Finanzamt rügt eigenes Versagen – und gewinnt Rechtsstreit!

Wieder einmal eine Entscheidung aus dem Kuriositätenkabinett: Die Begründung liest sich durchaus plausibel, doch irgendwie stellt sich ein Störgefühl ein.

Zu entscheiden hatte den Fall kürzlich der Bundesfinanzhof. Rechtlich ist der streitige Lebenssachverhalt überaus komplex. Die Vorinstanz in Freiburg hatte sich auf über 20 Seiten ausgebreitet. Im Kern geht es um einen in Deutschland arbeitenden Schweizer, der hier keine Steuern zahlen wollte. Das wäre erstmal unproblematisch, hätte er hier nicht ein Einfamilienhaus als Familienwohnsitz bezogen. Dies verschwieg er dem Finanzamt und gab stattdessen an, das Haus an seine Frau vermietet zu haben. Er selbst wohne in der Schweiz. In einer unfassbar umfassenden Dokumentation widerlegte die Steuerfahndung jedoch den Vortrag des Steuerpflichtigen. Beinahe pedantisch wird beispielsweise dargelegt, wie die einschlüpfbereiten Pantoffel des Hausherrn im Flur doch als starkes Anzeichen für einen tatsächlichen Wohnaufenthalt zu werten seien.

Soweit, so gut. Am Ende einigte man sich dann halbwegs auf den Sachverhalt. Doch dann – warum auch immer – hat das Finanzamt die Besteuerungsänderung vermasselt. Jedenfalls aus Sicht des Finanzgerichts. Denn anstatt einfach einen Änderungsbescheid zu erlassen, ging die Verwaltung zweistufig vor. Zunächst Aufhebungsbescheid mit Ankündigung eines neuen Bescheids. Dann Änderungsbescheid. Dafür hatte das Finanzgericht wenig Verständnis und hob den Änderungsbescheid auf. Warum? Es sei keine Korrekturnorm für den Erlass einschlägig. Insbesondere könne sich das Finanzamt nicht auf neue Tatsachen berufen, da im Zeitpunkt des Aufhebungsbescheids bereits alles bekannt war.

Das nimmt man nun erstmal so hin. Jetzt die Revisionsbegründung des Finanzamts: Verfahrensfehler. Eine beteiligte Richterin am Finanzgericht war früher in leitender Funktion in der Rechtsbehelfsstelle des beklagten Finanzamts tätig. Daher sei sie von Gesetzes wegen vom Verfahren ausgeschlossen. Sah der BFH ebenso: Dies vermeide mögliche Befangenheitskonflikte. Weil der Ausschluss von Amts wegen erfolge, sei es ohne Bedeutung, dass das Finanzamt das Verfahrenshindernis erst im Rahmen der Revision rügte. Zwecks Entscheidungsfindung wurde das Verfahren vom BFH an einen anderen Senat zurückverwiesen. Den Richterkollegen gab man noch den Hinweis mit auf den Weg, die Mitwirkungspflichtverletzungen des Klägers genau zu prüfen.

So. Das muss man jetzt mal in Ruhe durchdenken. Abgesehen davon, dass es für die Richterin ja hochnotpeinlich ist: Was heißt diese Verfahrensweise denn? Da prozessiert das Finanzamt. Und denkt sich vielleicht noch: verlieren wir nicht, eine der Richterinnen war ja früher bei uns. Und dann verliert die Verwaltung doch. Und plötzlich – natürlich erst nach dem Prozess – fällt jemandem im Amt ein: Verfahrensverstoß. Nun kann die Behörde alle Entscheidungserwägungen aufgreifen und in der zweiten Runde nochmal passende Tatsachen vortragen. Also ehrlich. Das hat doch irgendwie „Geschmäckle“. Formal-rechtlich allerdings keineswegs, wie der Bundesfinanzhof festgestellt hat.

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