Verfassungsbeschwerde gegen das Landesgrundsteuergesetz Baden-Württemberg (LGrStG BW) ist zum jetzigen Zeitpunkt unzulässig

Noch bevor es zu ersten Wertfeststellungen oder gar Zahlungen gekommen ist, wurde eine Musterklage vor dem Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg gegen das LGrStG BW erhoben. Möglich sollte die direkte Klage vor dem Verfassungsgerichtshof deshalb sein, weil seit 2013 jeder Bürger, der sich durch ein Landesgesetz in seinen Rechten verletzt sieht, beim Verfassungsgerichtshof klagen könne, ohne vorher den Instanzenweg zu beschreiten.

Im Beschluss vom 30.4.2021 ist der Verfassungsgerichtshof dieser Auffassung nicht gefolgt und hat die Klage aus folgenden Gründen als unzulässig abgewiesen:

Fehlende Beschwer

Eine Verfassungsbeschwerde, die sich unmittelbar gegen ein Gesetz richtet, setzt voraus, dass die Beschwerdeführer durch die angegriffenen Normen selbst, gegenwärtig und unmittelbar in ihren Grundrechten betroffen sind. Dies ist vorliegend nicht der Fall, weil sich die Beschwer der Kläger erst ergibt, wenn ein Grundsteuerbescheid vorliegt, dies ist aber erst mit in Kraft treten des LGrStG BW der Fall.

Keine Rechtswegerschöpfung

Der Verwaltungsgerichtshof stellt fest, dass zunächst der Instanzenweg zu beschreiten ist, da die aufgeworfenen Sach- und Rechtsfragen zunächst von der Fachinstanz (Finanzgerichte) zu klären ist Von diesem Erfordernis kann der Verfassungsgerichtshof ausnahmsweise absehen, wenn die Verfassungsbeschwerde von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn den Beschwerdeführern ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls sie zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würden. Darüber hinaus ist das vorherige gerichtliche Vorgehen gegen einen Vollzugsakt nicht geboten, wenn dies für die Beschwerdeführer aus sonstigen Gründen unzumutbar ist, insbesondere, wenn dies offensichtlich aussichtslos erscheint. Diese Gründe liegen hier nicht vor, so dass die Klage als unzulässig abzuweisen war.

Aufgrund der Unzulässigkeit der Klage brauchte sich der Verfassungsgerichtshof mit den in der Klage aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen nicht auseinanderzusetzen.

Die Kläger stützten sich auf ein Gutachten von Prof. Gregor Kirchhof, der das LGrStG BW aus folgenden Überlegungen heraus für verfassungswidrig hält:

Lenkungsfunktion

Beim LGrStG BW werden unbebaute Wohngrundstücke höher besteuert als bebaute. Die Grundstückseigentümer sollen dadurch zu einer Bebauung veranlasst werden. Selbst wenn eine Bebauung nicht möglich ist, muss eine höhere Grundsteuer entrichtet werden, obwohl keine Möglichkeit besteht, sich entsprechend dem Lenkungsziel zu verhalten.

Gegen diese Auffassung spricht, dass der Eigentümer, anders als bei einer selbst genutzten Wohnimmobilie, das unbebaute Grundstück jederzeit verkaufen kann. Die Gemeinden müssen auch für die bisher unbebauten baureifen Grundstücke und ihre potentiellen Bewohner die kommunale Infrastruktur bereits heute bereitstellen, weil diese Grundstücke jederzeit bebaut werden könnten. Die Kosten für die Erhaltung dieser Infrastruktur müssten dann vor allem die anderen Grundstückseigentümer tragen, insofern bestehen sachliche Gründe, solche Grundstücke höher zu besteuern.

Fehlende Öffnungsklausel eines niedrigeren gemeinen Wertes

Kirchhof kritisiert, dass die festgestellten Bodenrichtwerte häufig ungenau seien und es keine Möglichkeit zum Beweis eines niedrigeren gemeinen Wertes gibt. Tatsächlich sind Fälle denkbar, dass sich in einer Richtwertzone Grundstücke befinden, die wegen ihres Grundstückszuschnitts oder ihrer Größe überhaupt nicht bebaubar sind, das Richtwertgrundstück aber von einer Bebauung ausgeht. In diesen Fällen könnte tatsächlich der Gleichheitssatz des Art. 3 GG verletzt sein.

III. Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip

Nach dem Äquivalenzprinzip sollen Steuerpflichtige entsprechend dem Vorteil, den sie durch eine staatliche Leistung erhalten, zur Finanzierung dieser Leistung herangezogen werden. Dieses Prinzip soll verletzt sein, weil die kommunale Infrastruktur darauf ausgerichtet sei, in welchem Maße ein Grundstück bebaut ist. Dagegen soll nach Auffassung von Kirchhof das Flächenmodell nicht gegen das Äquivalenzprinzip verstoßen. Warum die Bodenwertsteuer gegen das Äquivalenzprinzip verstoßen soll, bleibt dabei unklar.

Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips

Das LGrStG BW soll auch das Leistungsfähigkeitsprinzip verletzen, weil Gebäude bei der Bewertung nicht berücksichtigt werden. Dieser Einwand müsste dann aber in gleicher Weise für das von Kirchhof präferierte Flächenmodell gelten.

Weitergehende Ausführungen zu den verfassungsrechtlichen Aspekten des LGrStG finden sich in der Online Ausgabe des NWB Kommentars von Grootens, GrStG.


Ist das Landesgrundsteuergesetz Baden-Württemberg (LGrStG BW) verfassungswidrig?

Noch bevor es zu ersten Wertfeststellungen oder gar Zahlungen gekommen ist, unterstützt der Bund der Steuerzahler Baden-Württemberg eine Musterklage vor dem Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg gegen das LGrStG BW. Möglich soll die direkte Klage vor dem Verfassungsgerichtshof deshalb sein, weil seit 2013 jeder Bürger, der sich durch ein Landesgesetz in seinen Rechten verletzt sieht, beim Verfassungsgerichtshof klagen könne, ohne vorher den Instanzenweg zu beschreiten.

Die Kläger stützen sich auf ein Gutachten von Prof. Gregor Kirchhof, der das LGrStG BW aus folgenden Überlegungen heraus für verfassungswidrig hält:

Lenkungsfunktion

Beim LGrStG BW werden unbebaute Wohngrundstücke höher besteuert als bebaute. Die Grundstückseigentümer sollen dadurch zu einer Bebauung veranlasst werden. Selbst wenn eine Bebauung nicht möglich ist, muss eine höhere Grundsteuer entrichtet werden, obwohl keine Möglichkeit besteht, sich entsprechend dem Lenkungsziel zu verhalten. In diesen Fällen sei die Bodenwertsteuer ein ungeeignetes und damit unverhältnismäßiges Steuerungsmittel.

Gegen diese Auffassung spricht, dass der Eigentümer, anders als bei einer selbst genutzten Wohnimmobilie, das unbebaute Grundstück jederzeit verkaufen kann. Die Gemeinden müssen auch für die bisher unbebauten baureifen Grundstücke und ihre potentiellen Bewohner die kommunale Infrastruktur bereits heute bereitstellen, weil ja diese Grundstücke jederzeit bebaut werden könnten. Die Kosten für die Erhaltung dieser Infrastruktur müssten dann vor allem die anderen Grundstückseigentümer durch höhere Grundsteuern aufbringen und der Gemeinde gehen ggf. Zuweisungen verloren, die an die Einwohnerzahl gekoppelt sind. Insofern bestehen sachliche Gründe, solche Grundstücke höher zu besteuern. Weiterlesen