Künstler ist nicht gleich Künstler

BFH-Urteil zur Auslegung von DBA und der Tätigkeit eines werkschaffenden Künstlers (Lichtdesigner)

„Künstler ist nicht gleich Künstler“ – dies gilt zumindest für die Definitionen nach Abkommensrecht und nationalem Recht, die hier auseinander fallen. Im Hinblick auf die Anwendung der DBA ist auch zwischen darstellenden und werkschaffenden Künstlern zu unterscheiden.

Mit seinem Urteil vom 11.07.2018 (I R 44/16) hat der BFH klargestellt, ob und welchen Einfluss die Änderung des OECD-Musterkommentars im Hinblick auf die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen hat. Ebenfalls eingegangen ist er auf die Beurteilung der Künstlereigenschaft eines Lichtdesigners.

Der Urteilsfall

Der Kläger war in den Streitjahren 2002 bis 2005 und 2007 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Er war in dieser Zeit als Lichtdesigner an verschiedenen Opernhäusern im Ausland (Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, Japan, Schweden, Schweiz, Spanien) tätig. Seine Honorare führten in den meisten Fällen zu Einkünften aus selbständiger Arbeit; sie wurden ihm jeweils nach Abzug von Quellensteuern ausbezahlt.

Lediglich in den entsprechenden Arbeitgeber-Bescheinigungen aus Frankreich (2002 und 2003), Schweden (2003) und der Schweiz (2007) wurden seine Einkünfte als nichtselbständige Einkünfte ausgewiesen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt – FA -) qualifizierte die ausländischen Einnahmen des Klägers jedoch insgesamt als Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Das Finanzamt unterwarf diese in den Streitjahre der inländischen Besteuerung, allerdings ohne dabei die einbehaltenen Quellensteuerbeträge anzurechnen.

Dass dies nicht auf Zuspruch stieß, versteht sich von selbst.

Das Urteil des BFH

Die Besonderheit hier: Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ist fraglich, ob die steuerliche Würdigung des einen Staates (Tätigkeitsstaat) auch von Bedeutung für den anderen Staat (Ansässigkeitsstaat) ist. Der Frage, ob der Ansässigkeitsstaat seine Qualifizierung unabhängig vom Tätigkeitsstaat vornehmen kann bzw. soll, steht mit unter die Notwendigkeit gegenüber, die Wertungen des Tätigkeitsstaates übernehmen zu müssen. Diese Frage ist daher möglicherweise mit Qualifikationskonflikten verbunden.

In seinem Urteil vom 11.07.2018 stellte der BFH daher zunächst klar, dass es für die Beurteilung des Sachverhalts entscheidend darauf ankommt, ob der Kläger selbständig oder nichtselbständige Einkünfte erzielt hat, sofern er nicht als Künstler im Sinne der einschlägigen Abkommen zu beurteilen ist.

a)  Definition selbständige und nichtselbständige Arbeit

Da in den jeweiligen Abkommen die Begriffe „unselbständige“, „nichtselbständige Arbeit“ sowie „Vergütungen“ nicht definiert werden, sind diese aus der Sicht des Anwenderstaates (Deutschland) auszulegen, so der BFH bereits in seinem Urteil vom 18.07.1973 (I R 52/69).

b)  Keine Qualifikationsverkettung i.S.d. geänderten OECD-Musterkommentars

Das FG hat zu den vorgenannten Abgrenzungskriterien keine Feststellungen getroffen. Es hat allein auf die ausländischen Bescheinigungen abgehoben, weil sich nach Ansicht des FG die Einkünftequalifikation i.S. einer Qualifikationsverkettung nach den ausländischen Arbeitgeberbescheinigungen richte. Dem ist allerdings auch mit Blick auf den im OECD-Musterkommentar ab dem Jahr 2000 vertretenen sog. new approach nicht zu folgen (vgl. Nr. 32.2 ff. OECD-Musterkommentar zu Art. 23A OECD-Musterabkommen; BMF-Schreiben v. 16.04.2010).

Fraglich war nun insbesondere, welche Wirkung das Völkerrecht an sich hat und welchen Einfluss Änderungen des OECD-Musterkommentars auf die Auslegung der DBA haben.

c)  Rang und Wirkung des Völkerrechts

Der Rang und die Einordnung eines völkerrechtlichen Vertrags innerhalb der deutschen Rechtsordnung werden durch das Grundgesetz bestimmt (vgl. BVerfG, Beschluss v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12). Kraft des in der Verfassung erteilten Vollzugsbefehls werden die allgemeinen Regeln des Völkerrechts unmittelbar innerstaatlich wirksam; sie stehen im Rang über dem Gesetz (Art. 25 GG).

