Bundestag beschließt Maßnahmen zur Dämpfung der Energiekosten

Der Bundestag auf Vorschlag der Bundesregierung weitere Maßnahmen zur Dämpfung der Energiekosten für Wirtschaft und Bürger beschlossen, allerdings nach den Ausschussberatungen mit einigen Modifikationen. Die Fachverbände üben Kritik.

Hintergrund

Mit dem Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz – EWPBG (BGBl 2022 I S. 2560) und dem Strompreisbremsengesetz – StromPBG (BGBl 2022 I S. 2512) hat der Bund ab Januar 2023 weitere Entlastungen bei Erdgas, Fernwärme und Strom auf den Weg gebracht (Jahn, NWB 2022, 3736). Gas-/Wärme- bzw. Strompreisbremse gelten im Zeitraum vom 1.3.2023 bis Jahresende. Hinzu kamen weitere Entlastungsmaßnahmen mit der Differenzpreisanpassungsverordnung (DABV), einer wesentlichen Stellschraube der Preisentwicklung an den Energiemärkten, oder der reduzierten Senkung der Umsatzsteuer auf Gaslieferungen.

Verkürzte Verlängerung der Energiepreisbremsen und Verlängerung der Differenzpreisanpassungsverordnung bis Ende März 2024

Am 16.11.2023 hat der Bundestag der Verordnung der Bundesregierung zur Verlängerung der Energiepreisbremsen – Preisbremsenverlängerungs-Verordnung (PBVV/BT-Drs. 20/9062, BT-Drs. 20/9243 Nr. 2.3) mit Änderungen zugestimmt. Danach werden die zum Jahresende auslaufenden Preisbremsen für Strom, Gas und Wärme um vier Monate bis 31.3.2024 verlängert, und nicht wie zunächst vorgesehen bis 30.4.2024 (Jahn, NWB 2023 S. 3123); ferner wird die Differenzpreisanpassungsverordnung (DABV v. 17.3.2023, BGBl 2023 I Nr.81) bis 31.3.2024 verlängert. Dazu hat der Ausschuss für Klimaschutz und Energie eine Beschlussempfehlung (BT Drs.20/9346) und der Haushaltsausschuss gem. § 96 der GeschO einen Bericht zur Finanzierbarkeit (BT-Drs. 20/9370) vorgelegt. In den Ausschussberatungen wurde deutlich, dass ein zeitlicher Gleichlauf der Preisbremsen zum Entwurf der Verlängerung des Temporary Crisis and Transition Framework (TCTF) der EU angezeigt ist und auch die DABV verlängert werden muss. Die Änderungen beinhalten die Verlängerung der Energiepreisbremsen sowie zusätzlich der DABV bis zum 31.3.2024. Zudem soll die Strompreisbremse nicht für Letztverbraucher verlängert werden, soweit dieser Strom an einen Dritten weiterleitet.

Zum Verständnis: Nach § 48 Abs. 2 Strompreisbremsegesetz (StromPBG) sowie nach § 39 Abs. 3 Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz (EWPBG) bedürfen die aufgrund des § 48 Abs. 2 StromPBG bzw. § 39 Abs. 1 und 2 EWPBG erlassenen Rechtsverordnungen der Zustimmung des Bundestages. Der Bundestag kann seine Zustimmung davon abhängig machen, dass seine Änderungswünsche übernommen werden. Übernimmt der Verordnungsgeber die Änderungen, ist eine erneute Beschlussfassung durch den Bundestag nicht erforderlich. Die Verordnung soll am Tag nach der Verkündung in Kraft treten, steht aber unter dem beihilferechtlichen Vorbehalt, dass die EU-Kommission die erforderliche Genehmigung erteilt, die vom BMWK im Bundesgesetzblatt bekannt zu machen ist.

Abgesenkte Umsatzsteuer auf Gas bis Ende Februar 2024

Die abgesenkte Mehrwertsteuer für Gas und Wärme soll nun doch bis Ende Februar (29.2.2024) gelten und nicht schon – wie von der Bundesregierung vorgeschlagen – am 31.12.2023 auslaufen. Nach einem Beschluss des Bundeskabinetts v. 11.10.2023 sollte die Rückkehr zum Umsatzsteuer-Regelsatz von 19 % auf Gas  bereits ab dem 1.1.2024 erfolgen, also drei Monate früher als im Gesetz (§ 28 Abs. 5, 6 UStG i. d. F. des StSenkG v. 19.10.2022) bislang vorgesehen. Die um zwei Monate verlängerte Frist zur Rückkehr von 7% auf 19% Umsatzsteuer geht aus einer Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zum Wachstumschancengesetz (BT-Drs. 20 /9341, S. 125) hervor, über das der Bundestag am 17.11.2023 beschlossen hat.

