CO2-Minderung – Dirigismus oder wirksame Marktmechanismen?

Aktuell wird intensiv diskutiert, wie die angestrebten ehrgeizigen Reduktionsziele für die Minderung des CO2-Ausstoßes erreicht werden können. Dabei finden sich Vorschläge zwischen dirigistischen Maßnahmen und rein marktwirtschaftlichen Lösungen. Wo soll der Weg hinführen und was kann zu beachten sein?

Erkennt man die Verursachung der Klimaerwärmung durch den Menschen an, was derzeit wohl weitgehend herrschende Meinung ist, stellt sich die Frage wie darauf zu reagieren ist. Als eine wichtige Ursache wird der durch die Nutzung fossiler Energien verursachte Ausstoß von CO2 gesehen. Damit steht das Ziel fest, diesen Ausstoß zu reduzieren. Nur wie erreicht man dieses Ziel am besten?

Zur Auswahl stehen insbesondere Instrumente aus den Bereichen der Property Rights-Ansätze, Abgaben, Subventionen und Gebote/Verbote. Und schon fühle ich mich an ein umweltpolitisches Seminar während meines volkswirtschaftlichen Studiums vor ca. 30 Jahren erinnert. Seither hat sich am Instrumentenkasten im Grundsatz offensichtlich nicht viel getan, wenn die Konzepte auch verfeinert wurden. Ich will jetzt nicht die Theoriediskussion herausholen. Aber einige grundlegende Überlegungen helfen vielleicht bei der Sortierung der Gedanken.

Die Effekte der Maßnahmen kann man in die Gruppen Allokation der Ressourcen und Distribution sortieren, auch wenn diese Differenzierung nicht mehr „modern“ ist. Auf die Stabilisierung soll nicht weiter eingegangen werden. Bei der „Allokation“ geht es hier vor allem darum, die angestrebten Reduktionziele mit minimalem gesamtwirtschaftlichem Aufwand zu erreichen. Zudem können Verteilungseffekte zwischen den Wirtschaftssubjekten (Distribution) zu beachten sein.

Nicht unwichtig für den sachgerechten Einsatz von Instrumenten ist dabei die räumliche Abgrenzung. Im Hinblick auf CO2 wird man die gesamte Erde als relevante Region heranziehen müssen. Für die regionalen Entscheidungsträger sind aber nur ihre Regionen beeinflussbar, d.h. für uns Deutschland und vielleicht auch noch die EU.

Property Rights-Ansätze knüpfen an Eigentumsrechte an. Ein konkretes Instrument aus dieser Gruppe sind die in Europa schon eingesetzten Emissionszertifikate i.S. von Verschmutzungsrechten. Die Grundidee dabei lautet, es werden nur so viele Zertifikate ausgegeben, wie es dem angestrebten Maximalausstoß, hier von CO2, entspricht. Die Marktteilnehmer, die CO2 emittieren wollen, müssen solche Zertifikate erwerben. Da die Gesamtmenge der Zertifikate begrenzt ist, wird bei überschießender Nachfrage der Preis der Rechte steigen. Das macht es dann für einzelne Marktteilnehmer interessant, statt Zertifikate zu kaufen lieber weniger CO2 auszustoßen, sofern die Kosten ihrer CO2-Reduktion unterhalb des Preises für den Erwerb von Zertifikaten liegt. Der Preis für die Zertifikate wird solange steigen, bis er den Grenzkosten des teuersten CO2Vermeiders entspricht.

Dieses Konzept ist in der Theorie optimal, weil das gesetzte Ziel mit minimalem gesamtwirtschaftlichem Aufwand erreicht wird. Verteilungswirkungen sind dabei, wie bei allen Instrumenten, nicht zu vermeiden, denn die Kosten der CO2-Reduktion schlagen sich in den Güterpreisen nieder. Aber „umsonst ist nur der Tod“ – was aber auch nur umgangssprachlich gilt und nicht in der Realität. Jedenfalls werden unter anderem Konsumenten, die Flugreisen und verbrauchsintensive Fahrzeuge stark nutzen, überproportional getroffen. Andererseits wird der Bezieher eines sehr hohen Einkommens sich eine Flugfernreise, den Betrieb eines umweltschädlichen PKW und sonstigen Konsum möglicherweise weiterhin ohne weiteres leisten können, während Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen beispielsweise auf den Wanderurlaub in der Heimatregion und den ÖPNV umsteigen müssen. Technischer Fortschritt mag alternative Energieformen längerfristig preiswerter machen, bis dahin wird die Erreichung kurzfristiger Reduktionsziele jedoch nicht ohne Verzicht in der breiten Masse zu erreichen sein. Die gesamte Verteilungswirkung ist allenfalls sehr aufwändig zu schätzen.

Das Konzept hat einige Probleme in der praktischen Umsetzung. Werden die Zertifikate nicht auf den weltweiten Ausstoß bezogen, kann eine Reduktionsstrategie die Verlagerung von CO2-Ausstoß ins Ausland sein. Damit ist umweltpolitisch nichts gewonnen, nur Wirtschaftskraft abgeflossen. Hier könnte die Idee eines Grenzausgleichs helfen. Danach wären Importe nachzubelasten und Exporte zu entlasten, was man insbesondere im Zusammenhang mit der noch anzusprechenden Abgabenlösung erörtert. Weiterhin müssen sämtliche Emittenten in das Zertifikatesystem einbezogen werden. Bspw. den Flugverkehr und andere große Emittenten auszunehmen, führt zum Verfehlen der Ziele.

