Wann ist (k)ein Übergang von der Kassen-Nachschau zur Betriebsprüfung möglich?

Das in der Prüfungs-Praxis nicht selten genutzte, relativ neue Instrument der Kassen-Nachschau, welche unangekündigt und während des laufenden Betriebs durchgeführt werden darf, hat bereits einige Unternehmer in Schrecken versetzt. Doch wann kann eigentlich ein Übergang zu einer Außenprüfung angeordnet werden? Das FG Hamburg hat hierzu kürzlich ein Urteil (v. 30.08.2022 – 6 K 47/22) gefällt.

Hintergrund

Nach § 146b Abs. 3 AO hat der Prüfer im Rahmen einer Kassen-Nachschau die Möglichkeit, zur Außenprüfung überzugehen, wenn es Beanstandungen gibt oder Dokumentationsunterlagen nicht vorgelegt werden können. Geboten ist eine solcher Übergang aus Prüfersicht vor allem, wenn die sofortige Sachverhaltsaufklärung zweckmäßig erscheint und anschließend die gesetzlichen Folgen der Außenprüfung für die Steuerfestsetzung eintreten sollen.

Nach § 146b Abs. 3 Satz 2 AO ist der Steuerpflichtige auf diesen Übergang schriftlich hinzuweisen. Der schriftliche Übergangshinweis ersetzt dabei die Prüfungsanordnung. Fraglich ist jedoch, ob ein Übergang zur Außenprüfung dann festgesetzt werden kann, wenn dem Prüfer nicht die erbetenen Unterlagen (sofort) übergeben werden.

FG Hamburg: Übergang zur Außenprüfung

Das FG Hamburg beantwortete diese Frage nunmehr mit einem „Ja“ und konstatierte, dass der Prüfer u.a. nicht die Möglichkeit des Übergangs verwirkt, wenn er diesen nicht sofort anordnet, sondern er dem Steuerpflichtigen zunächst die Chance einräumt, die Unterlagen nachzureichen. Im zu entscheidenden Fall führte das Finanzamt bei dem Kläger eine Kassen-Nachschau gem. § 146b AO durch. Der Umfang der Nachschau beinhaltete die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung.

Im Rahmen der durchgeführten Prüfung stellte der Beklagte bzw. dessen Mitarbeiter die erbetenen Aufzeichnungen den Prüfern nicht zur Verfügung. Die Nicht-Zurverfügungstellung der geforderten Unterlagen wurde damit begründet, dass diese Unterlagen im Büro des Geschäftsführers verschlossen seien und nur dieser einen Schlüssel zu dem Büro habe. Im Folgenden übergaben die Prüfer eine Liste der nachzureichenden Unterlagen. Diese wurden auch in der Folgezeit für die Kassen-Nachschau übergeben. Wenige Wochen danach kündigte das Finanzamt indes den Übergang zu einer Außenprüfung gemäß § 146b Abs. 3 AO an, wogegen geklagt wurde.

Kein Erfolg der Klage

Das FG sah die Klage jedoch nicht als begründet. Die Voraussetzungen für einen Übergang zu einer Außenprüfung gemäß § 146b Abs. 3 AO haben im Streitfall vorgelegen. Denn die bei der Kassen-Nachschau getroffenen Feststellungen haben Anlass gegeben, zu einer Außenprüfung überzugehen, weil bei der Kassen-Nachschau den Prüfern nicht die erbetenen Unterlagen übergeben worden sind. Insbesondere ist es laut Gericht nicht zwingend, dass bereits in dem Moment, in dem erklärt wird, dass die Unterlagen nicht herausgegeben werden können, der Übergang zur Betriebsprüfung angeordnet wird.

Der Betriebsprüfer verwirkt nicht die Möglichkeit der Anordnung des Übergangs, wenn er diesen Übergang nicht sofort anordnet, sondern dem Steuerpflichtigen zunächst die Chance einräumt, die Unterlagen nachzureichen. Insbesondere seien weitere Voraussetzungen in § 146b Abs. 3 AO nicht normiert und sind auch nicht erforderlich. Der Steuerpflichtige sei nicht schlechter gestellt, als wenn er eine „normale“ Prüfungsanordnung gemäß § 196 AO erhalten hätte. V.a. handelt es sich laut Gericht bei dem § 146b Abs. 3 AO nicht um eine Norm mit Bestrafungscharakter.

