BAG: Resturlaub verjährt nicht automatisch

Mit zwei wichtigen Urteilen hat das BAG (Urteile v. 20.12.2022 – 9 AZR 266/20 und 9 AZR 245/19) die Frage entschieden, wann Resturlaub im laufenden Arbeitsverhältnis und im Fall langwieriger Erkrankung verfällt.

Hintergrund

Nach der gesetzlichen Regelung (§ 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG) muss Urlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr genommen werden, andernfalls verfällt er. Eine Übertragung in das nächste Jahr, ist nur bei dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen statthaft. Der Urlaub muss dann in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden. Diese Verfallgrenze des 31. März gilt seit einem Urteil des EuGH aus dem Jahr 2009 (C-350/06; C-520/06) bei langwierigen Erkrankungen nicht.

Infolgedessen hat das BAG 2012entschieden, dass ein Anspruchsverfall erst 15 Monate nach Ende des eigentlichen Urlaubsjahres beim gesetzlich vorgegeben Mindesturlaub eintritt (BAG 9 AZR 623/10). Bereits 2018 hatte der EuGH klargestellt: Ein Arbeitnehmer darf seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahres-(Mindest) Urlaub nicht automatisch deshalb verlieren, weil er keinen Urlaub beantragt hat (EuGH C-619/16 und C-684/16). Im September 2022 hat der EuGH (22.9.2022 C-120/21; C-518/21; C-727/20) entschieden, dass Urlaub nur verjähren kann (§§ 194, 195 Abs.1 BGB), wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber über seinen Urlaubsanspruch unterrichtet und vor dem Urlaubsverfall gewarnt wurde; ich habe ich im Blog berichtet (EuGH stärkt Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern).

Was ist der Kern der neuen BAG-Entscheidung?

In einem der aktuellen Streitfälle (BAG 9 AZR 266/20) machte die Klägerin geltend, dass Urlaub wegen des hohen Arbeitsanfalls nicht habe genommen werden können. Im zweiten Fall (BAG 9 AZR 245/19) ging es um die Verjährung von Urlaub, der wegen langer Krankheit 15 Monate nach Ende des Kalenderjahres nicht genommen werden konnte. Weiterlesen

EuGH stärkt Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern

Urlaubsansprüche können nur verjähren, wenn der Arbeitnehmer über seinen Urlaubsanspruch unterrichtet und vor dem Urlaubsverfall gewarnt wurde, hat der EuGH entschieden (22.9.2022, C-120/21; C- 518/21; C-727/20). Was hat das für Konsequenzen in der Praxis?

Hintergrund

Es geht um drei Fälle aus Deutschland. In einem Fall konnte die Klägerin ihren Urlaub wegen des hohen Arbeitsanfalls nicht nehmen und verlangte Urlaubsabgeltung. Der Arbeitgeber hielt dagegen, die Urlaubsansprüche seien verjährt (§§ 194 Abs. 1; 195 BGB).

Die beiden anderen Fälle betrafen den Urlaubsanspruch bei Krankheit. Die Kläger meinten einen Urlaubsanspruch für das Jahr zu haben, in dem sie aus gesundheitlichen Gründen erwerbsgemindert bzw. arbeitsunfähig waren. Bei Krankheit verfällt der Urlaubsanspruch normalerweise nach 15 Monaten.

Wie hat der EuGH entschieden?

Der EuGH hat klargestellt, dass der Arbeitgeber dafür sorgen muss, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub tatsächlich nehmen kann. Dafür muss der Arbeitnehmer ausdrücklich zur Urlaubsabnahme aufgefordert worden sein. Ferner urteilte der EuGH, das Urlaubsansprüche nicht verjähren, wenn sie vor der Erwerbsunfähigkeit entstanden und der Arbeitgeber nicht rechtzeitig aufforderte oder ermöglichte, Urlaub abzunehmen. Weiterlesen