Die Diskussion um die Paradise-Papers nervt!

Nun kommen sie wieder aus den Löchern – die Gutmenschen, Moralapostel, Journalisten mit steuerlichem Halbwissen und in Wirtschaftsfragen überforderte Moderatoren. Anlass sind die Enthüllungen durch die so genannten Paradise Papers. Da werden Strategien zur Steuersenkung und -vermeidung – obwohl legal – mit einem süffisanten Unterton oder einer dramatischen Musik unterlegt, damit der Eindruck gewonnen wird, die Steuervermeider tragen die Schuld am Untergang des Abendlandes. Und vor allem: Deutschland sei mit seinem hohen moralischen Anstand und mit seinem gerechten Steuersystem der Leuchtturm, der den verirrten Seelen aus den Niederlanden, Irland, der Isle of Man, den Bermudas oder den Cayman Islands den rechten Weg weisen müsse.
Ich möchte hier nicht falsch verstanden werden: Rein persönlich finde ich die aggressive Steuerpolitik von internationalen Konzernen äußerst kritikwürdig. Nur:

  • Die Steuerpolitik ist – soweit ersichtlich – legal.
  • Moral hat in Steuerfragen noch nie eine allzu große Rolle gespielt und wird es auch wohl niemals.
  • Kunden, denen die Steuerpolitik eines Unternehmens nicht gefällt, müssen ja nicht deren Produkte kaufen.
  • Fernsehanstalten könnten bewusst auf die Werbegelder von Konzernen verzichten, über die sie nun im Zusammenhang mit den Paradise-Papers berichten. Warum tun sie es nicht?
  • Deutschland könnte endlich im internationalen Informationsaustausch eine führende Rolle übernehmen. (Ganz interessant: Öffentlich wird auf die Niederlande geschimpft. Tatsächlich ist es eher die Bundesrepublik Deutschland, die bremst. Die Niederlande beschweren sich massiv über die Blockadehaltung in Deutschland. Das aber nur am Rande.)

Ich möchte im Übrigen einen Satz erwähnen, den ich – wenn ich mich recht erinnere – in der Serie „Game of Thrones“ gehört habe: „Es ist leicht ein guter Mensch zu sein, wenn es nichts kostet.“ Denn: Was würde es Deutschland kosten, wenn die Verlagerung von Steuersubstrat ins Ausland von allen Staaten verhindert werden würde. Antwort: Wahrscheinlich mehrere Milliarden Euro. Warum? Nach wie vor hat Deutschland eine hohe Wertschöpfungsquote bei einem enormen Exportanteil. Die Wertschöpfung (etwa der Bau von Autos) wird weitestgehend in Deutschland, mithin im Land der Produktion besteuert. Anderen Staaten gefällt das überhaupt nicht. Sie können nur die Mehrwertsteuer und einen Gewinnaufschlag für den Kfz-Verkauf im eigenen Land besteuern, obwohl ihre Bürger das Geld erwirtschaftet haben, um die deutschen Güter kaufen zu können. Der Großteil der Gewinne wird aber nach wie vor in Deutschland besteuert, da hier unter anderem noch immer viele Lizenzen und Patente gehalten werden (ja, man glaubt es kaum). Wenn sich Deutschland also an die Spitze der Bewegung zur Verhinderung der Steuersubstrat-Verlagerung (neudeutsch „BEPS“) setzen würde: Wäre Deutschland Gewinner oder Verlierer in dem Spiel? Ich denke, wir würden massiv verlieren.

Noch einmal: Die Steuerpraktiken vieler Konzerne schaden dem Volkswohl vieler Nationen erheblich. Da gibt es auch für mich kein „wenn und aber.“ Jeder, der mit dem erhobenen Zeigefinger auf die Niederlande, Irland oder wen auch immer zeigt, muss sich jedoch darüber im Klaren sein, dass Deutschland bei dem Spiel am Ende des Tages nicht gewinnen, sondern verlieren wird. Wenn mit „BEPS“ ernst gemacht wird, könnten wir eines Tages alle aufwachen und feststellen, dass Deutschland nicht steuerliche Mehr-, sondern Mindereinnahmen generiert hat. Vielleicht könnte jemand aus dem BMF einmal vorrechnen, wie hoch der Steuerschaden für Deutschland wäre. Ich bin gespannt, wie eine Diskussion in TV-Talkshows dann verlaufen würde. Hand aufs Herz: Wie moralisch wären wir, wenn wir selbst am Ende des Tages alle weniger in der Tasche hätten?

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