Serie Bilanzskandale: Schummeln bei den Rückstellungen bläst den Gewinn auf

Rückstellungen haben den unerfreulichen Effekt, den Jahresüberschuss zu verringern. Warum der Bilanzposten bei Fälschern so beliebt ist? Es ergeben sich – zumindest vorerst – keine Auswirkungen auf die Liquidität, denn bei fingierten Umsatzerlösen stellt sich bei der Erstellung des Jahresabschlusses und der Abschlussprüfung schnell mal die Frage nach der Werthaltigkeit der Forderungen. Der Trick mit den Treuhandkonten ist seit Wirecard nun auch verbrannt. Dort wurden Forderungen zu Guthaben auf Treuhandkonten.

Zurück zu den Rückstellungen: Beim Fälschen von Bilanzen wird die Bildung von Rückstellungen unterlassen bzw. mit einem deutlich zu geringen Betrag erfasst. Dabei ist nicht die Ausnutzung von Bewertungsspielräumen gemeint, denn das ist legal. Es werden bewusst Rückstellungen nicht gebildet, um den Jahresüberschuss nicht zu belasten.

Vorgehensweise der Täter

Was haben die Täter gemacht? Dazu ein Beispiel aus einem Praxisfall: Weiterlesen

Flatexdegiro: Wie ein sinkender Aktienkurs die Gewinne des Fintecs erhöht hat

Dank sinkender Aktienkurse einen höheren Gewinn? Klingt irgendwie seltsam, oder? Doch genauso ist es bei dem Fintec Flatexdegiro. Ich muss zugeben: Das Unternehmen hat nur die Bilanzierungsvorschriften umgesetzt. Schauen wir genauer hin.

Ein Blick in die Zahlen

Laut der veröffentlichten vorläufigen Zahlen für das Geschäftsjahr 2022 wurden aufgrund sinkender Aktienkurse die langfristigen variablen Vergütungen angepasst. Um 38,3 Mio. €, um genau zu sein. Um diesen Betrag wurden die Rückstellungen aufgelöst. Da die Bilanz bekanntlich ihr Gleichgewicht halten muss, stellt sich die Frage: Was ist noch passiert? Durch die Auflösung der Rückstellung wurden gleichzeitig sonstige betriebliche Erträge in Höhe von 38,3 Mio. € gebucht.

Im Verhältnis zum Überschuss des Konzerns in Höhe von 106,2 Mio. € ein ganz schöner Batzen. Oder anders ausgedrückt: Die Auflösung der Rückstellung hat dem Fintec einen ordentlichen Gewinnanstieg beschert. Im Vergleich zum Vorjahr hat dieser sich verdoppelt. Doch fairerweise muss man auch sagen: Durch die langfristigen variablen Vergütungen an Mitarbeiter wurde im Jahr 2021 auch keine Rückstellung gebildet. Ganz im Gegenteil: Es mussten 65 Mio. € Rückstellungen gebildet werden. Und diese haben den Gewinn im Jahr 2021 um 65 Mio. € belastet.

Umsatzerlöse unter der Lupe

Und wie sieht es mit der Entwicklung der Umsatzerlöse, einer wichtigen Kennzahl aus Investorensicht, aus? Diese sind im vergangenen Jahr geringer ausgefallen als im Vorjahr, wenn man den bereinigten Wert zugrunde legt. Bereinigter Wert bei den Umsatzerlösen? Finde ich etwas ungewöhnlich. Dabei handelt es sich vor allem um die Effekte aus der Bildung bzw. Auflösung der Rückstellungen für die langfristige variable Vergütung. Das zählt meines Erachtens auch nicht zu den Umsatzerlösen.

Kurz gesagt: Ohne die Bereinigung sind die Umsatzerlöse dadurch aufgeblasen. Denn Mitarbeiterbeteiligungen sind doch nicht der Betriebszweck des Fintecs.

