Kein „weißer Zeitraum“ bei der Erbschaftsteuer

Mitte 2016 stand die – vom Bundesverfassungsgericht geforderte – Erbschaftsteuerreform auf Messers Schneide. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil vom 17.12.2014 (1 BvL 21/12) die Fortgeltung des verfassungswidrigen Erbschaftsteuergesetzes angeordnet und den Gesetzgeber verpflichtet, bis spätestens zum 30.6.2016 eine Neuregelung zu schaffen. Während des Gesetzgebungsverfahrens kam es jedoch zu Verzögerungen. Die Neuregelung wurde erst am 9.11.2016 mit Wirkung zum 1.7.2016 verkündet. Es wurde daraufhin diskutiert, ob der Zeitraum zwischen dem 1.7.2016 und dem 9.11.2016 zu einem „weißen Zeitraum“ führen könnte, ob also Vermögensübertragungen in diesem Zeitraum nicht der Erbschaft- oder Schenkungsteuer unterliegen dürften. Ich selbst hatte darüber in meinem Beitrag „Erbschaftsteuer: Der nächste Schritt zum weißen Zeitraum“ spekuliert.

Nun hat das FG Köln zu dieser Frage Stellung genommen und – wie nicht anders zu erwarten – haben die Richter nicht den nötigen Mut, um der Klage stattzugeben. Sie haben wie folgt entschieden: Verzögerungen im Gesetzgebungsverfahren führen nicht zu einer Steuerpause. Auch die in der Zeit vom 1.7.2016 bis zum 9.11.2016 eingetretenen Erbfälle unterliegen der Erbschaftsteuer (Urteil vom 8.11.2018, 7 K 3022/17).

Der Sachverhalt: Die Klägerin erbte im August 2016 ein Netto-Kapitalvermögen von rund 65.000 Euro. Daraufhin setzte das Finanzamt Erbschaftsteuer fest. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der Begründung, dass für die Zeit vom 1.7.2016 bis zum 9.11.2016 kein wirksames Erbschaftsteuergesetz bestanden habe und eine Festsetzung von Erbschaftsteuer daher nicht zulässig sei. Dem ist das FG Köln in seinem Urteil entgegengetreten. Die Festsetzung der Erbschaftsteuer sei rechtmäßig. Der Gesetzgeber habe mit dem am 9.11.2016 im Bundesgesetzblatt verkündeten ErbStAnpG 2016 eine umfassende und wirksame Rechtsgrundlage für die Besteuerung von Erbfällen und Schenkungen ab dem 1.7.2016 geschaffen. Die Neuregelungen entfalteten zwar in formeller Hinsicht eine echte Rückwirkung; diese Rückwirkung sei jedoch insbesondere unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Gesetzgebungsverfahrens zum ErbStAnpG verfassungsrechtlich zulässig.

Die Klägerin hat mittlerweile die zugelassene Revision beim BFH eingelegt, die unter dem Aktenzeichen II R 1/19 geführt wird (Quelle: PM FG Köln vom 1.2.2019).

Es ist an dieser Stelle müßig, das Urteil im Einzelnen zu diskutieren. Die Argumente sind im Jahre 2016 hinreichend ausgetauscht worden. Für mich ist vielmehr die Signalwirkung eines solchen Urteils an die Politik verheerend: Ein Gesetz ist über Jahre, wenn nicht gar über Jahrzehnte verfassungswidrig. Großzügigerweise wird die Weitergeltung seitens des Verfassungsgerichts angeordnet. Und es wird ein üppig bemessener Zeitraum eingeräumt, innerhalb dessen der Gesetzgeber handeln muss.

Doch auch diesen Zeitraum überschreitet er, ordnet dann sogar noch eine echte Rückwirkung an und kommt damit durch. Was soll dann noch der Gang vor das Bundesverfassungsgericht bringen? Die – zeitliche – Anwendung von Entscheidungen der obersten Verfassungshüter wird doch quasi ins Belieben gestellt. Diejenigen, die derzeit an der Reform der Grundsteuer arbeiten, werden die lasche Haltung der Finanzrichter zu schätzen wissen. Gut, dass sich der II. Senat des BFH der Sache annehmen wird. Dieser hat in den letzten Jahren bewiesen, dass er dem Gesetzgeber in Sachen „Erbschaftsteuer“ sehr wohl die Grenzen aufzeigt.

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