Prinzipienbasierte Rechnungslegung – Denkt wirklich noch jemand an kleine und mittlere Unternehmen?

Gerade im Bereich von kleinen und mittelständischen Unternehmen spielt die Existenz einer Rechnungslegung, die sich auf überschaubare Prinzipien stützt, eine große Rolle. Beim Lesen einer Master-These zum Thema hedge accounting nach IFRS 9 hat sich mir nicht zum ersten Mal die Frage gestellt, ob solche Unternehmen künftig überhaupt noch in der Lage sein werden, eine ordnungsgemäße Rechnungslegung darzustellen.

Der IASB legt selbst Wert darauf, IFRS als prinzipiengestützte Rechnungslegung zu entwickeln. Nun sind Finanzinstrumente und noch mehr ihr Einsatz als Sicherungsinstrument ein komplexes Gebiet und einfache Regeln dafür nicht leicht zu formulieren. Nur allein die Tatsache von über 70 Seiten Regelungen und Implementierungshilfen sprechen gegen eine wirkliche Prinzipien-Orientierung. Eine Beschäftigung mit den konkreten Inhalten ist dabei noch gar nicht erfolgt.

Sicher, die IFRS-Regelungen müssen komplexe Sicherungsstrategien gerade im Bereich der Banken abdecken. Durch Verzicht auf Sicherungsstrategien können andere Unternehmen den Kopf vielleicht aus der Schlinge ziehen. Das kann aber betriebswirtschaftlich fragwürdig und für das Unternehmen gefährlich sein. Ein anderes Mittel zur Vermeidung wäre der Verzicht auf eine Dokumentation von Sicherungsbeziehungen, so dass die Voraussetzungen für ein hedge accounting nicht vorliegen. Insoweit kann man durchaus ein faktisches Wahlrecht zur bilanziellen Abbildung von Sicherungsbeziehungen annehmen. Nur würde dadurch der zutreffende Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eingeschränkt.

Der typisch deutsche Mittelständler wird sich über IFRS 9 nicht aufregen. Er muss nicht nach IFRS bilanzieren und lebt in der Hoffnung, dass das so bleibt. Der deutsche Gesetzgeber kommt mit zwei Sätzen zur Regelung von Sicherungsbeziehung aus (§ 254 HGB). Nur müssen diese zwei Sätze ausgelegt werden. Selbst unter Berücksichtigung der ca. 15 Seiten umfassenden Verlautbarung RS HFA 35 des IDW hierzu, bleibt die Komplexität weit hinter IFRS 9 zurück. Sicher kann man einige Interpretationen in RS HFA 35 kritisch diskutieren. Solange die tatsächlich durchgeführten Sicherungsstrategien nicht zu komplex werden, kann man sie jedoch mit „Augenmaß“ abbilden.

Daraus zu schließen „HGB-Bilanzierer = alles gut“ wäre aber gefährlich. Einerseits besteht immer die latente Gefahr, über die EU komplexere Rechnungslegungsregeln in das HGB gezwungen zu bekommen. Andererseits finden sich auch zum HGB immer wieder Anflüge zunehmender Komplizierung. Ein Akteur auf diesem Gebiet ist auch das DRSC. Beispielhaft sei auf die jüngsten Vorschläge zur Anwendung des Niederstwertprinzips auf den Geschäfts- oder Firmenwert verwiesen (E-DRS 30); hierzu wurde in StuB 2015, S. 292 f., schon Stellung bezogen. Die „Ausweitung“ der Anforderungen an den Konzernlagebericht gegenüber den gesetzlichen Vorgaben sind ein anderes Beispiel (DRS 20). Auch wenn die DRSC-Regelungen sich zunächst an Aufsteller von HGB-Konzernabschlüssen richten, besteht die latente Gefahr einer faktischen Ausweitung des Anwendungsbereichs.

Gesellschaftlicher Druck bzw. vermeintliche politische Korrektheit könnten mittels eines Trojanischen Pferdes „integrated reporting“ mittelfristig weitere zusätzliche Anforderungen bringen. Bei alledem darf von Normgebern nicht vergessen werden, was die primäre Aufgabe der Rechnungslegung ist. Jede Erhöhung von Anforderungen muss mit ihrer Nützlichkeit konkret begründet werden; „nice to know“ reicht dafür nicht aus. Um nicht missverstanden zu werden: Keinesfalls geht es mir darum, kleinen und mittelständischen Unternehmen möglichst viele Spielräume für ihre Abschlussgestaltung zu gewähren. Die notwendige Rechnungslegung ist auch dort zum Schutz der Abschlussadressaten mit aller Härte durchzusetzen. Nur muss man bei der Fortentwicklung der Anforderungen auch „die Kirche im Dorf lassen“.

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