BVerfG entscheidet zur Grundsteuer – Was nun?

Der I. Senat des BVerfG hat endlich die Einheitswerte für verfassungswidrig erklärt, die die Grundlage zur Grundstücksbesteuerung sind. Der Gesetzgeber muss bis zum 31.12.19 das Gesetz verabschieden und das neue Gesetz muss ab 1.1.2025 zwingend umgesetzt werden. Die alte verfassungswidrige Rechtslage wird bis zum 31.12.2024 geduldet. Kann diese Zeitbestimmung eingehalten werden?Mit der Entscheidung vom 10.04.18 setzt das BVerfG endlich das um, was allgemein seit Jahrzehnten bekannt ist. Dass die seit 1.1.1965 geltenden Bewertungen erst seit Kalenderjahr 2002 verfassungswidrig sein sollen (TZ 160) zeigt eher, dass in der Vergangenheit das BVerfG seinem Auftrag nicht nachgekommen ist. Die ausführliche Begründung des I. Senates beschreibt zu Recht den verfassungswidrigen Zustand. Nur der besteht bereits seit Jahrzehnten. Es ist zu fragen, warum wird erst jetzt offen, ehrlich und richtig entschieden? Wie viele Beschwerdeführer von Verfassungsbeschwerden haben einen Beschluss mit dem „Inhalt“ erhalten, dass die Verfassungsbeschwerde keinen Erfolg hat. Drei Unterschriften und ein leeres (auch inhaltsloses) Papier.

Der Gesetzgeber hat mit Rücksicht auf den Arbeitsstand der Finanzverwaltungen immer wieder auf die notwendige Neubewertung verzichtet. Bewusster kann die Verfassungswidrigkeit nicht provoziert werden. Was begründet bei den Personen, die dieses Gesetzesdefizit zu verantworten haben, der Optimismus, dass nun unter  Fristendruck ein verfassungsgemäßes Gesetz zustande kommt? Das Gesetz mag ja noch „klappen“, aber nicht die Umsetzung des Gesetzes.

Die Umsetzung des Gesetzes beim Finanzamt dürfte nicht gelingen, denn das Personal ist in der Vergangenheit und heute erst Recht bei Personalknappheit nicht vorhanden. Soweit man sich an Verkehrswerte der Grundstücke orientieren will, ist der Streit mit den Steuerbürgern vorprogrammiert. Zu viele Faktoren bestimmen in einer modernen, internationalen Welt die Werte. Die Begründung des BVerfG hat diese Mängel sehr deutlich beschrieben (endlich). Also kann kein Computerprogramm und eine pauschale Typisierung nicht die letzte Weisheit zur Ermittlung der Einheitswerte sein.

An die Vorarbeiten durch den Steuerbürger mit Hilfe seiner Steuerberater hat das BVerfG keinen Gedanken verschwendet. Als junger Auszubildender habe ich die restlichen Auswirkungen der Bewertung zum 1.1.1964 erleben dürfen. Es war objektiv nicht zu schaffen. Immer wieder wurde für die Abgabe der Steuererklärungen für die Grundstücke Fristverlängerung beantragt. Zusätzlich verzögerte sich die Abgabe der üblichen Steuererklärungen. Da hat der jetzige Gesetzgeber Druck aufgebaut durch die Reform der Verspätungszuschläge. Diese Doppelbelastung passt zeitlich gar nicht zusammen. Schade, dass sowohl Steuerberaterkammer als auch die Verbände der steuerberatenden Berufe auf diesen Effekt bei den Stellungsnahmen zum BVerfG offensichtlich nicht hingewiesen haben.

Mit anderen Worten, die Frist, dass das alte Gesetz bis längstens zum 31.12.2024 angewendet werden kann, wird die Finanzverwaltung nicht halten können. Es sei denn, es wird auf Steuerfahndung und Außenprüfung verzichtet. Die Mitarbeiter/innen der Steuerberater werden einem unangemessenen Arbeitsdruck ausgeliefert.

Teurer soll es für die Steuerbürger hinsichtlich der Grundsteuerbelastung nicht werden. Es wäre volkswirtschaftlich nicht sinnvoll, denn die Grundsteuer kann auf den Endverbraucher umgelegt werden und erhöht so die Mietnebenkosten erheblich. Die Mieten sind insbesondere in Ballungsgebieten eher zu hoch. Per Gesetz die Übertragung der Grundsteuer auf den Mieter zu verbieten, würde die Grundbesitzer zusätzlich belasten. Es würde sich eine Vermögensteuer einschleichen. An dieser Stelle ist parteipolitischer Streit zu befürchten, denn zu häufig wird an dieser Stelle eine Neiddebatte in Gang gesetzt, je nach politischer Linie der einzelnen Parteien. Dieser Streit gefährdet die Einhaltung der Fristen generell.

Auf der anderen Seite müssen die Gemeinden ihre Einnahmen kalkulieren können. Die Gemeinden halten an den nicht mehr zeitgemäßen Gemeindesteuern fest. Ein Fehler, denn ein gesicherter Anteil an den Bundessteuern würde eine gesicherte Haushaltslage begründen. Wir sehen es doch bei den Gemeinden, wo plötzlich das Steueraufkommen eines großen Unternehmens wegbricht (VW und Dieselskandal).

Diese Reform erfordert eine Änderung des Grundgesetzes. Da muss die Große Koalition, die für diese Änderung allein zu klein ist, sich noch Partner holen. Das ist gelebte Demokratie und die gilt es umzusetzen. Eine gerechte Grundsteuer wird scheitern, denn wenn es über Jahrzehnte keine Anpassung gab, gibt es jetzt keinen begründeten Anlass zu glauben, dass es nun gelingt!

Weitere Informationen:

BVerfG v. 10.04.2018

 

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