Dagegen bedürfen völkerrechtliche Verträge, die die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, für ihre innerstaatliche Wirksamkeit gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG eines Zustimmungsgesetzes; sie haben grundsätzlich nur den Rang eines einfachen (Bundes-)Gesetzes.

Aus diesen Verfassungsgrundsätzen ergibt sich, dass die zwischen den Staaten getroffene Vereinbarung nicht dazu führen kann, dass ein völkerrechtlicher Vertrag für das innerstaatliche Recht eine andere Bedeutung erhält, als dies dem Zustimmungsgesetz entspricht (BFH v. 01.02.1989 – I R 74/86).

Da die Änderung eines völkerrechtlichen Vertrags nur aufgrund eines entsprechenden Zustimmungsgesetzes innerstaatliche Wirksamkeit erlangt, und hierzu ausschließlich der deutsche Gesetzgeber befugt ist, kommt den die DBA vollziehenden Verwaltungsbehörden diese Kompetenz nicht zu. Schon aus dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung kann nicht in Betracht kommen, dass der bloßen Änderung des OECD-Musterkommentars eine normative und damit eine von den Gerichten zu beachtende Bedeutung zukommt.

d)  Künstlerbegriff – DBA vs. Nationales Recht

Nach gefestigter Rechtsprechung ist der Künstlerbegriff des Art. 17 des OECD-Musterabkommens und der diesem Artikel nachgebildeten DBA-Bestimmungen, eigenständig abkommensrechtlich auszulegen (BFH-Urteile v. 08.04.1997 – I R 51/96, v. 18.07.2001 –  I R 26/01, v. 30.05.2018 – I R 62/16). Der Künstlerbegriff nach nationalem Recht des Anwenderstaates ist demnach unmaßgeblich.

In Art. 17 Abs. 1 OECD-Musterabkommen werden beispielhaft und nicht abschließend Bühnen-, Film-, Rundfunk- oder Fernsehkünstler und Musiker sowie Sportler aufgeführt. Aus dieser Gesamtschau und auch aus der Gleichsetzung mit Sportlern ist abzuleiten, dass es für die Tatbestandsmäßigkeit nicht auf ein besonderes künstlerisches Niveau oder eine bestimmte eigenschöpferische Gestaltungshöhe ankommt. Eine künstlerische Tätigkeit setzt somit voraus, dass der Künstler unmittelbar oder mittelbar über Medien in der Öffentlichkeit auftritt. Entscheidend ist danach, dass die vergüteten Tätigkeiten in direktem Zusammenhang mit einem Auftritt vor Publikum stehen (vgl. BFH Urteil v. 30.05.2018 – I R 62/16).

Vergütungen für werkschaffend tätige Bühnenmaler (BFH v. 02.12.1992 ­- I R 77/91, s. BFHE 170, 126) bzw. Regisseure und Bühnenbildner (BFH  v. 18.07.2001 – I R 26/01) sind somit nicht von Art. 17 Abs. 1 OECD-Musterabkommen erfasst.

Fazit

Es ist also nicht ausgeschlossen, dass die Tätigkeit eines, dem Grunde nach werkschaffender Künstlers, als darstellende Tätigkeit zu qualifizieren ist. Die Rechtsfolgen des Art. 17 OECD-Musterabkommens treten jedoch nur dann ein, wenn er sein Werk live vor Publikum darbietet, vergleichbar der Art eines Performance-Künstlers. Da keine Qualifikationsverkettung erfolgt, ist unmaßgeblich, wie der Tätigkeitsstaat die Einkünfte qualifiziert hat; die Qualifizierung hat durch den Ansässigkeitsstaat zu erfolgen.

Für die Auslegung der Abkommensregelung ist eine Änderung des OECD-Musterkommentars unmaßgeblich, da diesem keine normative Wirkung zukommt, die die Gerichte zu beachten hätten. Die Änderungen des OECD-Musterkommentars haben somit keine Auswirkung auf die Interpretation von unveränderten DBA.

Hinweis:

In der Zeitschrift IWB erscheint demnächst von mir ein Beitrag, in dem ich weitere Aspekte aufgreifen und Problematik tiefer beleuchten werde. Sobald das Veröffentlichungsdatum feststeht, werden Sie hier informiert.

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