Wirtschaftsprüfer vor Gericht

Einige Jahre nach der Schlecker-Pleite kocht der Fall nun wieder hoch.  Wie in der Presse berichtet wird, soll die Staatanwaltschaft Anklage gegen Mitglieder der Eigentümerfamilie erhoben haben. Das ist im Nachgang einer Insolvenz sicher kein Einzelfall und es bleibt abzuwarten, wie das Gericht den unter anderem vorgeworfenen Entzug von Vermögenswerten würdigen wird. Interessant ist die berichtete Anklage gegen Wirtschaftsprüfer, die als Abschlussprüfer tätig gewesen sein sollen. Über den konkreten Inhalt der Vorwürfe wurde in der Presse bisher wenig berichtet: „Sie sollen Bilanzen für 2009 und 2010 testiert haben, obwohl sie erkannt hätten, dass Schlecker diese manipuliert habe“ (spiegelonline v. 14.4.2016). Nachfolgend soll nicht auf den konkreten Fall eingegangen, sondern auf Probleme des Abschlussprüfers in Krisensituationen des Mandanten hingewiesen werden.

Vorneweg ist hervorzuheben, dass der Abschlussprüfer mit seinem Testat keine Aussage zur Überlebensfähigkeit abgibt. Die gesetzliche Abschlussprüfung ist eine Ordnungsmäßigkeitsprüfung im Hinblick auf die Einhaltung insbesondere der gesetzlichen Vorschriften zur Rechnungslegung. Wird der Abschluss eines insolvenzbedrohten Unternehmens zutreffend unter Aufgabe der Fortführungsannahme erstellt, ist insoweit ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk zu erteilen. Dabei erfolgt ein Hinweis auf den Sachverhalt im Bestätigungsvermerk.

Dennoch muss sich der Abschlussprüfer mit der Fortführbarkeit des Unternehmens auseinandersetzen, etwa weil er einerseits zur Beurteilung der Fortführungsprognose der gesetzlichen Vertreter des Mandantenunternehmens im Prüfungsbericht aufgefordert ist und auf der anderen Seite die Aufrechterhaltung oder Aufgabe der Fortführungsprognose nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB entscheidende Bedeutung für die Bilanzierung und Lageberichterstattung hat.

Bei Aufgabe der Fortführungsannahme kann beispielsweise die Abwertung des Anlagevermögens auf Liquidationswerte bzw. die Passivierung von Rückstellungen für Abfindungsverpflichtungen oder Kosten der Aufgabe des Unternehmens erforderlich werden. Im Anhang ist über geänderte Bewertungsgrundlagen zu berichten und im Lagebericht ausführlich auf die Situation einzugehen. Schon früher kann im Lagebericht über bestandsgefährdende Risiken zu berichten sein. Die Entscheidung über die Aufgabe oder Aufrechterhaltung der Fortführungsannahme trifft die Geschäftsführung des Mandanten. Kann der Abschlussprüfer die Aufrechterhaltung nicht mittragen, muss er nach den Berufsgrundsätzen einen Versagungsvermerk statt eines Bestätigungsvermerks erteilen.

Die Abschlussprüfung folgt seit vielen Jahren einem an die Geschäftsrisiken orientierten Prüfungsansatz. Bereits bei der Prüfungsplanung setzt sich der Prüfer mit der Frage der Unternehmensfortführung auseinander und bei der Erhebung von Informationen zur Geschäftstätigkeit, zum rechtlichen und wirtschaftlichen Umfeld des Unternehmens sind bestandsgefährdende Risiken im Blick zu behalten. Ergeben sich dabei oder bei den weiteren Prüfungshandlungen Indizien für eine Bestandsgefährdung des Unternehmens, wird regelmäßig auch von einem erhöhten Risiko für vorsätzliche Falschdarstellungen in Abschluss und Lagebericht auszugehen sein. In jedem Fall werden in erheblichem Umfang zusätzliche Prüfungshandlungen erforderlich, um zu einem hinreichend sicheren Prüfungsergebnis zu gelangen.

Bei der Informationsgewinnung und der meist unvermeidbaren Ausübung des professional judgement handelt es sich um eine für den Wirtschaftsprüfer sehr anspruchsvolle Aufgabe, die mit erheblichen Risiken verbunden ist. In der Praxis wird daher die eigenverantwortliche Entscheidung der den Bestätigungs- oder Versagungsvermerk zeichnenden Prüfer häufig durch eine zentrale Fachabteilung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft unterstützt. Dabei ist allen Beteiligten klar, dass die Aufgabe der Fortführungsannahme, ein Versagungsvermerk oder auch nur die Lageberichterstattung über bestandsgefährdende Risiken im Sinne einer self-fulfilling prophecy wirken und das Ende für das Unternehmen bedeuten kann. Das macht den Umgang mit der Problematik nicht leichter.

Trotz der Probleme muss der Prüfer sich von etwaigem Mitgefühl freimachen, denn er wird im öffentlichen Interesse tätig. Eine gründliche Dokumentation von Prüfungshandlungen und Prüfungsergebnissen, der Entscheidung und ihrer Begründung ist im Hinblick auf spätere Rechtsfolgen geboten. Kann man im Fall einer dann doch eingetretenen Insolvenz die Vertretbarkeit der Entscheidung rechtfertigen, ist dies eine gute Basis, um den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Kann die Vertretbarkeit der Entscheidung nicht begründet werden, drohen berufsrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen. Daneben ist auch die Frage der Haftung im Blickpunkt. Der Insolvenzverwalter lässt sich hier die Möglichkeit die Masse im Sinne der Gläubiger anzureichern sicher nicht entgehen. War das Handeln des gesetzlichen Abschlussprüfers nicht nur fahrlässig, droht der Wegfall der gesetzlichen Haftungsbegrenzung des § 323 Abs. 2 HGB und damit die unbegrenzte Haftung. In der Praxis kommt es dann aber eher zu einer Verhandlungslösung als zu einem Rechtsstreit.

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2 Gedanken zu “Wirtschaftsprüfer vor Gericht

  1. Soweit mir bekannt ist war das Unternehmen von Herrn Anton Schlecker eine Einzelfirma.
    Sodass insoweit handelsrechtlich kein Lagebericht, aber auch kein Anhang erforderlich sind.

    • Danke für den Kommentar! Für den Einzelkaufmann ist Ihre Aussage zutreffend. Im Blog wurde jedoch vom Einzelfall „Schlecker“ abstrahiert: „Nachfolgend soll nicht auf den konkreten Fall eingegangen, sondern auf Probleme des Abschlussprüfers in Krisensituationen des Mandanten hingewiesen werden.“ Um eine allgemeine Leitlinie aufzuzeigen, ist die Beschäftigung mit weiteren Berichtsinstrumenten, also auch Anhang und Lagebericht, erforderlich.

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