Serie „Bilanzkosmetik“: Frühjahrsputz in den Bilanzen

Etwas später als versprochen geht es nun endlich weiter mit meiner Serie zum Thema Bilanzkosmetik. Dieses Mal wollen wir uns mit dem Thema kosmetisch abschreiben beschäftigen.

Sicherlich steht bei Ihnen auch bald der Frühjahrsputz an. Der Balkon wird gereinigt, die Gartenstühle herausgeholt. Klingt alles super, denn schließlich freuen wir uns schon lange auf den Frühling. Frühjahrsputz in der Bilanz allerdings sieht leider etwas anders aus. Der Fachbegriff heißt auch anders: „Kitchen-Sinking“. Klingt nur nicht so toll, ist auch nicht so toll. Kitchen-Sinking wird in der Regel bei einem Führungswechsel im Unternehmen vom neuen Chef durchgeführt. Da wird auch aufgeräumt. Der neue Chef versucht mit einem Rutsch alles Unappetitliche den Abfluss hinunterzuspülen.

Die neue Führungskraft versucht zu Beginn der Tätigkeit also möglichst viele Altlasten loszuwerden, um die Bilanz zu „reinigen“. Dadurch kann ganz nebenbei die außerplanmäßige Abschreibung dem Vorgänger in die Schuhe geschoben werden. Diese Abschreibung wird als notwendige Maßnahme verkauft, die der Vorgänger offenbar unterlassen hat. Die Investoren fühlen sich ernst genommen. Denn schließlich kommt so der im Meer verschwundene Müll ans Tageslicht. Das ist aus Sicht der Investoren besser, als weiterhin in Unsicherheit zu leben.

Durch diese Abschreibungen wird die neue Führungskraft die Altlasten auf einen Rutsch los. Zudem werden die Gewinnsteigerungen in naher Zukunft größer sein, was wiederum ihm zugeschrieben wird. Der Start ist unbeschwert, der neue Chef wird von den Investoren freudig in Empfang genommen. Mittelfristig, wenn der „Neue“ wieder an seine Zeit außerhalb des Unternehmens nachdenkt, wird er möglicherweise neue Altlasten für seinen Nachfolger aufbauen.

Diese strategischen Abschreibungen werden vor allem beim Goodwill, der beim Kauf eines anderen Unternehmens entsteht, im IFRS-Abschluss genutzt. Denn seit mehr als zehn Jahren darf dieser nach IFRS nicht mehr planmäßig abgeschrieben werden. Dadurch sind die Möglichkeiten der strategischen Abschreibung durch die Führungskraft eines Unternehmens erheblich gestiegen.

Insbesondere Banken sind sehr kreativ, wenn es um die Disziplin des Abschreibens geht. Wenn sie diese Energie in Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten stecken würden, wären sie langfristig sicherlich besser dran. Derzeit kämpfen die Banken an mehreren Fronten. Nicht nur die Vorschriften von Basel IV, sondern auch die Digitalisierung sowie die langanhaltende Niedrigzinsphase machen ihnen zu schaffen. Ob die strategische Abschreibung von Banken derzeit genutzt wird, ist sicherlich nicht unumstritten. Denn schließlich wird der derzeit ohnehin sinkende Gewinn dadurch noch geringer.

Die Deutsche Bank hat beispielsweise im dritten Quartal 2015 eine Abschreibung in Höhe von 6,2 Mrd. Euro auf eine Beteiligung ausgewiesen. Nicht nur die Deutsche Bank hat in den letzten Jahren hohe Abschreibungen vorgenommen. 2011 hat die Deutsche Telekom beispielsweise durch den geplatzten Verkauf der Tochter T-Mobile in den USA eine Abschreibung in Höhe von 3,1 Mrd. Euro vorgenommen. Lassen wir uns überraschen, welche Unternehmen in diesem Jahr auf ihrer Hauptversammlung derartig hohe Abschreibungen vor den Aktionären rechtfertigen müssen.

Wenn der Frühjahrsputz alleine nicht mehr hilft, können wir uns das Leben anderweitig schön rechnen. Dazu lesen Sie mehr im nächsten Artikel dieser Serie.

Lesen Sie hierzu auch:

Studie zu Wertminderungen bei Goodwill und anderen Vermögenswerten (CF Fachportal v. 28.09.2016)

Rinker: Hoher Verlust bei der Deutschen Bank im dritten Quartal 2015 – Was ist die Ursache und wir wirkt sich dies auf den Cashflow aus? (NWB Experten-Blog)

Milliardenschwere Abschreibungen drohen (Handelsblatt.com v. 16.02.2017)

 

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