Ein kurzes Fazit

Die Auflösung von Rückstellungen führt zwar zu einer Gewinnsteigerung. Doch den Cashflow lässt dies völlig kalt. Um jedoch den operativen Cashflow mit dem Jahresüberschuss des Konzerns zu vergleichen, müssen wir auf den Geschäftsbericht 2022 warten. Dieser erscheint Ende März.

Weitere Informationen:
Flatexdegiro: Finanzmitteilung – Vorläufige Zahlen 2022 (flatexdegiro.de)

Bilanzierungsfolgen des Berliner Mietendeckels

Der „Berliner Mietendeckel“ (Mieten-WoG Bln) hat traurige Berühmtheit erlangt, besteht doch der Verdacht einer offensichtlich verfassungswidrigen Regelung, die zudem kaum zielführend ist. Die verfassungsrechtliche Diskussion dreht sich dabei einerseits um die Kompetenzzuweisung zum Erlass der Regelungen und andererseits um die Frage der Verletzung von verfassungsrechtlichen Schutzrechten, etwa des Eigentumsschutzes.

Verfügt man über minimale Grundkenntnisse zu ökonomischen Wirkungszusammenhängen und blendet diese auch nicht ideologiegeleitet aus, erkennt man leicht, dass der Mietendeckel am ursächlichen Problem nichts ändert, dieses gar verschlimmert. Mehr Wohnraum entsteht nicht und Sanierungsinvestitionen unterbleiben, eher werden Investoren abgeschreckt. Die eigentliche Zielgruppe, Bezieher geringer Einkommen, wird insgesamt kaum begünstigt. Es erscheint absehbar, dass sogar entgegen der geäußerten Absichten gegenteilige Effekte für die Zielgruppe insgesamt und auch andere Bevölkerungsteile eintreten werden.

Heute will ich aber keinen volkswirtschaftlichen Grundkurs abhalten, auch wenn mir das als Überzeugungstäter bei der damaligen Wahl meines volkswirtschaftlichen Studienfaches sicher Spaß bereiten würde. Stattdessen will ich mich dem „trocken´ Brot“ der bilanziellen Folgen des Mietendeckels zuwenden. Weiterlesen

Keine Rückstellung für Aufbewahrungskosten von Mandantendaten im DATEV-Rechenzentrum

Die Kosten für die 10-jährige Aufbewahrung von Mandantendaten und Handakten im DATEV-Rechenzentrum sind bei einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft nicht rückstellungsfähig. Es fehlt an einer öffentlich-rechtlichen wie auch an einer zivilrechtlichen Verpflichtung zur Datenaufbewahrung, so der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 13.02.2019 (XI R 42/17).

Der Streitfall

Die Klägerin (eine GmbH) hatte in ihrem Jahresabschluss zum 31.12.2010 eine Rückstellung für Aufbewahrungsverpflichtungen angesetzt. Diese wurde für die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Aufbewahrung von Mandantendaten im DATEV-Rechenzentrum gebildet. Weiterlesen

Diesel – Und jetzt?

Ich hatte mich bereits seit 2015 mehrfach im Blog zur „Dieselthematik“ geäußert. Mit dem gestrigen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts und den daraus zu erwartenden Fahrverbotsbereichen für zahlreiche Dieselfahrzeuge ist das Thema „Diesel-KFZ“ wieder einmal bedeutsam. Weiterlesen

Mehr Vorsicht auf der Aktivseite als auf der Passivseite der HGB-Bilanz? – Bestrittene Steuernachforderungen

Das Vorsichtsprinzip ist der zentrale Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung im Handelsbilanzrecht (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Aus ihm werden insbesondere das Realisations- und das Verlustantizipationsprinzip (Imparitätsprinzip) abgeleitet. Zwar sind die Prinzipien als gesetzliche Bewertungsvorschriften normiert, jedoch auch für die Klärung von Ansatzfragen als GoB anzusehen. In der praktischen Anwendung stellt sich immer wieder die Frage, ob dabei eine Differenzierung zwischen der Aktiv- und der Passivseite vorzunehmen ist. Das kann etwa bei den bilanziellen Folgen einer vom Steuerpflichtigen bestrittenen Steuerverpflichtung ein Thema sein. Weiterlesen