Übergang liegt im Ermessen der Finanzverwaltung

Das Urteil eines Finanzgerichts zur Kassen-Nachschau zeigt, dass laut FG der Übergang von der Kassen-Nachschau zur Außenprüfung fast ohne besondere Sachverhaltserfordernisse möglich ist. Das Gericht erwähnt explizit, dass im Übrigen die Anordnung des „Übergangs zur Außenprüfung gemäß § 146b Abs. 3 AO im Ermessen der Finanzverwaltung [steht], welches gemäß § 102 FGO durch das Gericht nur eingeschränkt überprüfbar ist“.

Insbesondere mangelnde Kooperationsbereitschaft kann einen Übergang rechtfertigen, aber auch bei Kooperationsbereitschaft ist ein solcher nicht ausgeschlossen. Steuerpflichtige, die in die Situation einer Kassen-Nachschau kommen könnten, sind daher angehalten, sich auf diese adäquat vorzubereiten. Mögliche Szenarien und Fragen durch die Prüfer sollten zumindest im Vorhinein betriebsintern einmal durchgespeilt werden.


Kassen-Nachschauen gelten als erfolgreich – zumindest in Berlin

Ein wesentlicher Bestandteil des Kassengesetzes aus dem Jahre 2016 ist die Möglichkeit einer Kassen-Nachschau durch die Finanzverwaltung. Diese hat seit Januar 2018 das Recht, Unternehmen unangekündigt aufzusuchen, um die ordnungsgemäße Führung der Kassen zu überprüfen. Betroffen sind insbesondere Gastronomen, Einzelhändler, Taxi- und Frisörbetriebe sowie die Glückspielbranche. Die Berliner Finanzverwaltung hat aktuell bekanntgegeben, wie erfolgreich ihre Kassen-Nachschauen im Jahre 2019 waren, wobei die Pressestelle leider die Mehrergebnisse aus reinen Kassen-Nachschauen und „echten“ Betriebsprüfungen nicht sauber trennt. Weiterlesen

Umsatzsteuer-Nachschau = Kassen-Nachschau

Das FG Hamburg hat mit Urteil vom 11.4.2018 (6 K 44/17) entschieden, dass eine Umsatzsteuer-Nachschau auch zu der Feststellung genutzt werden darf (und in bereits in der Vergangenheit genutzt werden durfte!), welches Kassensystem der Steuerpflichtige benutzt. Für eine solche Feststellung sei ein schriftliches Auskunftsersuchen nicht zwingend das mildere und geeignete Mittel. Eine Umsatzsteuer-Nachschau sei im Übrigen auch noch möglich, wenn bereits eine Vermutung besteht, der Steuerpflichtige könnte Umsatzsteuern hinterzogen haben. Die Steuerhinterziehung dürfe aber noch nicht mit Sicherheit feststehen, denn dann bestünde bereits ein strafrechtlicher Anfangsverdacht und die Umsatzsteuer-Nachschau darf nicht zur Umgehung der Rechte des Steuerpflichtigen in einem Strafverfahren benutzt werden.

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Verfahrensdokumentation leicht gemacht

Nach wie vor geistert das „Gespenst“ der Verfahrensdokumentation umher. Nahrung erhält es unter anderem durch mittlerweile erhältliche Musterverfahrensdokumentationen im Umfang von 80 und noch mehr Seiten. Da schrecken viele Steuerberater und Unternehmer zurück. Nun wird eine Verfahrensdokumentation bei mittelständischen Unternehmen sicherlich einen derartigen Umfang annehmen müssen und die Muster sind hier sehr lobenswert. Bei der Vielzahl der kleineren Unternehmen ist meines Erachtens aber eine checklisten-basierte Verfahrensdokumentation ausreichend, die üblicherweise in einer Stunde erstellt werden kann. Der typische Fall: Ein Handwerksbetrieb verfügt über ein Auftragsverwaltungs- bzw. Fakturierungsprogramm. Den „Schreibkram“ erledigen eine Bürokraft bzw. der Betriebsinhaber und/oder dessen Ehefrau selbst. Um die Buchhaltung kümmert sich der Steuerberater. Hier könnte wie folgt vorgegangen werden:

