BAG: Auch Teilzeitbeschäftigte haben Anspruch auf Überstundenzuschläge

Das BAG hat am 5.12.2024 (8 AZR 370/20 und 8 AZR 372/20) entschieden, dass auch Teilzeitbeschäftigte einen tarifvertraglichen Anspruch auf Überstundenzuschläge „ab der ersten Minute“ haben; bei Verstößen kommt überdies eine Entschädigung wegen Diskriminierung (§ 15 Abs.2 AGG) in Betracht.

Worum ging es im Streitfall?

Die Klägerin ist bei einem Dialyseanbieter mit mehr als 5.000 Arbeitnehmern als Pflegekraft in Teilzeit (40 Prozent eines Vollzeitbeschäftigten) tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag (MTV) Anwendung. Nach § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV sind mit einem Zuschlag von 30 Prozent zuschlagspflichtig Überstunden, die über die monatliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus geleistet werden und im jeweiligen Kalendermonat nicht durch Freizeitgewährung ausgeglichen werden können. Alternativ zu einer Auszahlung des Zuschlags ist eine entsprechende Zeitgutschrift im Arbeitszeitkonto vorgesehen. Das Arbeitszeitkonto der Klägerin wies Ende März 2018 ein Arbeitszeitguthaben von 129 Stunden und 24 Minuten aus. Der Beklagte hat der Klägerin für diese Zeiten in Anwendung von § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV weder Überstundenzuschläge gezahlt, noch im Arbeitszeitkonto eine Zeitgutschrift vorgenommen.

Mit ihrer Klage fordert die Klägerin, ihrem Arbeitszeitkonto als Überstundenzuschläge weitere 38 Stunden und 39 Minuten gutzuschreiben, ferner die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe eines Vierteljahresverdienstes. Die Anwendung von § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV benachteilige sie wegen ihrer Teilzeit unzulässig gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten. Zugleich werde sie wegen ihres Geschlechts mittelbar benachteiligt, denn der Beklagte beschäftige überwiegend Frauen in Teilzeit.

Das Arbeitsgericht (ArbG Fulda, 09.11.2018 – 1 Ca 106/18)  hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das LAG Hessen (19.12.2019 – 5 Sa 436/19) hat der Klägerin die verlangte Zeitgutschrift zuerkannt und hinsichtlich der begehrten Entschädigung die Klageabweisung bestätigt. Das BAG hatte das Revisionsverfahren zunächst ausgesetzt und den EuGH um  Beantwortung von Rechtsfragen betreffend die Auslegung des Unionsrechts ersucht. Dies hat der EuGH getan (EuGH 29.7.2024 – C-184/22 und C-185/22) und entschieden, dass eine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten liegen sowie eine mittelbare Diskriminierung von Frauen vorliegen kann, wenn Überstundenzuschläge nur fällig werden, wenn die für Vollzeitbeschäftigte geltenden wöchentlichen Arbeitszeiten überschritten werden.

Wie hat das BAG entschieden?

Die Revision der Klägerin hatte jetzt teilweise Erfolg. Das BAG hat der Klägerin in Übereinstimmung mit dem LAG Hessen die verlangte Zeitgutschrift auf dem Arbeitskonto zugesprochen, ferner eine Entschädigung i.H.v. 250 Euro zuerkannt (§ 15 Abs. 2 AGG). Weiterlesen

Raus aus der Teilzeitfalle – geplante Einführung einer sog. Brückenteilzeit

Einer der ersten Referentenentwürfe der neuen Bundesregierung greift ein Thema der letzten Legislaturperiode auf, das 2017 nicht weiterverfolgt wurde: die Ergänzung des bestehenden Recht auf Teilzeit nach § 8 TzBfG um ein Rückkehrrecht auf den vorherigen Stundenumfang.

Im TzBfG soll neben dem bestehenden Anspruch auf zeitlich nicht begrenzte Teilzeitarbeit ein allgemeiner gesetzlicher Anspruch auf zeitlich begrenzte Teilzeitarbeit sog. Brückenteilzeit) neu eingeführt werden.

Wenn der Arbeitgeber mehr als 45 Arbeitnehmer/innen beschäftigt (im Vorgänger- Entwurf waren es noch 15 Arbeitnehmer) hat, sollen diese, wenn ihr Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat, verlangen können, dass ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit (Vollzeit- oder bereits Teilzeit) für einen im Voraus zu bestimmenden Zeitraum von einem Jahr bis zu fünf Jahren verringert wird.

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Rückkehrrecht auf Vollzeit, zweiter Anlauf im Rahmen der Koalitionsvereinbarungen?

Die Arbeitszeitflexibilität ist ein gesellschaftspolitischer Dauerbrenner, wie auch gerade die aktuellen Verhandlungen der IG Metall zeigen.

Bereits in der letzten Legislaturperiode wurde ein Gesetzesentwurf vorgestellt, der unter anderem das bestehende Recht auf Teilzeit nach § 8 TzBfG um ein Rückkehrrecht auf den vorherigen Stundenumfang ergänzen sollte, soweit der Arbeitgeber in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt.

Mitte des Jahres 2017 wurde jedoch bekannt gegeben, dass der Gesetzesentwurf nicht weiter verfolgt werde.

Teilzeitfalle

Vielleicht führen die aktuellen Koalitionsvereinbarungen dazu, das ganze nochmals auf den Prüfstand zu stellen. Die sog. Teilzeitfalle „Einmal Teilzeit – immer Teilzeit“ führt unbestritten zu negativen Auswirkungen bei der Gehaltsentwicklung, beruflicher Fortbildung und Karrieremöglichkeiten; vor allem sind Frauen davon betroffen, da sie sich häufig für eine Arbeitszeitreduzierung zugunsten der Familie entscheiden, auch wenn dies häufig nur vorübergehend geplant war.

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