Digitalisierung in der Steuerkanzlei – wenig Hoffnung für Steuerberater

Mein Kollege Hans-Peter Schneider hat soeben mit zwei lesenswerten Blog-Beiträgen das Thema „Digitalisierung“ aufgegriffen. Aus vielen, vielen Gesprächen mit Steuerberatern habe ich entnommen, dass die Digitalisierung als die wohl größte Herausforderung für unseren Berufsstand in den kommenden Jahren gesehen wird. Gleichzeitig habe ich den Eindruck, dass die meisten Steuerberater – dank des „großen Bruders“ DATEV – der Meinung sind, beim Thema „Digitalisierung“ ganz weit vorne zu sein. Nur: Nach meinem Dafürhalten sind sie ganz weit hinten. Hier meine Begründung:

Beim Thema „Digitalisierung“ im Bereich der steuerlichen Beratung bzw. der Steuerkanzlei sind drei Ebenen zu betrachten:

  • die Steuerkanzlei selbst,
  • die Kommunikation mit Mandanten, Behörden und anderen Institutionen sowie Dienstleistern,
  • die Unterstützung der Mandanten bei der Implementierung ihrer digitalen Prozesse.

Die Digitalisierung in der Kanzlei selbst ist zumeist in Ordnung. Zwar gibt es noch viel Nachholbedarf, insbesondere bei der Vermeidung von Systembrüchen. Und auch das Projektmanagement kann überwiegend verbessert werden. Im Großen und Ganzen sind die digitalen Prozesse aber dank DATEV und Co. schon weit fortgeschritten.

Die Kommunikation auf digitalem Wege mit Mandanten bzw. Außenstehenden allgemein ist ebenfalls weitestgehend in Ordnung. Oder anders ausgedrückt: Soweit wie es eben geht und Finanzämter oder Banken dies zulassen, werden digitale Übertragungswege genutzt. Auch hier gibt es sicherlich Nachholbedarf, aber der ist zu leisten.

Kommen wir zum dritten Punkt, also der Unterstützung der Mandanten bei der Implementierung ihrer digitalen Prozesse. Und hier sieht es zappenduster aus. Hand aufs Herz:

  • Haben Sie schon einmal einen Mandanten beraten, der eine Internetplattform aufbaut und ein elektronisches Zahlungssystem nutzen will?
  • Haben Sie Mandanten hinsichtlich der Verknüpfung ihres elektronischen Zahlsystems mit der Erstellung digitaler Rechnungen beraten?
  • Haben Sie Mandanten beim Aufbau eines Content-Managementsystems beraten?
  • Haben Sie Ihre Mandanten dabei beraten, wie sie Personalfragebögen so einrichten können, dass Sie dies anschließend nur noch „auf Knopfdruck“ in Ihr EDV-System übernehmen müssen?
  • Haben Sie Mandanten mit zahlreichen Arbeitnehmern im Außendienst beraten, wie sie Reisekostenabrechnungen so digitalisieren können, dass sich der Aufwand bei den Mandanten und anschließend bei Ihnen auf ein Minimum reduziert?
  • Haben Sie Ihre Mandanten bei der Einrichtung eines Dokumentenmanagementsystems beraten?

Falls Sie einige der Fragen mit „Ja“ beantwortet haben. Glückwunsch, Sie sind ziemlich weit vorne. Konnten Sie nicht eine einzige Frage mit „Ja“ beantworten? Tja, dann wird es Zeit, denn allein schon die Unterstützung bei der Implementierung eines elektronischen Zahlungssystems ist eigentlich schon heute ein „Muss.“ Ich jedenfalls würde – wenn ich nicht selbst Steuerberater wäre – keinen Steuerberater aufsuchen, der mich bei meinen eigenen digitalen Prozessen nicht unterstützen kann.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich erwarte nicht, dass Steuerberater zu Programmierern werden. Aber Mandanten nur noch in Sachen „Barkasse“ zu beraten, reicht nicht mehr. Steuerberater müssen die Schnittstellen zwischen den einzelnen Systemen zumindest verstehen und ihre Mandanten beraten. Lernen kann man dies übrigens recht gut, wenn insoweit – gemeinsam mit den Mandanten – Verfahrensdokumentationen erstellt werden.

Lesen Sie hierzu auch die Beiträge von Hans-Peter Schneider hier im NWB Experten-Blog:


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