, einmal nicht, einmal halbe Bemessungsgrundlage, einmal volle Bemessungsgrundlage, einmal Versteuerung der Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte und einmal keine Versteuerung. Einmal kommt es auf die „erstmalige Überlassung zwischen 2019 und 2021“ an, ein anderes Mal kommt es auf die „Erstmaligkeit“ nicht an. Und warum ist Regelung für Selbstständige in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 6 EStG („Die private Nutzung eines betrieblichen Fahrrads, das kein Kraftfahrzeug im Sinne des Satzes 2 ist, bleibt außer Ansatz“) nicht analog für Gehaltsumwandlungsfälle bei Arbeitnehmern übernommen worden? Und, und, und. Wahrscheinlich braucht es bald einen Fachberater für die Überlassung von Firmenfahrrädern.

Übrigens, nur am Rande: Ich habe mit drei Kollegen gesprochen, ob diese den koordinierten Ländererlass verstanden haben. Alle sagten „nein“, sie hätten ihn nicht verstanden. Wohlgemerkt handelt es sich um „gestandene“ Lohnsteuerrechtler.

Also liebe Mitarbeiter der Finanzverwaltung: Gebt Euch doch bitte schön einmal etwas mehr Mühe mit der sprachlichen Abfassung Eurer Anweisungen. Es ist kein gutes Zeichen, wenn selbst Fachleute Eure Anweisungen schon rein sprachlich nicht mehr verstehen. Dazu ein Beispiel: In dem Erlass ist von der „auf volle 100 Euro abgerundeten halbierten unverbindlichen Preisempfehlung“ die Rede. Was ist denn nun zu halbieren? Die Preisempfehlung? Oder die Preisempfehlung, nachdem man diese durch 2 geteilt hat? Wahrscheinlich die 2. Alternative. Aber dann sagt das doch bitte einfach und lasst uns nicht erst rätseln. Und: Schon in der Schule dürftet Ihr gelernt haben, dass Beispiele zur Verdeutlichung beitragen. Also: Einige Beispiele hätten Eurer Anweisung nicht geschadet. Aber warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?

Weitere Informationen:

Oberste Finanzbehörde der Länder v. 13.03.2019 – S 2334 – 66 – V B 3

 

Ein Kommentar zu “Aufreger des Monats März: Chaos bei der Überlassung von Fahrrädern und E-Bikes

  1. Unverständliche BMF-Schreiben?! Das ist ja gaaaannzzzz was neues ;-)
    Im Kern haben Sie natürlich recht: SV/LSt/USt – das muss alles viel koordinierter werden.

    Aber zunächst einmal, schon von der Überschrift her limitiert der Erlass ja auf Fahrräder/Pedelecs (und eben nicht auf S-Pedelecs – für die normale PKW-Versteuerung gilt). Unter der Prämisse wird er verständlicher.

    Das es bei der USt nicht nachvollzogen wurde ist ein Problem. Übrigens auch bei E-Autos. Derzeit klären wir mit ADP, ob man das innerhalb der Lohnart regeln kann. Ansonsten muss man diese Fahrzeuge notieren und über einen Report am Jahresende die Umsatzsteuerbuchung verdoppeln.

    Das Beitragsrecht sehe ich hier ehrlich gesagt nicht als Problem. Die SVEV steht dem nicht entgegen. Eine abweichende Bewertung ist dort für diese Fälle nicht geregelt. Arbeitsentgelt ist was Arbeitslohn ist. Von wenigen Ausnahmen hat die SV keine eigenen Bewertungsregelungen. Wie also zu bewerten ist, regelt das Steuerrecht (egal ob gesetzlich oder auf Erlass-Basis).

    Das die 44 EUR-Grenze keine Anwendung finden soll, das ist zwar unsystematisch – aber nachvollziehbar, wenn man sich überlegt, dass der Fiskus hier einfach keine Doppelbegünstigung haben wollte. M.E. erfolgt die Bewertung aber ja nur analog §8 Abs. 2 S.2 – aber für die 44 EUR-Grenze müsste ich wohl mit dem Umwandlungsbetrag bewerten.

    Übrigens: Bei Entgeltumwandlungen immer daran denken, dass die Finanzverwaltung diese nicht einfach mit negativem Vorzeichen (wie bei BAV) in der Lohnabrechnungen sehen will – nein! (nur) der reduzierte Brutto nach Entgeltumwandlung soll auf der Abrechnung stehen.

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