Finanz-„Griese“ in Griechenland – Anwendung griechischer Spargesetze auf deutsche Arbeitsverhältnisse?

Die Finanzkrise in Griechenland hält derzeit Politik und Presse auf Trab. Die Griechen müssen sparen – und wollen es anscheinend auch, wie nachfolgender Streitfall zeigt: Ein griechischer Staatsangehöriger war als Lehrer an der Griechischen Volksschule Nürnberg beschäftigt. Arbeitgeber war die Republik Griechenland. Nach Inkraft-Treten zweier griechischer Spargesetze wurde dem Lehrer sein Gehalt gekürzt. Der Lehrer klagt, das Bundesarbeitsgericht (BAG) fragt, und zwar den Europäischen Gerichtshof (EuGH): Wann müssen deutsche Gerichte ausländische Eingriffsnormen eigentlich anwenden? In aller Ausführlichkeit: Der griechische Lehrer war bereits seit 1996 an der Griechischen Volksschule Nürnberg beschäftigt. Der Arbeitsvertrag richtete sich zunächst nach dem Bundesangestelltentarifvertrag, nach entsprechnder Vertragsergänzung dann nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder. Es fand also auf das Arbeitsverhältnis deutsches Recht Anwendung. Unter Berufung auf die Spargesetze Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/10 behielt die Republik Griechenland Teile des Gehalts ein. Griechenland sei mit dem Erlass dieser Gesetze den mit der Kommission der EU, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds getroffenen Vereinbarungen nachgekommen. Es sei Ihnen keine andere Möglichkeit geblieben. Der Lehrer klagte jedoch auf Zahlung rückständiger Vergütung in Höhe von insgesamt 20.262,32 € für den Zeitraum Oktober 2010 bis Dezember 2012. Das Arbeitsgericht Nürnberg wies die Klage wegen der Unzuständigkeit deutscher Gerichte als unzulässig ab, das Landesarbeitsgericht Nürnberg gab der Klage jedoch statt. Als die Sache darauf hin beim BAG landete, setzte dieses das Verfahren per Beschluss aus und legte dem EuGH einige Fragen zu Art. 9 Abs. 1 und Abs. 3 der Rom I-VO vor. Es müsse geklärt werden, ob Eingriffsnormen (wie etwa Spargesetze) ausländischer Staaten auf Arbeitsverhältnisse in Deutschland angewendet werden müssten.

Gemäß Art. 9 Abs. 1 der Rom I-VO ist eine Eingriffsnorm eine zwingende Vorschrift, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses angesehen wird, dass sie ungeachtet des auf den Vertrag anzuwendenden Rechts auf alle Sachverhalte anzuwenden ist, die in ihren Anwendungsbereich fallen. Nach Art. 9 Abs. 3 der Rom I-VO kann den Eingriffsnormen des Staates, in dem die durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen erfüllt werden sollen, Wirkung verliehen werden, soweit diese Eingriffsnormen die Erfüllung des Vertrages unrechtmäßig werden lassen. Ob solche Eingriffsnormen Wirkung entfalten, richtet sich nach Art und Zweck der Normen sowie deren Folgen.

Gesetzt den Fall, auf ein ausländisches, in Deutschland vollzogenes Arbeitsverhältnis soll deutsches Recht Anwendung finden (vgl. freie Rechtswahl im Vertragsrecht nach Art. 3 der Rom I-VO), ist es daher durchaus denkbar, dass einzelne Gesetze eines ausländische Staates, der in Deutschland als Arbeitgeber auftritt, Anwendung finden.

Problematisch in obigen Streitfall ist jedoch, dass das streitgegenständliche Arbeitsverhältnis bereits 1996 begründet wurde, die Rom I-VO jedoch erst 2009 in Kraft trat. Grundsätzlich findet die Rom I-VO nur auf Arbeitsverhältnisse Anwendung, die ab dem 17.12.2009 begründet wurden. Nach Ansicht des BAG würden Arbeitsverträge im Laufe ihrer Duchführung immer wieder einmal geändert werden. Diese Änderungen könnten auch als neuer Vertragsschluss angesehen werden, so dass die Rom I-VO eventuell doch Anwendung finden könne. Der EuGH soll hier Klärung bringen.

Ferner möchte das BAG wissen, ob Art. 9 Abs. 3 der Rom I-VO die direkte Anwendung der Eingriffsnormen bereits ausschließe oder ob diese zumindest mittelbare Berücksichtigung fänden, und ob deutsche Gerichte aufgrund des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet seien, Eingriffsnormen eines anderen Mitgliedstaates unmittelbar oder auch mittelbar anzuwenden.

Die Sache liegt dem EuGH nun vor, eine Entscheidung ist jedoch noch nicht getroffen.

M.E. wäre es – zumindest in diesem Fall – bedenklich, wenn das streitgegenständliche Arbeitsverhältnis, das in Deutschland vollzogen wird und deutschem Recht unterliegt, nun auch noch von griechischen Spargesetzen beeinflusst wird. Griechenland braucht Geld, soviel ist klar, aber nicht um jeden Preis. Der Kläger lebt schließlich in Deutschland und unterliegt damit deutschen Lebenserhaltungskosten. Spannend könnte auch werden, wenn Griechenland die Bruttovergütung von Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis in Deutschland vollzogen wird, aufgrund weiterer Spargesetze soweit kürzt, dass nicht einmal mehr der neue deutsche Mindestlohn erreicht wird. Was wäre denn dann? Wenn sogar ausländische Lkw-Fahrer, die sich lediglich auf der Druchreise durch Deutschland befinden, deutschen Mindestlohn erhalten sollen (mein Kollege Herr Steinheimer und ich hatten hierzu schon in NWB 12 berichtet), dann doch erst Recht ein Arbeitnehmer, der in Deutschland tatsächlich auch lebt. Die Entscheidung des EuGH und die Folgeentscheidung des BAG werden mit Spannung erwartet.

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