Hat die Commerzbank (noch) keinen Restrukturierungsplan? – Restrukturierungsrückstellungen (Teil 2)

Die Commerzbank hat angekündigt bis zu 9.600 Stellen abzubauen. Dabei klang durch, die Aufwendungen für die Maßnahmen sollten zu einem erheblichen Teil erst in den Jahren 2017 und 2018 anfallen. Im letzten Blog wurde der Frage nachgegangen, woran es liegen könnte, dass der Aufsichtsrat der Commerzbank noch keine konkreten Informationen über den geplanten Arbeitsabbau erhalten hat. Dabei wurden die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung nach handels- und steuerrechtlichen Vorschriften betrachtet. Die Commerzbank erstellt ihren Konzernabschluss nach den Regelungen der International Financial Reporting Standards (IFRS). In diesem Blog wird nun der Frage nachgegangen, wann Restrukturierungsrückstellungen nach IFRS zu bilden sind und ob möglicherweise Abschlusspolitik im IFRS-Konzernabschluss eine Rolle spielen könnte. Weiterlesen

Hat die Commerzbank (noch) keinen Restrukturierungsplan? – Restrukturierungsrückstellungen (Teil 1)

Kürzlich war in der Zeitung zu lesen, die Commerzbank wolle bis zu 9.600 Stellen abbauen. Dabei wurde kritisiert, die Commerzbank habe unter anderem auch dem Aufsichtsrat für einen großen Teil der abzubauenden Stellen keine konkreten Informationen vorgelegt. Dabei klang durch, die Aufwendungen für die Maßnahmen sollten zu einem erheblichen Teil erst in den Jahren 2017 und 2018 anfallen. Was könnte dahinter stecken? Weiterlesen

Wer hat Mitleid mit der Deutschen Bank?

Niemand. Und wenn Sie fällt? Dann fällt sie halt?

Puh, das ist vielleicht eine sehr gewagte These. Aber was ist, wenn es hart auf hart kommt? Wenn Gewinne privatisiert sind, muss dies doch auch für Verluste gelten, oder? Aber nun der Reihe nach.

Laut einer Meldung der Deutschen Wirtschaftsnachrichten vom 18. September 2016 kann die Deutsche Bank die angekündigte Strafe der US-Regierung nicht bezahlen. Selbst eine geringe Strafe würde der Bank Probleme bereiten. Als Lösung wird die Verstaatlichung der Bank vorgeschlagen.

Die Deutsche Bank hat in ihrem Jahresabschluss „lediglich“ 5,5 Mrd. Euro für Rechtsstreitigkeiten zurückgestellt. Also 5,5 Mrd. Euro wurden als Rückstellung für Rechtsstreitigkeiten gebildet. Das bedeutet nicht etwas, dass die Deutsche Bank das Geld schon zur Seite gelegt hat. Zieht man die geschätzte Strafzahlung für einen Geldwäschevorwurf in Russland in Höhe von 2,5 Mrd. Euro ab, verbleiben 3 Mrd. Euro für die drohende Rekordstrafe in den USA. Ist das nun viel oder wenig? Weiterlesen

Keine Rückstellung für „freiwillige Pflichten“

Für die zukünftigen Kosten der Aufbewahrung von (eigenen) Geschäftsunterlagen, zu der das Unternehmen verpflichtet ist, muss im Jahresabschluss eine Rückstellung gebildet werden. Es handelt sich also um eine Pflichtrückstellung. So geurteilt durch den BFH (Az: VIII R 30/01). Was aber ist für die Kosten der Aufbewahrung von Mandantenakten?  Weiterlesen