Jetzt spricht Wirecard-Sonderprüfer Martin Wambach

Am 12. November 2021 hat das Handelsblatt den berühmten Wambach-Bericht veröffentlicht. Was ist das Besondere daran? Wenige Monate zuvor hatte der Bundesgerichtshof die Veröffentlichung dieses Berichtes noch untersagt (Az.: 1 BGs 340/21). Die Begründung? Der Untersuchungsausschuss von Wirecard war zu diesem Zeitpunkt bereits aufgelöst worden. Dies lag an der anstehenden Bundestagswahl im September.

Der Bericht war als geheim eingestuft worden, EY hatte sich zudem gegen die Veröffentlichung gewehrt. Nun wurden durch die Veröffentlichung Fakten geschaffen. Weiterlesen

Serie Bilanzskandale – Die kreative Interpretation von Markus Braun zum KPMG-Bericht

Das eine Aussage verschiedene Interpretationen zulässt, ist nichts Neues. Doch im Falle des KPMG-Berichtes von Wirecard hat Markus Braun sich im vergangenen Frühjahr doch sehr viel Kreativität erlaubt. Um es kurz auf den Punkt zu bringen. Nachdem der Bericht der Sonderuntersuchung von KPMG Ende April 2020 veröffentlicht wurde, stellt sich die entscheidende Frage, wie die Ergebnisse zu interpretieren waren. Dazu folgender, wenn auch sehr kurzer, Vergleich der Aussagen von KPMG und Brauns Interpretation:

KPMG: Aufgrund nicht vorgelegter Unterlagen und mangels ausreichender Nachweise konnte die Existenz des Geschäftes nicht nachgewiesen werden. Auch die Echtheit der Dokumente konnte nicht zweifelsfrei belegt werden.

Brauns Interpretation an den Kapitalmarkt: Weiterlesen

Lehren aus Wirecard – Warum der Aufsichtsrat ein eigenes Budget braucht

Bei dem am 20. Mai 2021 im Deutschen Bundestag beschlossenen Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität gibt es einige Änderungen, die den Aufsichtsrat betreffen. Die verpflichtende Einrichtung eines Prüfungsausschusses für Unternehmen von öffentlichem Interesse steht nunmehr im Gesetz. Ebenso müssen künftig mindestens jeweils eine Person über Expertise in der Rechnungslegung und der Abschlussprüfung verfügen. Diese Änderungen sind begrüßenswert.

Doch leider konnte sich der Antrag der FPD, der dem Aufsichtsrat ein eigenes Budget ermöglicht hätte, abgelehnt worden. Mit diesem Budget wäre der Aufsichtsrat in der Lage, selbst eine Sonderuntersuchung zu beauftragen und damit unabhängig vom Vorstand gewesen.

Ein Blick in die Historie von Wirecard

Warum ist dieser Aspekt so wichtig? Schauen wir dazu in die Historie von Wirecard: Weiterlesen

Untersuchungsausschuss Wirecard – der Abschlussbericht ist da

Nach neun Monaten Arbeit liegt er endlich vor: Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses. Auf ca. 2.000 Seiten werden die Erkenntnisse der letzten Monate zusammengefasst. Die Abgeordneten haben einen immensen Sitzungsmarathon hinter sich. Ich war nur in einigen Sitzungen dabei und habe es selbst erlebt: Wenn man bei Helligkeit aus dem Bundestag kommt, dann nur, weil es schon wieder hell wird. Doch oftmals fanden nach 1 Uhr morgens weniger Fragerunden statt, sodass die Sitzungen um spätestens drei oder vier Uhr morgens endeten. Schließlich ging es vor allem in den letzten Wochen direkt um 9 Uhr weiter mit der nächsten Sitzung.

