Die Steuerpolitik der Ampel – Teil 3: Besteuerung von Einkommen und Vermögen

Stillstand statt Fortschritt oder Mut zur Lücke?

 Die Ampelkoalition schmückt sich mit Etiketten wie Aufbruch, Modernisierung oder Fortschritt. Diese Artikelserie geht der Frage noch, ob der Inhalt des Koalitionsvertrags aus steuerlicher Sicht hält, was die Überschrift („Mehr Fortschritt wagen“) verspricht.

Schon Ludwig Erhard musste konstatieren: „Ich habe als Bundesminister 80 Prozent meiner Kraft dazu verwendet, gegen Unfug anzukämpfen.“ Aus dieser leicht fatalistischen Perspektive betrachtet, sind die wenigen Aussagen des Koalitionsvertrages zur Besteuerung von Einkommen und Vermögen wohl als Erfolg zu bezeichnen. Denn die befürchtete und ökonomisch äußerst schädliche Vermögensteuer, die alle vier Jahre zur Bundestagswahl kurz aus der Gruft emporzusteigen droht, bleibt auch diesmal eingemottet. Auch Unternehmenserben sowie international gefragte Leistungsträger mit hohen Einkommen und erfolgreiche Einzelunternehmer oder Mitunternehmer können aufatmen. Weder die Erbschaftsteuer noch der Einkommensteuertarif werden erhöht. Die Koalition verzichtet also darauf, die ganz große Steuerkeule zu schwingen, wie zuvor noch in einigen Wahlprogrammen angedroht wurde.

Aber es fehlen eben auch größere Entlastungen, die sich die Steuerzahler in Deutschland redlich verdient hätten. Zur Erinnerung: Die aktuelle Steuerschätzung sagt voraus, dass bereits im laufenden Jahr die gesamtstaatlichen Steuereinnahmen das Vorkrisenniveau übersteigen. Ab dem kommenden Jahr soll auch der Bund wieder so viel in der Kasse haben, wie im Vorkrisenjahr 2019. Allein zwischen 2016 und 2019 hat der Gesamtstaat seine Steuereinnahmen vom 705 auf knapp 800 Mrd. Euro gesteigert. Im Jahr 2027 dürften die Steuereinnahmen sage und schreibe eine Billion Euro betragen, schreibt man die aktuelle Steuerschätzung fort. In der Ära Merkel stieg die Steuerquote (Abgrenzung der Finanzstatistik) von unter 20 auf gut 23% und soll nach einer Corona-Delle weiter steigen.

Da mutet es doch reichlich knauserig an, wenn die neue Bundesregierung lediglich ein paar Pauschbeträge um ein paar Euro erhöhen oder ein BFH-Urteil zur Rentenbesteuerung umsetzen will, um Doppelbesteuerung von Renten zu verhindern. In Anbetracht des an dieser Stelle ambitionslosen Koalitionsvertrags und der unersättlichen Ausgabenwünsche (Stichwort Nachtragshaushalt) fragt man sich, wie die Koalition eigentlich reagieren würde, sollte das Bundesverfassungsgericht doch noch ein Machtwort sprechen und den Rest-Solidaritätszuschlag kassieren. Wäre dann sichergestellt, dass die Entlastung wirklich bei den Menschen ankommt oder würden wir uns auf einmal in einer Diskussion wiederfinden, wie der Solidaritätszuschlag in den Einkommensteuertarif „integriert“ werden kann? Weiterlesen