Warum die Mobilitätsprämie ins Leere laufen wird

Fernpendlern mit einem Arbeitsweg von mehr als 20 Kilometern, deren zu versteuerndes Einkommen innerhalb des Grundfreibetrags liegt (Geringverdiener), haben von der – geplanten – erhöhten Entfernungspauschale keinen Vorteil. Bei ihnen bringt ein höherer Werbungskosten- oder Betriebsausgabenabzug keine entsprechende steuerliche Entlastung. Daher soll ab dem 1.1.2021 für Geringverdiener die Möglichkeit geschaffen werden, alternativ zur erhöhten Entfernungspauschale von 35 Cent ab dem 21. Entfernungskilometer eine Mobilitätsprämie in Höhe von 14 Prozent dieser erhöhten Pauschale zu wählen (§§ 101 ff. EStG, „Gesetz zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht – Entwurf“).

Geplant ist derzeit Folgendes:

  • Die Mobilitätsprämie beträgt 14 Prozent der Bemessungsgrundlage. 14 Prozent entspricht dem Eingangssteuersatz im Einkommensteuertarif. Damit werden die Steuerpflichtigen, deren zu versteuerndes Einkommen unterhalb des Eingangssteuersatzes liegt, ebenfalls entlastet.
  • Die Mobilitätsprämie wird für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte oder Betriebsstätte sowie für eine Familienheimfahrt wöchentlich im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung gewährt.
  • Bemessungsgrundlage für die Mobilitätsprämie sind grundsätzlich die erhöhten Entfernungspauschalen von 35 Cent ab dem 21. Entfernungskilometer.
  • Ein Anspruch besteht nur, soweit das zu versteuernde Einkommen, welches sich unter Berücksichtigung der erhöhten Entfernungspauschalen ergibt, unterhalb des Grundfreibetrags nach § 32a EStG liegt. Bei zusammen veranlagten Ehegatten sind das gemeinsame zu versteuernde Einkommen und der doppelte Grundfreibetrag maßgebend. Die individuelle Antragsberechtigung der Mobilitätsprämie bleibt davon unberührt.
  • Bei Arbeitnehmern gilt dies infolge des Arbeitnehmer-Pauschbetrags nur, soweit durch die erhöhten Entfernungspauschalen von 35 Cent ab dem 21. Entfernungskilometer zusammen mit den übrigen Werbungskosten, die im Zusammenhang mit den Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit stehen, dieser Pauschbetrag überschritten wird.
  • Die Mobilitätsprämie wird auf Antrag gewährt. Der Anspruchsberechtigte hat den Antrag bis zum Ablauf des vierten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem nach § 103 die Mobilitätsprämie entsteht, zu stellen. Der Antrag ist nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck beim Finanzamt zu stellen.

Beispiel:

Arbeitnehmer A fährt an 150 Tagen zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte. Die einfache Entfernung beträgt 40 Kilometer. Seine übrigen Werbungskosten betragen 500 Euro. Sein zu versteuerndes Einkommen beträgt 7.000 Euro.

  • Die Entfernungspauschale für die ersten 20 Entfernungskilometer beträgt 900 Euro (150 Tage x 20 km x 0,30 Euro).
  • Die erhöhte Entfernungspauschale (ab dem 21. km), die der Arbeitnehmer beanspruchen könnte, beträgt 1.050 Euro (150 Tage x 20 km x 0,35 Euro).
  • Die Werbungskosten insgesamt betragen 500 Euro + 900 Euro + 1.050 Euro = 2.450 Euro.
  • Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 1.000 Euro wird somit um 1.450 Euro überschritten. Davon entfallen auf die erhöhte Entfernungspauschale 1.050 Euro.
  • Das zu versteuernde Einkommen in Höhe von 7.000 Euro unterschreitet den Grundfreibetrag. Die erhöhte Entfernungspauschale in Höhe von 1.050 Euro liegt innerhalb des Betrages, um den das zu versteuernde Einkommen den Grundfreibetrag unterschreitet und hat insoweit zu keiner steuerlichen Entlastung geführt.
  • Bemessungsgrundlage für die Mobilitätsprämie ist somit 1.050 Euro. Die Mobilitätsprämie beträgt 147 Euro (1.050 Euro x 14 Prozent).
  • Der Werbungskostenabzug beträgt in diesem Fall 1.400 Euro (500 Euro für sonstige Werbungskosten zzgl. 900 Euro Entfernungspauschale für die ersten 20 Kilometer).

Ganz unabhängig davon, dass die Berechnung „Otto Normalerverbraucher“ kaum verständlich zu erläutern ist, hat die Mobilitätsprämie einen gewaltigen Haken: Wenn der Antrag nicht bereits mit oder über die Steuererklärung erfolgt, ist eine Art Schattenveranlagung erforderlich. Letztlich ist also die Abgabe einer Steuererklärung erforderlich. Wer diese nicht selbst erstellen kann, nimmt die Dienste eines Steuerberaters oder Lohnsteuerhilfevereins in Anspruch. Dafür sind mindestens 60 Euro, im Schnitt wohl eher 80 Euro, aufzuwenden. Im obigen Beispiel bleiben dann von der Mobilitätsprämie in Höhe von 147 Euro nur noch 67 Euro übrig. Ich wage zu bezweifeln, dass dies die Akzeptanz der Mobilitätsprämie fördern wird.

Anders ausgedrückt: Die Prämie wird ins Leere laufen.

Lesen Sie in der NWB Datenbank hierzu auch:
Langenkämper, Entfernungspauschale, infoCenter
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3 Gedanken zu “Warum die Mobilitätsprämie ins Leere laufen wird

  1. Darüberhinaus darf bezweifelt werden das es sehr viele Steuerpflichtige gibt, welche arbeitstäglich 40 Kilometer zur Arbeit fahren und mit ihrem zu versteuernden Einkommen unterhalb des Grundfreibetrages liegen.

    • @Andreas Giebel: es ist hier ja nicht nur auf das Arbeitseinkommen abzustellen. So kann z.B. das Einkommen aufgrund von hohen Verlusten im Bereich der Vermietung oder gewerbl. Einkünften unter den Grundfreibetrag rutschen.

  2. Ich gehe davon aus, dass der einzige Zweck der Mobilitätsprämie die verfassungsrechtliche Absicherung der erhöhten Entfernungspauschale ist. Eine Förderung von Geringverdienern wird damit gar nicht beabsichtigt sein.

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