Hinzuschätzungen bei einer GmbH – vGA, wo man sie nicht erwartet

Geht es um das Thema „Hinzuschätzungen“ im Gastrobereich, wird in erster Linie an Fragen der Schätzungsmethoden sowie der ertrag- und umsatzsteuerlichen Konsequenzen gedacht. Das Verfahrensrecht ist weniger im Blick. Dass dies jedoch von besonderem Interesse sein kann, zeigt ein jüngst vom BFH entschiedener Fall, in dem es um Hinzuschätzungen bei einer GmbH ging (BFH  v. 12.06.2018, VIII R 38/14). Danach gilt:

Zuschätzungen aufgrund einer Nachkalkulation bei einer Kapitalgesellschaft sind als vGA an die Gesellschafter zu beurteilen, wenn die Nachkalkulation den Schluss zulässt, dass die Kapitalgesellschaft Betriebseinnahmen nicht vollständig gebucht hat und diese nicht gebuchten Betriebseinnahmen den Gesellschaftern außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung zugeflossen sind.

Lässt sich der Verbleib nicht gebuchter Betriebseinnahmen nicht feststellen, ist im Zweifel davon auszugehen, dass der zusätzliche Gewinn an die Gesellschafter entsprechend ihrer Beteiligungsquote ausgekehrt worden ist. Nach den Grundsätzen der Beweisrisikoverteilung geht die Unaufklärbarkeit des Verbleibs zu Lasten der Gesellschafter.

Die Finanzgerichte sind berechtigt, bei Prüfung der Rechtmäßigkeit eines infolge einer vGA gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheids des Gesellschafters als Rechtsgrundlage für dessen Korrektur stattdessen die Regelung des § 32a Abs. 1 KStG heranzuziehen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung ist dann unter Anwendung der besonderen Ablaufhemmung gemäß § 32a Abs. 1 Satz 2 KStG zu prüfen.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Das Finanzamt führte in den Jahren 2005 bis 2007 bei einer GmbH eine Außenprüfung durch. Es traf die Feststellungen, dass in den Streitjahren auf Ebene der GmbH der Wareneinkauf von Getränken und die baren Tageseinnahmen nicht vollständig aufgezeichnet worden waren. Die GmbH hatte Getränke gegen Barzahlung eingekauft. Zur Finanzierung waren in den Gewinnermittlungen die verbuchten Tageseinnahmen gekürzt und die hiervon bestrittenen Wareneinkäufe nicht verbucht worden. Der Warenbestand war in den Inventuren teilweise nicht körperlich festgestellt worden. Aufzeichnungen über Promotionsaufwendungen („Freigetränke“) und ein ordnungsgemäßes Kassenbuch lagen nicht vor. Infolge der Mängel der Buchführung nahm der Prüfer auf Ebene der GmbH unter Heranziehung einer Nachkalkulation Hinzuschätzungen vor. Er kalkulierte Mehrerlöse, kürzte diese um die Vorsteuerbeträge und die Nettoausgaben für den nicht verbuchten Wareneinkauf und gelangte im Ergebnis zu nicht verbuchten Netto-Mehrerlösen. Im Bericht über die Außenprüfung behandelte der Prüfer die Mehrerlöse als vGA der GmbH an die Gesellschafter.

Gegen die einkommensteuerlichen Folgen wehrte sich einer der Gesellschafter, der „lediglich“ mit 25 Prozent an der GmbH beteiligt war. Das Finanzamt habe ihm die Mehrerlöse der GmbH in Höhe seiner Beteiligungsquote als vGA zugerechnet, ohne tragende Feststellungen zum tatsächlichen Zufluss dieser Einnahmen zu treffen. Er habe seinen Mitwirkungspflichten genügt, da er Sachverhalte vorgetragen habe, aus denen hervorgehe, dass ihm keine Vermögensvorteile aus den nachkalkulierten Betriebseinnahmen zugeflossen sein könnten und er aufgrund der Aufgabenverteilung in der GmbH keine weiteren Auskünfte zur Behandlung der Wareneinkäufe, Bareinnahmen und Mittelverwendung geben könne.

Letztlich unterlag er vor dem FG und dem BFH. Die nicht feststehende betriebliche Verwendung der Mittel auf Ebene der Kapitalgesellschaft einerseits und deren nicht nachgewiesene Zuwendung an andere Empfänger als den oder die Gesellschafter andererseits indizierten eine durch das Gesellschaftsverhältnis verursachte quotale Auskehrung der Mehreinnahmen an alle Gesellschafter und den entsprechenden Zufluss der vGA.

Von Bedeutung sind dann die Ausführungen des BFH zum Verfahrensrecht: Wird der Steuerbescheid einer Körperschaft wegen einer vGA gemäß § 32a Abs. 1 Satz 1 KStG geändert, endet die Festsetzungsfrist für die Änderung eines Steuerbescheids des Gesellschafters, in dem die vGA zu erfassen ist, gemäß § 32a Abs. 1 Satz 2 KStG nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des geänderten Körperschaftsteuerbescheids.

Hinweis: Für Gesellschafter, gerade für Minderheitsgesellschafter, die mitunter keinen bedeutsamen Einfluss auf das laufende Geschäft haben, ist die Entscheidung misslich, denn sie konnten in ähnlich gelagerten Fällen möglicherweise zuvor im Rahmen des Verfahrens bei der GmbH ihre Sicht der Dinge nicht oder kaum vortragen, müssen aber mit den Konsequenzen leben. Zwar kann die Versteuerung der vGA (auch) bei der Einkommensteuer-Veranlagung bzw. der späteren Bescheidänderung des Gesellschafters angegriffen werden. Allerdings dürfte dem nur in Ausnahmefällen ein Erfolg beschert sein (zu Einzelheiten vgl. insoweit Janssen in Mössner/Seeger, Körperschaftsteuer-Kommentar, § 32a KStG).

Weitere Informationen:

BFH v. 12.06.2018 – VIII R 38/14 -nv-

 

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