Abgaben auf den CO2-Ausstoß sind ein weiteres Instrument zur sogenannten „Internalisierung externer Effekte“, d.h. hier der Einpreisung der Umweltschädigung, und damit zur Lenkung. Durch eine CO2-Abgabe steigen die Preise und die Emittenten kalkulieren wieder, ob es nicht billiger ist, die CO2-Emission zu vermeiden. Wer das billig kann, wird es tun, für wen es teuer ist, wird es bleiben lassen. Auch damit führen Preiseffekte zu einer Emissionsminderung zu möglichst geringen Kosten.

Vorteilhaft gegenüber dem Zertifikatehandel kann eine einfachere Ausgestaltung sein. Zusätzlich zu den schon zu Zertifikaten genannten Problemen kommt bei der Abgabenlösung aber hinzu, dass es schwierig ist, einen Abgabensatz festzulegen, der genau die angestrebte Reduktionsmenge erreicht. Zudem muss jeder CO2-Ausstoß der gleichen Abgabe unterliegen. D.h. auch der Strom für das Elektroauto ist entsprechend des tatsächlich getankten Strommixes zu belasten. Verteilungseffekte sind auch bei der Abgabenlösung unvermeidlich – es grüßen die sogenannten „Gelbwesten“.

Um unerwünschte Verteilungseffekte abzumildern, könnten Erträge aus einer Versteigerung der Zertifikate oder dem zusätzlichen Abgabenaufkommen an die Konsumenten ausgekehrt werden. Man könnte etwa den Einkommensteuertarif auf Rollen nach rechts schieben und dabei etwas strecken, Einkommen- oder Umsatzsteuersätze reduzieren oder eine Ausschüttung pro Kopf vornehmen.

Subventionen für erwünschtes Verhalten, hier alternative Energieformen, sind zwar auch ein denkbares Instrument. Die Erfahrung lehrt aber, dass der Subventionsgeber wissen müsste, wie die Effekte exakt funktionieren, was aber bei komplexen Zusammenhängen wie der Energiepolitik eher selten zu beobachten ist. Es wird nicht gesichert, dass es zu einer Substitution unerwünschter Güter kommt, hier Tausch fossil erzeugter Energie gegen regenerative. Es werden möglicherweise Strukturen aufgebaut, die ineffizient sind. Anschauungsmaterial liefert die Subventionierung etwa der Solarindustrie. Wenn die Ziele erreicht werden, dann eher zufällig zu günstigen gesamtwirtschaftlichen Kosten. Am Ende lautet häufig das Ergebnis: Viel Geld ausgegeben mit wenig Wirkung.

Abgesehen von wenigen Bereichen sind Ge- und Verbote höchst problematische Instrumente. Sicher macht es Sinn, das Töten von Menschen zu verbieten oder das Entsorgen von Giftstoffen in freier Natur oder wegen mir auch gerne das Rauchen. Wer soll aber wissen, wie man erwünschte Reduktionsziele für CO2 durch kleinteilige Vorgaben zu möglichst niedrigen Kosten erreichen kann. Zudem sind Wechselwirkungen zu beachten. Man kann das bei der Substitution von Dieselantrieben durch Benzinantriebe sehen, was evtl. Stickoxyde vermindert, aber den CO2-Ausstoß erhöht. Die Substitution von Verbrennungsmotoren durch batteriegespeiste Elektroantriebe löst bspw. Fragen nach den Arbeitsbedingungen und Umweltlasten bei der Gewinnung der Rohstoffe aus.

Zu den verschiedenen Instrumenten kann man Bücher schreiben und lesen. Eine umfassende Analyse kann der Blog nicht leisten. Aber einige Aspekte sind hoffentlich klar geworden. Ökonomisch sind Zertifikate und Abgabenlösungen zur CO2-Reduktion erwägenswert. Nicht zielführend ist jedoch eine rein lokale Sichtweise, beispielsweise wenn man einen vollständigen lokalen, auf Deutschland beschränkten Kohleausstieg ohne Kürzung der Zertifikate erzwingt. Wer kann schon sagen, ob es nicht effizienter wäre, zunächst einfach den Flug- und Schiffsverkehr und andere emittierenden Bereiche einzuschränken, um die gewünschte Reduktion zu erreichen. Ohne Kürzung der umlaufenden Zertifikate wird die CO2-Emission nur innerhalb Europas verlagert. Ohne Grenzausgleich kommt es zu weltweiten Verlagerungen. Zudem sind Verteilungseffekte der Umweltpolitik unvermeidlich.

Eine rein deutsche Lösung wird vielleicht zu einem nationalen Wohlgefühl führen. Nur wird wohl am Ende wieder gesamtwirtschaftlicher Wohlstand aufgegeben, ohne die erwünschten Ziele zu erreichen. Das gilt umso mehr, wenn ein Mix wenig geeigneter umweltpolitischer Instrumente einschl. Verboten zum Einsatz kommt. Leider ist zu befürchten, dass die Entscheidungsträger sich daran nicht stören werden.

 

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