Freiberufler: neue Maßstäbe für Autodidakten oder „Zurück in die Zukunft“

Die Katalogberufe in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfordern grundsätzlich eine akademische Vorbildung. Bereits seit längerem erkennt die Rechtsprechung auch Autodidakten mit vergleichbarem Wissensstand die Vorzüge der Freiberuflichkeit zu.

Da Autodidakten wegen der besonderen Art und Weise ihres Wissenserwerbs durch das Raster der typisierten Katalogberufe fallen, ist stets eine individuelle Entscheidung über die Vergleichbarkeit der berufsspezifischen Kenntnisse zu treffen. Diesen Nachweis kann der Autodidakt durch Belege über eine erfolgreiche Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen oder ein Selbststudium, anhand praktischer Arbeiten oder durch eine Art Wissensprüfung führen.

Deren Modus und Maßstab wurde in jüngerer Zeit durch den BFH präzisiert.

Eine Wissensprüfung des Autodidakten sei im finanzgerichtlichen Verfahren nur geeignet, den Nachweis über ein aktuell vorhandenes Wissen zu erbringen, so dass weitere Rückschlüsse auf den Kenntnisstand im jeweils streitigen Zeitraum notwendig sind. Die Wissensprüfung bedarf für den Rückbezug eines Anknüpfungspunktes in oder vor den Streitjahren, vgl. BFH-Urteil vom 20. Oktober 2016, Az. VIII R 2/14.

Wie der konkrete Anknüpfungspunkt aussehen könnte, hat der BFH jedoch offengelassen.

Im BFH-Urteil vom 19. Januar 2017, Az. III R 3/14, wurde die Frage aufgeworfen, ob sich eine durchzuführende Wissensprüfung statt am Wissensstand von Absolventen des jeweiligen Streitjahrs an den Anforderungen zu orientieren hätte, die für Hochschulabsolventen zur Zeit des Berufseintritts des Autodidakten galten.

Diese beiden Zeitpunkte können wesentlich auseinanderfallen, denn die Entscheidung über die Freiberuflichkeit wird oftmals erst einige Jahre nach dem Tätigkeitsbeginn wegen des erstmaligen Überschreitens des Gewerbesteuerfreibetrags virulent, der konkrete Inhalt der Tätigkeit formt sich u. U. erst nach einigen „Findungs“-Jahren endgültig aus oder bis zur Entscheidung im finanzgerichtlichen Verfahren geht einfach einige Zeit ins Land.

Im o. g. Verfahren lagen zwischen Berufseintritt des Klägers in 1983 und dem Streitzeitraum 2004 immerhin über 20 Jahre.

Eine derart lange Zeitspanne zwischen dem zu beurteilendem Zeitpunkt des Wissensstandes und dem tatsächlichen Beurteilungszeitpunkt stellt Berater und Finanzverwaltung dann mitunter vor erhebliche Schwierigkeiten.

Haben Sie schon mal den branchenüblichen Wissensstand eines Diplom-Informatikers in den 90er Jahren ermittelt? Ich auch nicht. Möchte ich aber auch gerne vermeiden, sofern es sich einrichten lässt.

Die neuere Rechtsprechung könnte somit nur im (begrenzten) Rahmen des praktisch Möglichen angewandt werden.

Weitere Informationen:

BFH, Urteil vom 20.10.2016 – VIII R 2/14

BFH, Urteil vom 19.01.2017 – III R 3/14

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