Corporate Governance – Wie wichtig ist der Geschäftsbericht aus Investorensicht?

Anmerkungen zur Podiumsdiskussion der Schmalenbach-Tagung am 30. März 2017 in Köln

Der Geschäftsbericht: ist er relevant? Wird er gelesen? Darüber waren sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion nicht einig. Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, stand mit seinen 50 Geschäftsberichten etwas alleine da. Diese Anzahl an Berichten liest er pro Jahr – von vorne bis hinten. Er möchte sich nicht nur auf die Aussagen anderer verlassen, sondern schaut sich am liebsten die Originalquelle an. Der Rechtsanwalt sieht den Geschäftsbericht als relevante Informationsquelle. Trotz allem vertritt er die Ansicht einer sinkenden Bedeutung der Finanzberichterstattung.

Die Diskussion kam immer wieder zurück auf die 50 Berichte, die Herr Tüngler pro Jahr liest. Die anderen Diskussionsteilnehmer beschäftigen sich oft aus zeitlichen Gründen weniger intensiv mit den Geschäftsberichten. So sieht Peter Barkow, geschäftsführender Gesellschafter der Barkow Consulting GmbH den Geschäftsbericht als immer dicker und dadurch weniger relevant werdenden Bericht. Erscheint ein Bericht zwei Monate nach Ende des Geschäftsjahres, sind die Informationen veraltet. Heutzutage ist dies fatal für die Informationseffizienz, sofern entscheidungsrelevante Informationen für Investoren zeitverzögert veröffentlicht werden.

Auch Ingo Speich der Union Investment Privatfonds GmbH vertritt die Auffassung einer gesunkenen Bedeutung der Finanzberichterstattung. Das Thema Nachhaltigkeit stuft er als sehr hoch ein. Entscheidend ist ferner eine Vergleichbarkeit der Datenmengen. Eine Notwendigkeit des Integrated Reporting sieht der Experte nicht.

Joachim Müller, der vierte Diskussionsteilnehmer, arbeitet bei der Deutschen Bank. Er definiert als relevant alles, was Investoren hilft eine Anlageentscheidung zu treffen, die diesen schlussendlich die gewünschte Rendite bringt. Auch er sieht die Notwendigkeit der Einbindung von nicht-finanziellen Indikatoren.

Die Quartalsmitteilungen werden seitens der Diskussionsteilnehmer als weniger informationsrelevant eingestuft, da beispielsweise Informationen über die Strategie des Unternehmens fehlen. Wichtig sehen sie die Darstellung von Veränderungen im Vergleich zu dem vorherigen Quartal.

In meiner Dissertation konnte ich keinen positiven Zusammenhang zwischen den Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten eines Unternehmens sowie dem Aktienkurs nachweisen. Dieses Ergebnis bestätigt zum Teil die Aussagen der Podiumsdiskussion: Die Bedeutung der Finanzberichterstattung nimmt ab.

Mit Angaben zu Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Geschäftsbericht sind die Unternehmen sparsam. Zumindest die Unternehmen, die ich in meiner Dissertation näher betrachtet habe. Mehr zu meinen Forschungsergebnissen lesen Sie demnächst in einem Fachbeitrag der PiR – einen kleinen Vorgeschmack dazu erhalten Sie in Kürze hier im NWB Experten-Blog. Die ausführlichen Forschungsergebnisse finden Sie in meiner Dissertation, die voraussichtlich im Juni 2017 im Springer-Verlag erscheint.

Fazit: Die Diskussion, welche Berichte und Informationen für Investoren entscheidungsrelevant sind, sollten weitergeführt werden. Vor allem auch vor dem Hintergrund der Digitalisierung.

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