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Kassen-Nachschau: Eldorado für Trickbetrüger

Hand aufs Herz: Wer von Ihnen hat tatsächlich schon einmal den Dienstausweis eines Finanzbeamten genauer unter die Lupe genommen? Wissen Sie, wie diese Ausweise aussehen? Ich selbst weiß zumindest, wie diese in Nordrhein-Westfalen aussehen. Und ich muss sagen: Fälschungssicherheit geht anders. Damit bin ich nun beim Thema: Das neue Instrument der Kassen-Nachschau wird Trickbetrügern Tür, Tor und Kasse öffnen. Ein wahres Eldorado wird sich ihnen auftun, denn bei der Prüfung einer Gaststätte mitten im größten Trubel muss nämlich einem Amtsträger der Zugang zum Allerheiligsten, der Kasse, gewährt werden. Und das bedeutet: Auch einem angeblichen (!) Amtsträger wird der Zugang zur Kasse ermöglicht.

Der DStV hat die Gefahr erkannt und plädiert daher dafür, dass neben dem Dienstausweis stets ein schriftlicher Prüfungsauftrag ­– unterschrieben von einem Sachgebietsleiter/Hauptsachgebietsleiter – einschließlich einer Anlage mit allen Rechten und Pflichten ausgehändigt werden müsse. Aber selbst der Prüfungsauftrag kann natürlich gefälscht sein.

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So funktioniert die Kassen-Nachschau

Heute erlaube ich mir, in meinem Blog ein wenig Werbung zu betreiben – nicht in eigener Sache, sondern für den BBK-Sonderdruck „Kassen-Nachschau ab 1.1.2018“, den die Herren Teutemacher und Dr. Bellinger erstellt haben. Ich selbst weise bereits seit Monaten unermüdlich darauf hin, dass die Kassen-Nachschau für viele Einzelhändler, Frisörbetriebe und Gastronomen zum Waterloo werden kann.

Gerade Herr Teutemacher, seines Zeichens Steuerfahnder und ausgewiesener Experte für die Prüfung von Kassensystemen, schildert in dem genannten Sonderdruck sehr anschaulich, welche Anlässe es für eine Kassen-Nachschau geben kann, welche Unterlagen vorliegen müssen und wie die Prüfung erfolgt. Nicht ganz überraschend weist auch er darauf hin, dass die Verfahrensdokumentation vorliegen muss. Genauer gesagt: Sie muss nicht nur vorliegen, sie muss auch vorgelegt werden können, und zwar sofort.

Im Übrigen weist er darauf hin, dass die Prüfer nun losziehen und Testkäufe tätigen werden. Von daher kann allen Unternehmern nur geraten werden: Geben Sie einen Bon immer ohne Verlangen heraus – gesetzliche Verpflichtung hin oder her. Der Kunde könnte ein Betriebsprüfer sein, der einen Testkauf tätigt.

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Kassen-Nachschau? Wird Zeit …

Der Gesetzgeber hatte sich zuletzt ja einiges, insbesondere die Kassen-Nachschau, einfallen lassen, um den Steuerbetrug in der Gastronomiebranche einzudämmen. Wie effektfrei das alles im Moment noch ist, kann man sich an jedem Eckimbiss anschauen. Weiterlesen

Kassenmanipulation: StA Mannheim beantragt Verbandsgeldbußen wegen Steuerhinterziehungssoftware

Bereits in seinen „Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes 2003“ warnte der Bundesrechnungshof vor drohenden Steuerausfällen aufgrund moderner Kassensysteme. Zuletzt hat die Diskussion um die Bekämpfung von Kassenmanipulationen deutlich an Fahrt aufgenommen. Insbesondere bargeldintensive Branchen wie Gastronomie und Einzelhandel stehen im Fokus. Derzeit liegt unter anderem ein Gesetzentwurf des BMF zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vor. Die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft Mannheim fügt sich in diese Gesamtlage nahtlos ein. Weiterlesen