Meine Befragung als Sachverständige

Der Untersuchungsbericht wurde am 22. Juni veröffentlicht. Mein erster Blick? Zuerst wollte ich wissen, welche meiner Aussagen der nicht-öffentlichen Sitzung vom 5. November 2020 in dem Bericht aufgetaucht sind, denn schließlich wurden wir als Sachverständige gebeten, uns über die Inhalte vor der Veröffentlichung des Berichtes nicht zu äußern. Es ist auch interessant, in der Rückbetrachtung noch einmal auf seine eigenen Aussagen zu schauen. Ich kann mich noch sehr gut an den Tag erinnern (erlebt man schließlich nicht ständig). Ich war an dem Tag um vier Uhr morgens aufgestanden, um ab 13.30 Uhr an der Sitzung im Bundestag teilzunehmen. Abends gegen 22 Uhr saß ich vor den Abgeordneten und beantwortete ihre Fragen. Weiterlesen

Wirecard – ein Jahr danach: Der erste Schritt des Transformationsprozesses hat begonnen

Es ist nun fast ein Jahr her: Der 18. Juni 2020. An diesem Tag sollte der testierte Geschäftsbericht von Wirecard für das Jahr 2019 kommen. Seither ist einiges passiert. Beim Sitzungsmarathon am 20. Mai 2021 im Plenum des Deutschen Bundestages wurde das erste Paket an Reformen beschlossen. Doch das ist nur ein erster Schritt. Ist nun alles gut? Nein. Die Reformen reichen sicherlich nicht aus. Es bleibt auch festzuhalten: Einen Kulturwandel kann man nicht gesetzlich verordnet werden. Daher schaue ich weiterhin kritisch darauf, was nun passieren wird.

Ein beeindruckender Moment im Bundestag

Am 20. Mai war nicht nur das FISG zur Abstimmung im Bundestag. Zuvor sollten zwei weitere Zeugen im Untersuchungsausschuss befragt werden. Gregor Fichtelberger von EY verweigerte die Aussage, Wulf Matthias war am Vortag wieder ausgeladen worden. Nach weniger als zwei Stunden war die Sitzung zu Ende. Bei Helligkeit aus dem Bundestag? Unvorstellbar. Zumindest war es in den letzten Monaten immer noch dunkel, wenn die Sitzungen in den frühen Morgenstunden endeten. Weiterlesen

Serie Bilanzskandale: Filmtipp „Wirecard – Die Milliarden-Lüge“

Eigentlich wollte ich etwas über den Indien-Deal von Wirecard schreiben. Doch seit Anfang Mai hat sich eine Frage geklärt, die ich mir schon lange gestellt hatte: Wer war der Whistleblower in Singapur? Die Antwort hat nicht nur die Presse, sondern auch die neue Doku „Wirecard – Die Milliarden-Lüge“ beantwortet: Pav Gill. Ein Jurist aus Singapur.

Ein weiteres Rätsel wird gelöst

Endlich hat der Whistleblower ein Gesicht. Und Pav Gill ist nicht der Einzige, der bei Wirecard den Eindruck hatte, dass nicht alles echt ist. Auch der Online-Kritiker „Jigajig“ berichtet aus seiner Perspektive, wie er nächtelang den Konzern Wirecard rekonstruiert, Fragen aufwirft. In seinem Bekanntenkreis stößt er eher auf Unverständnis. Auch bei ihm habe ich den Eindruck, dass diese jahrelange Arbeit große Spuren hinterlassen hat. Damals hielten viele derartige Manipulationen bei dem DAX-Liebling für unmöglich. Seit einem Jahr ist bekannt, dass auch DAX-Konzerne wegen Bilanzmanipulationen Insolvenz anmelden und ehemalige DAX-Vorstände sich auf der Flucht befinden können. Weiterlesen

Serie Bilanzskandale: Der Trick mit den Treuhandkonten bei Wirecard

1,9 Milliarden Euro – die Zahl des Jahres 2020. Sie geisterte durch die Medien. Diese Summe sollte auf Treuhandkonten von Wirecard auf den Philippinen liegen. Mittlerweile ist bekannt: Diese Summe war bei den betroffenen Banken gar nicht vorhanden.

