Cashflow-Management à l’Air Berlin: So sollte man es nicht machen

Seit einer Woche ist es raus: Air Berlin ist pleite. Neue Schreckensmeldungen gibt es nahezu täglich. Nicht nur die Gewinne waren Mangelware. Auch die Liquidität war mangelhaft. Vor einigen Jahren habe ich dies selbst erlebt. Zahlungen für Flugbuchungen wurden schnell per Lastschrift eingezogen. Schadensersatzansprüche erst dann bezahlt, als der Mahnbescheid ins Haus flatterte. Nun zur Cashflow-Geschichte.

Eines Abends hatte ich den Plan von Baden-Baden nach Wien zu fliegen. Umstieg sollte in Berlin sein. Keine gute Idee. Aufgrund eines Schadens am Flugzeug blieb ich am Flughafen in Baden-Baden stecken. Der nächste Flug nach Berlin sollte am nächsten Morgen sein. Suche nach einem Hotel.
Ich gehörte zu den wenigen Glücklichen, die direkt am Flughafen ein Zimmer fanden. Übernachtung in Wien wurde storniert. Ein Reisender warnte mich: „Das Geld für die Übernachtung werden Sie von Air Berlin nie wiedersehen.“ Einige Monate später war mir klar, dass er nicht ganz Unrecht damit hatte.

Aufgrund der Flugstrecke und der erheblich verspäteten Ankunft stand mir ein Schadensersatz zu, der den Flugpreis für Hin- und Rückflug überstieg. Motiviert füllte ich nach meiner Rückkehr das Formular aus und schickte es nach Berlin. Am Flughafen hatte ich einen Zettel mit einer Adresse für die Rückerstattung erhalten. Eine Telefonnummer gab es nicht, nur eine Mailadresse. So viel zum Thema Beschwerdemanagement.

Ich wartete und wartete. Es passierte nichts. Nach einigen Wochen schrieb ich eine Mail. Was passierte? Nichts. Air Berlin stellte sich tot. Nach ungefähr einem halben Jahr hatte ich keine Lust mehr zu warten. Es ging in der Summe doch schon um etwas. Damit könnte ich die nächste Reise nach Wien bezahlen. Ich beantragte beim Gericht einen Mahnbescheid. Die Juristen mögen an dieser Stelle meine unjuristische Formulierung entschuldigen.

Was passierte? Innerhalb einer Woche erhielt ich eine Antwort, dass ich die Zahlung erhalten würde. Zuerst wollte ich aufgrund der fehlenden Signatur und der Mailadresse diese in den Spam-Ordner befördern. Ach ja: Telefonnummern für eine Beschwerde-Hotline gibt es bei Air Berlin offenbar nicht. Eine Woche nach Erhalt der E-Mail wurde auch mein Bankkonto gefüllt.

Was sagt uns das? Durch die Strategie des Unternehmens haben sicherlich die meisten Fluggäste keine Erstattung erhalten. Auszahlungen konnten vermieden werden. Erstattungen, wie beispielsweise bei mir, konnten durch das „Tot stellen“ in die Zukunft geschoben werden.

Diese Strategie mag kurzfristig den Cashflow schonen. Langfristig jedoch vergrault es die Kunden. Im Falle eines existierenden Wettbewerbs. Überleben lässt sich damit dauerhaft nicht. Und bevor die Liquidität nur dadurch erhalten werden kann, sollten die Zahlen des Rechnungswesens genutzt werden. Vielleicht zeigt die Kostenrechnung seit Jahren auf, dass das Unternehmen mit seinem eigentlichen Betriebszweck seit Jahren rote Zahlen schreibt? Das sieht nur das Unternehmen selbst. Investoren und Gläubiger haben auf diese Zahlen keinen Zugriff.

Fazit: Cashflow-Management ist wichtig. Kunden sollten damit jedoch nicht vertrieben werden.

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