Berechtigte Verbändekritik der Energie- und Kommunalversorger

Die Verbände der Energiewirtschaft und Kommunalversorger haben die „in letzter Sekunde“ erfolgten Fristenänderungen kritisiert: So verständlich und sinnvoll es sei, die Umsatzsteuersenkung auf Gas und Wärme nicht – wie zwischenzeitlich geplant – bereits zum 1.1.2024 zu erhöhen, so unverständlich sei, dass deren Laufzeit nicht an die der Energiepreisbremsen angepasst wurde, sondern einen Monat früher enden soll. „Die Vorschläge mit zwei Umstellungsterminen im Vier-Wochen-Abstand machen das Ganze zusätzlich und unnötig kompliziert und für die Verbraucherinnen und Verbraucher wenig nachvollziehbar: Steuern erhöhen, weil die Krise vorbei sei und gleichzeitig Preisbremsen verlängern, weil die Krise noch anhalte – das widerspricht sich.“ Dies erhöhe den Aufwand bei Abrechnungen. Diese Kritik ist plausibel und nachvollziehbar.

(Stand 17.11.2023 – 12.30 Uhr)

Weitere Informationen:

Bundestag beschließt Energiepreispauschale für Rentner und Versorgungsempfänger

Rentner sowie Versorgungsempfänger des Bundes werden eine Energiepreispauschale von 300 Euro erhalten. Das ist das Ziel eines Gesetzentwurfes (BT-Drs. 20/3938), den der Bundestag am 14.10.2022 erstmals behandelt und am 20.10.2022 beschlossen hat.

Hintergrund

Als Reaktion auf den dramatischen Energiekostenanstieg hat der Gesetzgeber mit dem Steuerentlastungsgesetz vom 23.5.2022 (BGBl 2022 I S. 749) eine einmalige steuerpflichtige Energiekostenpauschale (EEP) von 300 Euro beschlossen, die grundsätzlich über die Arbeitgeber bzw. Dienstherren an Beschäftigte ab Ende September 2022 ausgezahlt wurde – ich habe im Blog berichtet. Die EEP soll vor allem die Bevölkerungsgruppen entlasten, denen typischerweise Fahrtkosten in Zusammenhang mit der Einkünfteerzielung entstehen und wegen der Energiekostensteigerung besonders belastet sind. Detailfragen hat das BMWK in seinem FAQ beantwortet.

Was genau können Rentner und Versorgungsempfänger erwarten? Weiterlesen

Deutliche Erleichterungen aufgrund der gestiegenen Energiekosten: Herabsetzung, Stundung und Aufschub von Vollstreckung!

Durch die hohen Energiekosten gelangen viele Unternehmen in finanzielle Schieflage. Das BMF hat nunmehr mit einer erfreulichen Gegenmaßnahme reagiert.

Handlungsspielräume seitens der Finanzämter

Als Folge des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine hat das BMF ein Schreiben veröffentlicht, nach dem die Finanzämter die ihnen gesetzlich zur Verfügung stehenden Handlungsspielräume im Interesse der erheblich betroffenen Steuerpflichtigen nutzen sollen. Ohne strenge Nachweispflichten sollen auf Antrag im Einzelfall fällige Steuern gestundet, Vorauszahlungen zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer angepasst, sowie Vollstreckungsaufschub gewährt werden.

Das neue BMF-Schreiben vom 5. Oktober 2022 eröffnet den Finanzämtern die Option, die besondere Situation bei nicht unerheblich negativ wirtschaftlich betroffenen Steuerpflichtigen angemessen zu berücksichtigen. Ihnen stehen hierzu verschiedene Möglichkeiten und Billigkeitsmaßnahmen im Rahmen der allgemeinen rechtlichen Vorgaben zur Verfügung, wie z.B. Weiterlesen

Holpriges Energieentlastungspaket – Energiepreispauschale vermutlich erst im September 2022

Zu viele offene Fragen, zu viel Kritikpunkte: Vermutlich kommt die von der Bundesregierung angekündigte Energiepreispauschale erst im September 2022 – mal sehen mit welchen Änderungen.

Hintergrund

Die Bundesregierung hat sich bekanntlich auf zwei Energiekosten-Entlastungspakete verständigt, um Bürger/innen angesichts der nach dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine stark gestiegener Energiekosten zu entlasten – ich habe berichtet. Zwei von drei Maßnahmen sollen noch in das bereits laufende Gesetzgebungsverfahren zum Steuerentlastungsgesetz 2022 (BT-Drs. 20/1333) eingebracht werden: Weiterlesen

Update: Energiepreispauschale und Tankrabatt – Licht und Schatten

Die im März 2022 vom Bundekabinett beschlossenen Energiekosten- Entlastungsmaßnahmen erweisen sich in der parlamentarischen Umsetzung schwieriger als gedacht. Eine Bestandsaufnahme und Bewertung.