Ich hatte über die entscheidende Befragung von EY im Untersuchungsausschuss und das Schreiben von EY aus dem Jahr 2016 berichtet (s.u.). Mittlerweile liegt dem Untersuchungsausschuss auch der Wambach-Bericht vor, der Versäumnisse bei EY sieht. Doch was ist eigentlich der Hintergrund der Geschichte? Schauen wir uns das Thema Treuhandkonten noch einmal genauer an. Weiterlesen

Film: „Wirecard: Der große Fake“ – Wir sind doch nicht bei Siemens

Eindrücke des ersten Films des großen Bilanzskandals

Der erste Film über die Geschichte von Wirecard. Kann er die Geschichte schon jetzt erzählen? Schließlich liegt der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses noch nicht vor. Ich habe mir den Film direkt am 31. März angeschaut, dem Tag, an dem er verfügbar war. Hat es sich gelohnt? Dazu einige Einblicke.

Der nahende Untergang von Wirecard

 Um es vorwegzunehmen: Für mich persönlich war die zweite Hälfte der deutlich spannendere Teil. Das lag sicherlich auch daran, dass die Szenen die letzten Wochen und Stunden von Wirecard vor dem 18. Juni 2020 darstellten. Die Reise der Prüfer auf die Philippinnen, um mit dem Treuhänder zu sprechen. Filmisch war dies sehr gut in Szene gesetzt. Es wirkte sehr skurril. Die Gespräche wurden zwar nur anhand der Interviews von den Drehbuchautoren nachempfunden, doch auch ohne Ton wäre man an dieser Stelle verwundert gewesen. Wenn ich nicht wüsste, dass dieser Film auf Basis einer wahren Geschichte basiert, hätte ich spätestens an der Stelle gedacht: Da hat sich jemand aber etwas ausgedacht, was sehr unrealistisch ist. Weiterlesen

Serie Bilanzskandale: Bilanzierung des Drittpartnergeschäfte bei Wirecard

Im März ist im Untersuchungsausschuss einiges passiert. Es wurden unter anderem die Prüfer von EY und der Chef-Buchhalter befragt. Eines der Themen war auch das Drittpartnergeschäft von Wirecard. Doch was hat es damit auf sich? Zu welchen Erkenntnissen kamen die Prüfer von KPMG? Nun aber der Reihe nach.

Bilanzierung des TPA-Geschäftes bei Wirecard

Wirecard hat die Umsatzerlöse mit den Drittpartnern (sog. TPA-Partner) brutto bilanziert. Warum eigentlich? Wirecard hat sich in der Transaktionskette der identifizieren Leistungsverpflichtungen als sog. Prinzipal eingeordnet. Dies geschah, obwohl Wirecard keine direkte vertragliche Beziehung mit dem jeweiligen Händler hatte. Gemäß IFRS 15 wird ein Unternehmen als Agent einer Transaktion eingeordnet, wenn es lediglich veranlasst, dass eine Drittpartei Waren oder Dienstleistungen bereitstellt.

Nun zurück zur Brutto-Bilanzierung der Umsatzerlöse mit den Drittpartnern: Weiterlesen

Untersuchungsausschuss Wirecard: Was ich als Bilanzexpertin aus den Sitzungen der letzten Woche mitnehme

Fehlende Lizenzen, Accounting-Grüßonkel und Verwunderung

Da ich die Flut an Nachfragen zu meiner Einschätzung und Beurteilung der Sitzungen des Untersuchungsausschusses in der letzten Woche nicht alle persönlich beantworten kann, fasse ich hier einige Erkenntnisse zusammen. Während ich dies schreibe, sitze ich im Zug nach Hause – ein fast 30 stündiger Sitzungsmarathon liegt hinter mir. Die Befragungen am Donnerstag dauerte bis 3.15 Uhr, um 9 Uhr ging es dann am Freitag weiter.

Der lange Weg zur Antwort…

Sitzungen von mehr als zehn Stunden bis in die frühen Morgenstunden. Das mag als Außenstehender endlos erscheinen. Doch beschäftigt mich der Fall Wirecard schon länger als seit dem 18. Juni 2020 – dem Tag, an dem die Bombe geplatzt ist. Ich habe Zahlen analysiert, Berechnungen durchgeführt und mich oft gefragt: Wie lange geht das noch gut? Weiterlesen