Der Koalitionsvertrag: indirekte Steuern und Förderpaket für Immobilien

136 Tage nach der Bundestagswahl haben sich CDU, CSU und SPD am 7.2.2018 auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Im folgenden Blogbeitrag wird beleuchtet, welche Änderungen die 177 Seiten des Koalitionsvertrags für indirekte Steuern ankündigen. Daneben verdient ein umfangreiches Paket zur Immobilienbesteuerung nähere Betrachtung.

Im Bereich der indirekten Steuern hat die neue Regierungskoalition insbesondere einige eng umrissene Änderungen bei der Umsatzsteuer im Blick. Zur aktuell großen Reform der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie auf EU-Ebene, die eine Systemumstellung für den innereuropäischen Warenverkehr (innergemeinschaftlichen Erwerb) vorsieht, äußert sie sich nicht.

Bessere Wettbewerbssituation für Seehäfen

Das Erhebungs- und Erstattungsverfahrens der Einfuhrumsatzsteuer an Flug- und Seehäfen soll optimiert werden. Ziel ist offenbar, dass die Einfuhrumsatzsteuer nicht bereits zum Zeitpunkt der Wareneinfuhr zu entrichten ist, sondern erst im Zuge der Umsatzsteuer-Voranmeldung verrechnet wird. Von diesem Wahlrecht der MwStSystRL machen z.B. die Niederlande, Belgien oder Österreich Gebrauch und vermarkten dies offensiv als Standortvorteil für ihre See- und Flughäfen. Es ist anzunehmen, dass der designierte Finanzminister Olaf Scholz als Hamburger bestens über die Materie informiert ist und zügig handelt.

Gegen Online-Umsatzsteuerbetrug

Zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs beim Handel mit Waren im Internet sollen Betreiber von elektronischen Marktplätzen für die ausgefallene Umsatzsteuer in Anspruch genommen werden, wenn sie den Handel unredlicher Unternehmer über ihre Plattform nicht unterbinden.
Die Länder-Finanzminister hatten bereits eine entsprechende Initiative in diesem Jahr angekündigt. Daneben sollen die Plattformbetreiber über die bei ihnen aktiven Händler Auskunft erteilen. Vermutlich will die Koalition auf Druck der Länder bereits vor 2021 handeln. Ab dann schreibt die kürzlich geänderte EU-Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie eine entsprechende Haftung für Lieferungen aus Drittländern mit einem Sachwert bis 150 Euro zwingend vor.

Ermäßigter Mehrwertsteuersatz

Auf europäischer Ebene Einsatz will sich die Koalition für die Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes bei gewerblich gehandelten Kunstgegenständen, E-Books, E-Papers und anderen elektronischen Informationsmedien einsetzen. Ohne genauere Erläuterung merken die Koalitionäre außerdem an, darauf hinzuwirken, dass der „ursprüngliche gesetzgeberische Wille für den Kunsthandel aus dem Jahr 2014“ verwirklicht wird. Außerdem wollen sie den ermäßigten Steuersatz für Printmedien verteidigen.

Startup-Förderung

Zur Förderung von Startups wird auch die Umsatzsteuer eingespannt. In den ersten beiden Jahren nach Gründung sollen Unternehmen von der monatlichen Umsatzsteuer-Voranmeldung befreit werden. Im Zusammenfassungsteil des Koalitionsvertrags wird sogar von einer „Umsatzsteuerbefreiung“ gesprochen. Vermutlich ein Redaktionsversehen.

Dauerbrenner Finanztransaktionsteuer

Wie schon die Vorgängerregierungen unterstützt auch die neue Große Koalition die Einführung einer substantiellen Finanztransaktionssteuer im europäischen Kontext.

Förderung Wohnungsbau – 9 Monaten Vorlauf zur Eigenheimförderung

Unter den sonstigen Maßnahmen sticht ein umfangreiches steuerliches Paket zum Wohnungsbau heraus, für das von 2018 bis 2021 2 Mrd. Euro zur Verfügung stehen. Auf die Förderung des freifinanzierten Wohnungsneubaus im bezahlbaren Mietsegment zielt eine bis Ende 2021 befristeten Sonder-AfA i.H.v. 5% p.a. zusätzlich zur linearen AfA ab, die für vier Jahre gewährt werden soll.

Speziell an Familien richtet sich ein Baukindergeld für den Ersterwerb von Neubau oder Bestand i.H.v. 1.200 Euro pro Kind und Jahr über zehn Jahre. Es gilt eine Einkommensgrenze von 75.000 Euro zu versteuerndem Haushaltseinkommen zzgl. 15.000 Euro pro Kind. Damit wird eine 2005 abgeschaffte Fördermaßnahme wiederbelebt, an deren Wirksamkeit ernsthafte Bedenken bestanden.