Hintergrund

Ich hatte Anfang April berichtet: Am 23.3.2022 hat der Koalitionsausschuss auf ein (zweites) Maßnahmenpaket des Bundes zur Entlastung bei den weiter steigenden Energiekosten geeinigt, das nach Befassung des Bundeskabinetts Bundestag und Bundesrat passieren muss. Das erste Energiekosten-Entlastungspaket war mit dem Steuerentlastungsgesetz 2022 am 8.4.2022 im Bundestag in erster Lesung auf den Weg gebracht worden (BT-Drs. 20/1333).

Das zweite Energiekostenentlastungspaket stockt: Nur das Energiesteuersenkungsgesetz befindet sich „auf dem Weg“, die Energiepreispauschale ist parlamentarisch „noch nicht in Arbeit“.

Wie ist der Sachstand?

  • Energiesteuersenkungsgesetz: Mit dem Vorhaben sollen die Energiesteuersätze für die im Wesentlichen im Straßenverkehr verwendeten Kraftstoffe befristet auf die Höhe der Mindeststeuersätze der EU-Energiesteuerrichtlinie temporär im Zeitraum vom 1.6. bis 31.8.2022 herabgesetzt werden. Da die Energiesteuer eine Verbrauchssteuer ist, hat eine temporäre Steuersenkung zur Folge, dass eine vollständige Weitergabe an die Verbraucher/innen insoweit auch eine entsprechende Preissenkung und damit Entlastung für die Bürger/innen sowie die Wirtschaft ermöglicht wird. Beim Bund führt dieser „Tankrabatt“ nach dem Referentenentwurf zu durchschnittlichen monatlichen Steuermindereinnahmen in Höhe von 1,053 Mrd. Euro.
  • Energiepreispauschale: Im zweiten Entlastungspaket enthalten ist die sogenannte Energiepreispauschale: „Allen einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen (Steuerklassen 1-5) wird einmalig eine Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro als Zuschuss zum Gehalt ausgezahlt. […] Die Auszahlung erfolgt über die Lohnabrechnung des Arbeitgebers bzw. des Dienstherren. Die Pauschale unterliegt der Einkommensteuer. Selbständige erhalten einen Vorschuss über eine einmalige Senkung ihrer Einkommensteuer-Vorauszahlung.“

Mehr Schatten als Licht bei der Energiepreispauschale

Die bereits im März angekündigte Energiepreispauschale hat bei genauerer Betrachtung mehr Schatten als Licht wie auch die Spitzenverbände der Wirtschaft in einer Eingabe vom 13.4.2022 an verschiedene Parlamentarier deutlich gemacht haben:

  • Selbständige: Für Selbständige bedeutet der Vorschlag im Ergebnis lediglich eine Stundung der Einkommensteuer-Vorauszahlung, die sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder nachzahlen müssen. Eine echte Entlastung ist hiermit also nicht verbunden.
  • Lohnsteuer: Die Energiepreispauschale soll dem Lohnsteuerabzug unterliegen. Sie soll dabei aber nicht als laufender Monatslohn, sondern als sonstiger Bezug gewertet werden. Dies hat eine abweichende Berechnung der Lohnsteuer zur Folge, die zu einer überhöhten Lohnsteuer führen kann. Wenn es zu einer „Art von Verrechnung“ mit der Lohnsteuer kommen soll, stellt sich die Frage, wie bei Mini- bzw. Midijobs zu verfahren ist, bei denen kein oder nur eine geringes Volumen der Lohnsteuer zur Verrechnung besteht – soll es hier ein Erstattungsverfahren geben?
  • Belastung der Unternehmen: Die den Erfindern des Vorhabens vorschwebende „unbürokratische“ Nutzung der Arbeitgeber als staatliche Auszahlungsstelle sorgt bei diesen tatsächlich für bürokratischen und finanziellen Aufwand. Die Arbeitgeber sind gezwungen ihre Lohnbuchhaltungsprogramme kostenpflichtig anzupassen, um die Steuer korrekt abzuführen. Beim Verfahren der Auszahlung, die für alle Arbeitnehmer über den Arbeitgeber erfolgen soll, darf es aber keinesfalls dazu kommen, dass die Unternehmen mit einer möglichen Vorfinanzierung belastet werden, da Arbeitgeber gerade in personalintensiven Branchen gar nicht die nötige Liquidität hierfür aufbringen können.

Wie geht’s weiter?

Allein die wenigen hier aufgezeigten Kritikpunkte zeigen, dass der Teufel – wie so oft – im Detail steckt. Sollte die Energiepreispauschale noch in das Steuerentlastungsgesetz 2022 eingebracht werden sollen, wird es Zeit: Für die nächsten Sitzungen des Bundestages vom 27.4. bis 29.4.2022 ist das Steuerentlastungsgesetz 2022 bislang nicht als Beratungsgegenstand für die weiteren Lesungen vorgesehen.

Passiert aber das Vorhaben nicht bald das Parlament, besteht die Gefahr, dass die Entlastungsmaßnahmen die Zielgruppen zu spät erreichen.

Quellen