Die Zukunft des Erbschaftsteuerrechts – Interview mit Hermann-Ulrich Viskorf

Ziemlich genau ein Jahr ist es her, als das „Ge­setz zur An­pas­sung des Erb­schaft­steu­er- und Schen­kung­steu­er­ge­set­zes an die Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts“ verkündet wurde. Es folgten offenbar lange und schwierige Verhandlungen der Bundesländer, die sich über ein halbes Jahr lang hinzogen – mit dem Resultat koordinierter Anwendungerlasse, ohne Bayern.

Zeit für einen Rück- und Ausblick im Rahmen eines Interviews mit Hermann-Ulrich Viskorf, ehemaliger Vorsitzender Richter und Vizepräsident des BFH:

Mit den Anwendungserlassen zur Erbschaftsteuer vom 22.6.2017 nimmt die Finanzverwaltung Stellung zum reformierten Erbschaft- und Schenkungssteuerrecht. Welche Inhalte umfassen die Ländererlasse zur Erbschaftsteuer im Wesentlichen?

Die Ländererlasse knüpfen strukturell an die Erbschaftsteuer-Richtlinien (ErbStR) 2011 an; sie übernehmen zahlreiche der dort für die §§ 13a und 13b ErbStG getroffenen Regelungen nicht oder nur geringfügig verändert und ersetzen oder ergänzen die ErbStR 2011 durch neue Ausführungen, soweit dies durch die Gesetzesänderungen aus dem Jahre 2016 veranlasst ist. Die Erlasse befassen sich unter teilweiser Aufhebung der ErbStR 2011 mit dem gesamten Verschonungssystem für das Betriebsvermögen in den §§ 13a bis c, 28 und 28a ErbStG.

Da Bayern einige Inhalte des Erlasses nicht mittragen wollte, handelt es sich nicht um einen „gleichlautenden“, sondern um einen sog. „koordinierten“ Ländererlass. Welche Regelungen waren dafür ausschlaggebend, dass keine Einigung zwischen allen Bundesländern erzielt werden konnte?

Die Verständigung auf gleich lautende Erlasse scheiterte im Wesentlichen an zwei Punkten: Zum einen an der in Abschnitt 28a.2 Abs. 2 Satz 6 des koordinierten Erlasses enthaltenen Regelung, dass beim sogenannten Erlassmodell die auf den steuerpflichtigen Erwerb entfallende Steuer den Wert des verfügbaren Vermögens des Erwerbers nicht mindern soll. Zum anderen daran, dass nach Auffassung der Ländermehrheit konzerninterne Transaktionen im Zweijahreszeitraum vor dem Steuerentstehungszeitpunkt zu jungem Verwaltungsvermögen oder jungen Finanzmitteln und damit zu einer höheren Steuerbelastung führen sollen.

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