Zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Arbeitgeberleistungen – BMF widerspricht dem BFH!

In einem brandaktuellen Anwendungsschreiben tritt das BMF (Schreiben v. 5.2.2020 – IV C 5 – S 2334/19/10017 :002) der neuen BFH-Rechtsprechung   zum sog. Zusätzlichkeitserfordernis bei Arbeitgeberleistungen entgegen (Urteile v. 1.8.2019 – VI R 32/18, VI R 21/17 (NV) und VI R 40/17 (NV)). Schwingt sich das BMF zum Ersatzgesetzgeber auf?

Hintergrund

Ob Erholungsbeihilfen oder die Überlassung von Telekommunikationsgeräten durch den Arbeitgeber: Die Gewährung von Zusatzleistungen und Umwandlung von Gehaltsteilen oder Lohnformwechsel sind im Arbeitsleben weit verbreitet. Besonders attraktiv ist das, wenn der Arbeitgeber hierbei Steuervergünstigungen nutzen kann, weil dann beim Arbeitnehmer „mehr ankommt“.

Mit seinen arbeitnehmerfreundlichen Urteilen vom August 2019 hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung zu der in verschiedenen Steuerbefreiungs- und Pauschalbesteuerungsvorschriften oder anderen steuerbegünstigenden Regelungen im EStG enthaltenen Tatbestandsvoraussetzung geändert. Danach hängt die jeweilige Steuervergünstigung davon ab, dass eine bestimmte Arbeitgeberleistung „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ erbracht werden muss (sog. Zusätzlichkeitsvoraussetzung). Entgegen seiner früheren Rechtsprechung kommt es dem BFH zufolge jetzt nicht mehr darauf an, ob der zusätzliche Arbeitslohn vom Arbeitgeber arbeitsrechtlich geschuldet wird oder nicht (BFH v. 19.9.2012 – VI R 54/11und VI R 55/11).

Das betrifft weiter Bereiche von einkommensteuerlichen Begünstigungsregeln im EStG, etwa:

  • 3 Nr. 15, 33, 34, 34a, 37, 46,
  • 37b Abs. 2,
  • 40 Abs. 2 S.1 Nr. 5 und 6,
  • 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 und § 8 Abs. 2 S.11 zweiter Halbsatz,
  • 40 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 b,
  • 100 Abs. 3 Nr. 2.

BMF widerspricht dem BFH

Man hat sich ja schon daran gewöhnt, dass das BMF nachträglich BFH-Urteilen entgegentritt, die dem Fiskus nicht „schmecken“ und deshalb über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anwendbar sein sollen. Das gilt jetzt nach dem brandaktuellen BMF-Schreiben auch für das „Zusätzlichkeitserfordernis“:

Danach gilt nach BMF-Sicht bei der Tatbestandsvoraussetzung „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ im Vorgriff auf eine entsprechende Gesetzesänderung abweichend von der neuen BFH-Rechtsprechung und über den Einzelfall hinaus zur Gewährleistung der Kontinuität der Rechtsanwendung weiterhin Folgendes:

Im Sinne des EStG werden Leistungen des Arbeitgebers oder auf seine Veranlassung eines Dritten (Sachbezüge oder Zuschüsse) für eine Beschäftigung nur dann „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ erbracht, wenn

  • die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
  • der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,
  • die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und
  • bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht wird. Dies gilt im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung unabhängig davon, ob der Arbeitslohn tarifgebunden ist.

Fazit

Es sind also nach Ansicht des BMF im gesamten Lohn- und Einkommensteuerrecht nur “echte Zusatzleistungen“ des Arbeitgebers steuerbegünstigt. Diese Ansicht hatte die Finanzverwaltung schon vor Erlass der BFH-Urteile vom August 2019 vertreten (R 3.33 Abs. 5 Satz 2 LStR; BMF, Schreiben v. 22.5.2013).

Bewertung

Mit dem neuen BMF-Schreiben stellt die Finanzverwaltung die jüngste BFH-Rechtsprechung auf den Kopf. Das BMF versucht hiermit dem Gesetzgeber vorzugreifen. Das BMF hat bekanntlich bereits im Gesetzentwurf zur Einführung einer Grundrente versucht, das EStG in gleichem Sinne wie im jetzigen BMF-Schreiben fixiert zu ändern: Was im Gesetzgebungswege nicht funktioniert hat, soll eben im Verwaltungsweg korrigiert werden.

Allerdings: Das neue BMF-Schreiben bindet nur die Finanzverwaltung, nicht den Steuerbürger und erst recht nicht die Finanzgerichte mit dem BFH an der Spitze. Dass dieser sich vom BMF „bevormunden“ lässt, ist kaum zu erwarten – eher das Gegenteil dürfte der Fall sein.

Sollte also die Finanzverwaltung bei „Zusatzleistungen“ die Anerkennung der Steuerprivilegierung versagen, sollten sich Steuerpflichtige mutig auf die jüngste BFH-Rechtsprechung vom August 2019 berufen. Etwas anderes gilt erst dann, wenn der Gesetzgeber selbst das Steuerprivileg bei Zusatzleistungen des Arbeitgebers kassiert.

Weitere Informationen:

 

3 Gedanken zu “Zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Arbeitgeberleistungen – BMF widerspricht dem BFH!

  1. Das BMF nimmt in seinem Schreiben vom 05.02.2020 die Änderung des § 8 EStG im Gesetz zur Einführung einer Grundrente schon vorweg. Durch wenn diese Ergänzung in ein „artfremdes“ Gesetz kamm, muss wohl nicht mehr spekuliert werden.

    Tatsächlich steckt im Gesetzentwurf zur Einführung der Grundrente noch eine zusätzliche „Gemeinheit“.

    § 8 Abs. 4 soll danach wie folgt lauten:

    „Im Sinne dieses Gesetzes werden Leistungen des Arbeitgebers (Sachbezüge oder Zuschüsse) für eine Beschäftigung nur dann zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht, wenn

    1.der Wert der Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,

    2.der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt oder

    3.die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer Erhöhung des Arbeitslohns gewährt wird.“

    In Nr. 3 steckt die „Gemeinheit“. Eigentlich wäre danach jede nicht von Beginn an vereinbarte zusätzliche Leistung eine Erhöhung des Arbeitslohns. Wer also einen Arbeitsvertrag von z.B. 2010 hat, kann in 2020 kein Fahrrad von seinem Arbeitgeber steuerfrei bekommen. Dies wäre ja eine Erhöhung des Arbeitslohns um den geldwerten Vorteil der Nutzung des Fahrrads.

    Auf dieses Problem weißt zum Beispiel der Bund der Steuerzahler hier hin:

    https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Gesetze/Stellungnahmen/grundrente-bdst.pdf;jsessionid=49A421EF0806C8575521EE04B26E5609?__blob=publicationFile&v=1

    • Hallo Herr Giebel
      Ich sehe das genauso. Das kann und darf so nicht im Gesetz zur Grundrente ‚versteckt bleiben‘. Bin gespannt, was da in der nächsten Woche am 19.2. in den Bundestag wandert; für diese Woche wurde das Thema Grundrente ja wieder kurzfristig abgeblasen..,

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