Generalanwalt zerpflückt UStG-Organschaft – eine erste Einschätzung

Als ich mich vor Jahren erstmalig wissenschaftlich mit einem steuerrechtlichen Thema auseinandersetze, drehte sich alles um die umsatzsteuerliche Organschaft. Seither liegt mir § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG auch ohne die allerhöchste Praxisrelevanz besonders am Herzen (siehe auch Drei kleine Bitten an den Umsatzsteuergesetzgeber). Gestern trafen nun wieder einmal Neuigkeiten aus Luxemburg ein. Und was für welche.

Dort beschäftigt sich der EuGH unter der verbundenen Rs. C-108/14, C-109/14 mit drei Vorlagefragen des BFH. Mit gestern veröffentlichen Schlussanträgen nahm Generalanwalt Mengozzi dazu Stellung. Dabei ist zunächst anzumerken, dass es eigentlich um den Vorsteuerabzug einer Holding ging. Im Verfahren zeichnete sich jedoch schnell ab, dass die erste Vorlagefrage des BFH hierzu infolge bereits bestehender EuGH-Rechtsprechung unzulässig sein könnte. Der Generalanwalt hält allerdings die Annahmen des BFH zum Vorsteuerausschluss für gänzlich verfehlt und schlägt daher eine Umdeutung und Beantwortung der Frage vor. Hier darf man sehr gespannt sein, ob der EuGH dem folgen wird.

Sodann widmet sich Mengozzi den beiden Vorlagefragen zur Organschaft (vereinfacht):

  1. Kann eine Personengesellschaft als Organgesellschaft auftreten und sind die hohen Anforderungen an eine Eingliederung selbiger rechtmäßig?
  2. Kann sich ein Steuerpflichtiger bei Rechtswidrigkeit des nationalen Rechts unmittelbar auf die Unionsbestimmungen zur Organschaft berufen?

Dabei geht der Generalanwalt besonders ausführlich auf die Probleme ein. Erfreulicherweise kommt Mengozzi dabei zu den gleichen Ergebnissen, wie ich in meiner Prognose vor knapp zwei Jahren (NWB 30/2013 S. 2370). En passant hält er zu nächst fest, dass – selbstverständlich – auch eine Holding Organträger sein kann. Das war hierzulande zuletzt noch nicht völlig unumstritten. Ungeklärt ist auch weiterhin die Frage nach dem Ausschluss über die Missbrauchsklausel (anhängig BFH, Az. V R 67/14). Sodann zeigt er auf, dass ein Ausschluss von Personengesellschaften als Organgesellschaften zwar theoretisch zur Bekämpfung von Missbrauch denkbar erscheint. Allerdings fällt ihm hierfür kein Argument ein. Mir auch nicht.

Ähnlich verhält es sich mit den hohen Eingliederungsanforderungen. Während das deutsche Organschaftskonzept ein Über-/Unterorderungsverhältnis zwischen Organträger und -gesellschaft erfordert, geht die MwStSystRL nur von der Notwendigkeit einer engen Verbindung aus. Mengozzi kommt nach umfassender Abwägung zu dem Schluss, dass Deutschland seine Rechtsetzungsbefugnisse insoweit überschritten hat. Eine tatsächliche Eingliederung könne daher nur zur Vermeidung von Missbrauch gerechtfertigt werden. Auf den ersten Blick wäre dann wohl ein Abgesang auf die bisherige deutsche Praxis anzustimmen.

Das eigentliche Highlight der Schlussanträge findet sich in der Rn. 52. Für Mengozzi ist es sonnenklar, dass für Eingangsleistungen im Zusammenhang mit Innenumsätzen kein Vorsteuerabzug besteht. Was aus deutscher Persepektive mehr als sonderbar wirkt, ist nach der Rechtsprechung des EuGH meines Erachtens gut vertretbar. Teilt der EuGH diese Überzeugung, dürfte sich nicht nur der Kläger ärgern. Vielmehr wäre die Organschaft als Gestaltungsinstrument dann oftmals unbrauchbar. Da der EuGH bei den Vorsteuerfragen aber oftmals allein einzelfallabhängig entscheidet, lässt sich keine Entscheidungsprognose wagen.

Und schließlich geht der Generalanwalt noch auf die Frage nach der unmittelbaren Anwendbarkeit von (dem nunmehrigen) Art. 11 MwStSystRL ein. Diese Frage rief in der Fachliteratur einiges Streitpotential hervor, wobei Mengozzi die unmittelbare Berufung auf das Unionsrecht durch den Steuerpflichtigen verneint. Eine unionskonforme Auslegung der deutschen Bestimmungen hält er aber offenbar zumindest bei einer GmbH & Co. KG für denkbar.

Schließt sich der EuGH dem Generalanwalt an, dürfte es zu einem Umbruch in Bezug auf die deutschen Organschaftsbestimmungen kommen. In Umsatzsteuerfragen folgte der Gerichtshof den Schlussanträgen zuletzt in 90 % der Fälle. Kritisch könnte allerdings die Vorlageberechtigung des BFH werden. Hier bleibt abzuwarten, ob der EuGH eine wohlwollende Position einnimmt.

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