Noch einmal: Erstausbildung und Erststudium

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Kosten für eine Erstausbildung oder ein Erststudium hat hohe Wellen geschlagen. Die einen kritisieren sie, die anderen befürworten sie und wiederum andere können sie zumindest nachvollziehen. Auch ich kann mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts leben, halte sie aber dennoch für falsch. Damit befinde ich mich in guter Gesellschaft, denn immerhin hält auch der Bundesfinanzhof die gesetzliche Regelung für verfassungswidrig. Ich möchte meine Haltung heute etwas weiter ausführen.

Ich bin nach wie vor der Meinung, dass der Vorlagebeschluss des BFH äußerst gut begründet war, während die Begründung des Bundesverfassungsgerichts große Lücken lässt. Die Richter des Bundesverfassungsgerichts unterstellen, dass ein Studium auch der Persönlichkeitsbildung dient und immer private Motive mitumfasst. Dabei ziehen sie jedoch keinerlei empirische Untersuchungen heran (lässt man einmal die Pilotenausbildung außen vor, die nun so gut wie immer rein beruflich motiviert ist). Beispielsweise befassen sich die Richter nicht mit den zahlreichen Bachelor-Studiengängen und der zunehmenden Zersplitterung der Studienfächer. Es gibt mittlerweile viele Studienfächer, die so gut wie ausschließlich auf einen bestimmten Beruf hin ausgerichtet sind. Als Beispiel möchte ich hier nur das so genannte Pflegestudium nennen. Seltsamerweise geht das Bundesverfassungsgericht hierauf überhaupt nicht ein, sondern schaut offenbar aus dem Blickwinkel des juristischen Studiums auf die Welt. Dass diese aber anders aussieht als im Karlsruher „Kirchturm“, wird ausgeblendet.

Und zu den Ausbildungsdienstverhältnissen: Natürlich gibt es jenseits des Beamtentums Ausbildungsdienstverhältnisse. Jede Lehrstelle ist ein Ausbildungsdienstverhältnis. Allerdings gibt es jenseits des öffentlichen Dienstes, sieht man einmal von den vereinzelten dualen Studiengängen ab, kaum Ausbildungsdienstverhältnisse, die mit einem Diplom oder Bachelor enden, also letztlich mit einem abgeschlossenen Studium. Insofern ist die derzeitige Regelung – wiederum empirisch – doch eine Begünstigung von Beamtenanwärtern. Übrigens habe ich von dieser selbst profitiert. Insofern kann man mir also kaum „Parteinahme“ vorwerfen.

Und noch einmal zu Ausbildungen: Einem Studenten oder Piloten zu unterstellen, sein Studium/seine Ausbildung diene – pauschal betrachtet – immer auch der Persönlichkeitsbildung, einem „normalen“ Azubi hingegen zu unterstellen, seine Lehre sei sozusagen ausschließlich beruflich veranlasst und hätte mit Persönlichkeitsbildung nichts zu tun, halte ich – wiederum empirisch betrachtet – für falsch. Auch hier hätte das Bundesverfassungsgericht zumindest wesentlich tiefer einsteigen müssen.

Natürlich ist dem Gesetzgeber zuzugestehen, dass er pauschalieren darf. Eine Pauschalierung darf aber nicht willkürlich erfolgen, sondern muss sich am „Leben ausrichten“. Und dieses ist anders als es der Gesetzgeber und das Bundesverfassungsgericht unterstellen.

Aber es hilft nichts: Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden und das müssen wir akzeptieren. Indes: Die Entscheidung trifft letztlich ohnehin nur Studenten, deren Eltern nicht über große finanzielle Spielräume verfügen. Eltern mit (vermietetem) Immobilienbesitz greifen halt bereits seit einiger Zeit zum Mittel des zeitlich befristeten Zuwendungsnießbrauchs und erreichen über diesen Umweg das gewünschte Ergebnis, nämlich den Abzug der Studienkosten.

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