Gefördert werden soll künftig auch die energetischen Gebäudesanierung. Geplant ist ein Wahlrecht zwischen einer Reduzierung des zu versteuernden Einkommens und einer Zuschussförderung. In den vergangenen Legislaturperioden waren entsprechende Anläufe mehrfach gescheitert. Auch dieses Mal werden sich an solchen Maßnahmen die Geister scheiden.

Neu ist dagegen die angekündigte Prüfung eines Freibetrags bei der Grunderwerbsteuer beim erstmaligen Erwerb von Wohngrundstücken für Familien ohne Rückwirkung beim Länderfinanzausgleich. Als weitere Maßnahme sollen Einkommensgrenzen und Prämiensatz der Wohnungsbauprämie erhöht werden.

Unter dem Vorbehalt einer verfassungsrechtlichen Prüfung steht sowohl das Vorhaben einer steuerlich wirksame Reinvestitionsmöglichkeiten in den Mietwohnungsbau bei der Gewinnung von Wohnbauland durch Landwirte als auch die Einführung einer Möglichkeit für Kommunen, die Baulandmobilisierung durch steuerliche Maßnahmen zu verbessern. Nicht ganz klar ist, ob mit dem letztgenannten Punkt bereits die im darauffolgenden Satz angekündigte Grundsteuer C gemeint ist. Die Grundsteuer C soll offenbar als Strafsteuer auf nicht bebaute Grundstücke ein mehr als fragwürdiges Revival der Anfang der 1960er-Jahre nach nur zwei Jahren wieder abgeschafften Baulandsteuer einleiten.

Grundsteuer

Unabhängig von der Wohnungsbauförderung steht ohnehin eine Reform der Grundsteuer an. Im Laufe des Jahres 2018 wird das Urteil des Verfassungsgerichts zu den Einheitswerten erwartet wird und kaum jemand zweifelt ernsthaft daran, dass die Richter die uralt-Einheitswerte von 1935 und 1964 verwerfen werden. Ohne sich an der seit Jahrzehnten geführten Modelldiskussion zu beteiligen, kündigt die Große Koalition nun an, die Grundsteuer unter Beachtung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, der Sicherung des derzeitigen Aufkommens sowie unter Beibehaltung des kommunalen Hebesatzrechtes neu zu regeln. Etwas anderes wird ihr in Anbetracht der erwarteten BVerfG Entscheidung vermutlich ohnehin nicht übrig bleiben.

Mieterstrom versus Gewerbesteuer

Für Mieter interessant: Die bestehende Mieterstromregelung soll optimiert werden, indem der Verlust der „tradierten gewerbesteuerlichen Behandlung von Wohnungsbaugenossenschaften“ (gemeint ist wohl die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr.1 Satz 2 GewStG) vermieden wird, um nachhaltige Mieterstrommodelle zu ermöglichen. Dabei erscheint naheliegend, dass die Regelung neben den Genossenschaften auch andere Unternehmen erfasst, die von der erweiterten Kürzung profitieren.

Sonstige, in der Artikelserie bisher nicht erwähnte Punkte

Sämtliche, aus einer Straftat erlangten Vermögenswerte und rechtswidrigen Gewinne sollen eingezogen werden. Unklar bleibt, ob diese Forderung aus dem Steuerteil des Koalitionsvertrags auch auf Straftaten aus anderen Rechtsbereichen abzielt.

Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) soll u.a. als zentrale Anlaufstelle für Gebietsfremde, de Zolls in allen Aufgabenbereichen gestärkt werden.

Der kommunale Querverbunds soll dauerhaft erhalten werden, ggf. durch eine Gesetzesanpassung.

Steuerpolitische Verlustliste: indirekte Steuern, sonstiges

Seit dem Wahlkampf wurden immer wieder Vorschläge im Bereich der Verbrauchsteuern gemacht, z.B. eine Senkung der Stromsteuer zum Ausgleich der hohen EEG-Umlage oder die Einführung einer CO2-Steuer. Hierzu, sowie zur öffentlich teilweise geforderten (Nicht-) Beibehaltung einer steuerlichen Bevorzugung für Dieselkraftstoffe, findet sich nichts im finalen Vertrag.

Nicht durchdringen konnten auch die Landwirte mit ihrer Forderung nach einer Risikoausgleichsrücklage. Die Rücklage sollte Landwirte in die Lage versetzen, die witterungsbedingt jährlich schwankenden Einkünfte und damit die Progression zu glätten.

 

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