Serie „Bilanzskandale“: Warum immer wieder Bilanzen gefälscht werden

Beim Fälschen von Bilanzen gibt es zwei „Möglichkeiten“: Der Gewinn soll nach oben oder nach unten gepusht werden. Um dieses Ziel zu erreichen, werden die legalen Möglichkeiten der Bilanzkosmetik überschritten. Warum ärmer, warum reicher rechnen? Betrachten wir die Motive dafür genauer.

Sich reicher rechnen:

Die Fälschung der Zahlen, um ein besseres Bild der tatsächlichen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu erzeugen, wurde in den aufgedeckten Fällen der Vergangenheit dann genutzt, um beispielsweise einen Börsengang vorzubereiten. Durch fingierte Umsatzerlöse waren ausgewiesene Gewinne höher als tatsächlich und die Aktien damit attraktiver für potenzielle Investoren. Der Fall der Hess AG aus dem Schwarzwald lässt sich hier einordnen. Bereits beim Börsengang wurde jedoch in der Presse teilweise darauf hingewiesen, dass die Liquidität nicht die gleiche positive Entwicklung wie der Gewinn zeigt. Die Liquidität ist mitunter das, was dem Fälscher oftmals irgendwann den Hals bricht. Denn mit gefälschten Kontoauszügen und damit fiktiven Bankguthaben können keine tatsächlich existierenden Rechnungen beglichen werden.

Neben einem Börsengang wird der Gewinn durch fingierte Umsatzerlöse oftmals zu hoch ausgewiesen, um das Unternehmen für einen geplanten Verkauf attraktiv zu machen. Je attraktiver das Unternehmen, desto höher der Verkaufspreis.

Zudem besteht bei den Fälschern der Drang, das Rating zu verbessern und damit den Fluss des Geldhahns am Laufen zu halten. So sollte als Beispiel in einigen Fällen eine drohende Insolvenz vermieden werden – zumindest vorübergehend. Durch zu hoch ausgewiesene Gewinne kann in der Praxis eine bilanzielle Überschuldung vermieden werden. Aber auch dies wieder nur vorübergehend.

Insgesamt ergibt sich aus Sicht des Fälschers folgendes Problem beim „sich reicher rechnen“: Die fungierten Umsatzerlöse erhöhen zwar den Gewinn, wirken sich jedoch nicht tatsächlich positiv auf die Liquidität aus. Sofern der Fälscher einmal eine fingierte Rechnung ausgestellt hat, gerät er immer tiefer in den Fälschungssumpf. Denn um die Manipulation zu verdecken, müssen nun beispielsweise fingierte Konten erfunden werden. Aufgrund der Skandale lassen sich die Wirtschaftsprüfer die Bankbestätigungen direkt zusenden, sodass bei bestehenden Geschäftskonten die Manipulationsmöglichkeiten eingeschränkt werden.

Sich ärmer rechnen:

Es gibt auch einige Motive der Fälscher mit der Absicht, den Gewinn mit illegalen Mitteln nach unten zu drücken. Hier kann z. B. die Zielsetzung bestehen, die Steuerlast zu minimieren. Gerade bei Konzernen gibt es teilweise sehr strenge Vorgaben, welche „Konzernsteuerquote“ erreicht werden soll. Sofern diese Zielvorgabe für das Management unerreichbar scheint, besteht im Zweifel die Gefahr einer Manipulation durch die betroffenen Führungskräfte. Vor allem dann, wenn ihre Karriere von der Zielerreichung abhängt.

Sollen etwa lästige Gesellschafter ausgezahlt werden, Tarifverhandlungen und Personalabbaumaßnahmen erleichtert werden, sind dies Gründe, wieso Bilanzfälscher den Gewinn niedriger ausweisen als die Gesetze dies vorschreiben. Durch das Ärmer rechnen können so hohe Zahlungen an den ausscheidenden Gesellschafter oder aber geringere Abfindungen an Mitarbeiter erreicht werden.

Bei einer Neubesetzung der Geschäftsleitung wird oftmals auch in der Bilanz „aufgeräumt“. Der „neue“ Vorstand kann so die durchgeführten Abschreibungen und gebildeten Rückstellungen auf den „alten“ Vorstand schieben. Durch die zu hohen Gewinnminderungen sehen die danach folgenden Steigerungen deutlich besser aus. Dieses Instrument des sog. Clean-up ist nicht zwingend der Bilanzfälschung zuzuordnen. Es wird häufig im legalen Rahmen in Form von Bilanzkosmetik „eingesetzt“. Die Grenze zwischen legaler Bilanzkosmetik und illegaler Bilanzfälschung ist in diesem Fall oftmals intransparent. Auch ein Bilanzoptimierer muss hier aufpassen, nicht den legalen Pfad der zulässigen Bilanzkosmetik zu verlassen.

Wie heißt es so schön – nach biegen kommt brechen.

Bei der Gelegenheit ein Hinweis. Mit meinen Beiträgen aus der Reihe „Bilanzskandale“ gehe ich immer wieder Frage des „warum“ nach, nicht der des „wie machen“.

Lesen Sie Anfang November, welche Reaktionen es seitens des Gesetzgebers auf die Bilanzskandale zu Beginn der 2000er Jahre gegeben hat.

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