Betriebsunterbrechung kann auch über 60 Jahre dauern

Stellt ein Unternehmen seine werbende gewerbliche Tätigkeit ein, so liegt darin nicht notwendigerweise eine Betriebsaufgabe. Die Einstellung kann auch nur als Betriebsunterbrechung zu beurteilen sein, die den Fortbestand des Betriebs unberührt lässt. Die Wirtschaftsgüter, insbesondere die wesentlichen Betriebsgrundlagen, bleiben also im Betriebsvermögen steuerverhaftet. Die Betriebsunterbrechung kann darin bestehen, dass der Betriebsinhaber die wesentlichen Betriebsgrundlagen – in der Regel einheitlich an einen anderen Unternehmer – verpachtet oder darin, dass er die gewerbliche Tätigkeit ruhen lässt.

Wird in diesen Fällen die Betriebsaufgabe nicht eindeutig gegenüber dem Finanzamt erklärt, so geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Absicht besteht, den unterbrochenen Betrieb künftig wieder aufzunehmen, sofern die Fortsetzung des Betriebs mit den zurückbehaltenen Wirtschaftsgütern objektiv möglich ist (BFH 9.11.2017, IV R 37/14, BStBl 2018 II S. 227).

Einen kuriosen Sachverhalt musste nun das FG Hamburg entscheiden (Urteil vom 26.3.2019, 6 K 9/18). Im Streitfall hatte der Erblasser seit Anfang der 1930er Jahre des vorigen Jahrhunderts (!) auf einem Grundstück einen Brotgroßhandel betrieben. Das ursprünglich mit Hallen und ab 1947 mit einem Lagerraum, mehreren Garagen sowie einem Wohn- und Verwaltungsgebäude bebaute Betriebsgrundstück wurde ab 1953 verpachtet, nachdem der Brothandel verkauft worden war. Erst 2015 wurde ein Neubau mit 44 Wohneinheiten auf dem Grundstück errichtet. Die Erben des 1985 verstorbenen Erblassers begehrten die Feststellung der Einkünfte aus der Nutzungsüberlassung des Grundstücks als solche aus Vermietung und Verpachtung und nicht aus Gewerbebetrieb. Sie beriefen sich darauf, der Betrieb sei bereits 1953 mit der Veräußerung des Brothandels aufgegeben worden.

Das Gericht entschied jedoch, dass 1953 lediglich eine Betriebsunterbrechung und keine Betriebsaufgabe erfolgt sei. Das Grundstück sei – im Gegensatz zu dem zusammen mit dem Brothandel veräußerten Fahrzeug – wesentliche Betriebsgrundlage gewesen und habe bis zur Neubebauung im Jahre 2014 einem identitätswahrenden Betrieb dienen können. Dass in dem Kaufvertrag des Jahres 1953 ein Wettbewerbsverbot vereinbart worden sei, ändere daran nichts, weil die Möglichkeit zur Aufnahme eines Betriebes in ähnlicher Weise bestanden habe. Auch reiche es aus, dass der Betrieb erst von der dritten Generation identitätswahrend hätte fortgeführt werden können; eine feste zeitliche Grenze bestehe insoweit nicht.

Bei einer drei Generationen umfassenden Betriebsverpachtung sei der absolute zeitliche Rahmen der Betriebsunterbrechung noch nicht überschritten, denn es handele sich insoweit noch um einen überschaubaren Zeitraum: Die Großelterngeneration und die Enkelgeneration kennen sich in der Regel noch und die Zeitspanne insgesamt (das heißt von der Betriebseröffnung durch den Großvater bis zum möglichen Übernahmezeitpunkt durch die Enkel) sei auch bei drei Generationen regelmäßig noch nicht länger als die durchschnittliche Lebenserwartung eines Menschenlebens. Grundsätzlich komme auch in diesen Fällen eine Betriebsunterbrechung in Betracht.

Hinweis:

In Fällen, in denen Grundstücke im Spiel sind, sollte stets Ahnenforschung betrieben werden. In der Praxis ist die Frage, ob Betriebsvermögen vorliegt (insbesondere auch bei land- und forstwirtschaftlichen Flächen; vgl. dazu § 55 EStG), nicht immer leicht zu beurteilen. Vielen Erben ist die Betriebsvermögens-Eigenschaft nicht klar und erst bei einem Verkauf oder einem Vorgang wie oben beschrieben kommt das böse Erwachen.

Im Besprechungsfall wurde die Revision bereits eingelegt (Az. BFH IV R 13/19).

Weitere Informationen:

Finanzgericht Hamburg v. 26.03.2019 – 6 K 9/18

 

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