Aufreger des Monats Mai: „Erstattung von Kosten für ein Privatgutachten im FG-Prozess?“

Wer meine Blog-Beiträge regelmäßig liest, weiß, dass ich unter der Rubrik „Aufreger des Monats“ häufiger FG-Urteile kritisiere. Mir geht es nicht in erster Linie um die Entscheidungen als solche, sondern vielmehr um ihr „Zustandekommen“. Da werden Beweisanträge abgeschmettert, einschlägige andere Entscheidungen ignoriert, Revisionen nicht zugelassen oder schlafende Richter „geschützt.“

Auch heute möchte ich eine Entscheidung vorstellen, die in der Sache wohl korrekt ist, bei dem mich die Wortwahl aber ärgert. Es geht um die Frage, ob Kosten für ein Privatgutachten im FG-Prozess erstattungsfähig sind (FG Hamburg, Beschluss vom 22.1.2018, 4 K 84/17). Um es vorweg zu nehmen: Sie können nur ganz ausnahmsweise erstattet werden. Hier aber einige Passagen aus dem Beschluss:

„Die Prüfung der Verfassungs- und Europarechtsmäßigkeit eines Steuergesetzes zählt zu den typischen Aufgaben des für den Rechtsstreit zuständigen und beschließenden Senats.“ Da ist man geneigt zu fragen: In wie vielen Fällen hat das FG Hamburg denn Verfahren an das BVerfG oder den EuGH herangetragen? Oder: „In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung ist ferner geklärt, dass es vor dem Hintergrund des das finanzgerichtliche Verfahren beherrschenden Untersuchungsgrundsatzes die Aufgabe des Gerichts ist, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und den Umfang einer eventuellen Beweisaufnahme zu bestimmen ….“

Hier frage ich mich: In wie vielen Fällen, in denen es um die Höhe von Hinzuschätzungen ging, ist denn tatsächlich eine hinreichende Beweisaufnahme erfolgt? Ich möchte hier auf folgende Entscheidung hinweisen: FG Hamburg vom 29.08.2017 (2 K 238/16): „Die Erlöse eines Taxiunternehmers können auf der Grundlage der Jahresgesamtlaufleistungen der Taxen geschätzt werden“ … „Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.“ Interessanterweise liegt die Nichtzulassungsbeschwerde unter dem Aktenzeichen X B 142/17 vor. Misstraut der BFH der Beweisaufnahme?

Interessant ist übrigens eine Passage aus einer anderen Entscheidung des FG Hamburg (Beschluss vom 24.6.2017, 3 KO 56/17): „Denn ansonsten ist ein Privatgutachten überflüssig und ist es ohnehin nach deutschem Prozessrecht grundsätzlich Sache des Gerichts, nötige Beweise zu erheben ….“ Aha, ein Gutachten ist überflüssig! Heißt das, dass das Vorbringen einer anderen Auffassung vor Gericht durch einen versierten Steuerfachmann, der eventuell eine andere Auffassung als der Senat vertritt, nicht gewünscht ist?

Ich kann verstehen, dass sich die Kosten eines FG-Prozesses in Grenzen halten müssen. Und sicherlich muss man nicht (immer) mit zahlreichen Gutachten „um sich werfen.“ Das sollte man dann in seinen Urteilen aber etwas eleganter ausdrücken. Die Wortwahl des FG Hamburg empfinde ich jedenfalls als unglücklich, da sie etwas von dem (unberechtigten) Nimbus der Unfehlbarkeit eines Finanzrichters in sich trägt.

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Ein Kommentar zu “Aufreger des Monats Mai: „Erstattung von Kosten für ein Privatgutachten im FG-Prozess?“

  1. zu der Unfehlbarkeit des FG-Richters gesellt sich die Voreingenommenheit, alle wollen den Staat betrügen.
    Deshalb kann eine abweichende Meinung trotz der Vorschriften in den Gesetzen AO und FGO oder EuR nicht geduldet werden.

    Auch in den Erläuterungen zur vorläufigen Veranlagung hinsichtlich des Solidaritätszuschlags findet sich der Hinweis auf die Unfehlbarkeit der Gesetzesauslegung durch die Verwaltung.

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