Doppelte Haushaltsführung: Wichtige Abgrenzung zwischen Ein-Personen- und Mehrgenerationenhaushalt

Wenn Berufstätige weit entfernt von ihrem Lebensmittelpunkt arbeiten und dort eine Wohnung nutzen, dürfen sie die Kosten einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten abziehen. Die Betonung liegt aber auf dem Wort „doppelte“, denn schon rein begrifflich setzt der Abzug das Vorliegen eines zweiten Hausstandes voraus. Und hier wiederum verlangt die Finanzverwaltung – im Hinblick auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG – auch noch eine ausreichende finanzielle Beteiligung an den Kosten daheim. Da kann es insbesondere bei Ledigen zu Streitigkeiten mit dem Finanzamt kommen.

Bemerkenswerte Entscheidung des BFH

Nun aber hat der BFH eine bemerkenswerte Entscheidung getroffen: Führt der Steuerpflichtige im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung am Ort des Lebensmittelpunkts einen Ein-Personen-Haushalt, stellt sich die Frage nach der finanziellen Beteiligung an den Kosten der Lebensführung im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG nicht. Er grenzt damit Fälle von „echten“ Ein-Personen-Haushalten strikt von Fällen so genannter Mehrgenerationenhaushalte ab (BFH-Urteil vom 29.4.2025, VI R 12/23). Doch der Reihe nach.

Der Sachverhalt – Kosten der doppelten Haushaltsführung vom Finanzamt und FG abgelehnt

Der in 1986 geborene ledige Kläger hat nach abgeschlossener Ausbildung die Fachhochschulreife nachgeholt und anschließend studiert. Während des Studiums (Streitjahre 2014 bis 2018) bezog er zunächst ein geringes Gehalt als Werkstudent bzw. als studentische Hilfskraft sowie später ein etwas höheres Gehalt als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Zudem erhielt er in den Jahren 2014 bis 2017 BAföG. Auswärts bewohnte er Studentenwohnungen bzw. Zimmer in Studentenwohnheimen. Außerdem behielt er seinen Wohnsitz im Haus seiner Eltern bei. Seine dortigen Räumlichkeiten umfassten eine eigene Küche und ein eigenes Bad. Der Kläger trug vor, er habe zuhause Aufgaben wie zum Beispiel Garten-, Renovierungs- und Umbauarbeiten übernommen. Auch habe er im Rahmen seiner eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten einen Geldbetrag zur gemeinsamen Lebensführung beigetragen. Finanzamt und FG lehnten den Abzug der Kosten der doppelten Haushaltsführung – insbesondere wegen der geringen finanziellen Beteiligung – dennoch ab. Doch der BFH ist dem nun entgegengetreten.

BFH sieht dies anders – Begründung:

Kosten der doppelten Haushaltsführung sind grundsätzlich anzuerkennen, wenn ein Steuerpflichtiger neben seinem Wohnsitz am Tätigkeitsort eine eigene Wohnung in der Heimat inne hat. Der Steuerpflichtige hat eine Wohnung auch dann inne, wenn sie ihm beispielsweise von den Eltern unentgeltlich überlassen wird. Entscheidend ist, dass sich hier nach wie vor sein Lebensmittelpunkt befindet und sich dieser nicht an den Tätigkeitsort verlagert hat. Wird der Haushalt in einer in sich abgeschlossenen Wohnung geführt, die auch nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet, wird regelmäßig vom Unterhalten eines eigenen Hausstands auszugehen sein.

Das Vorliegen eines eigenen Hausstands erfordert des Weiteren eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung. Bedeutung kommt dem jedoch nur zu, soweit der Steuerpflichtige am Lebensmittelpunkt einem Mehrpersonenhaushalt angehört. Dies folgt schon aus dem Tatbestandsmerkmal „Beteiligung“. Nur wenn mehrere Personen einen gemeinsamen Haushalt führen, kann sich der Einzelne an den Kosten dieses Haushalts und damit den Kosten der Lebensführung „beteiligen“. Führt der Steuerpflichtige dagegen einen Ein-Personen-Haushalt, stellt sich die Frage nach der finanziellen Beteiligung an den Kosten dieses Haushalts nicht. Denn die Kosten der Lebens-führung eines Ein-Personen-Haushalts werden denknotwendig von dieser einen Person getragen. Woher die hierfür erforderlichen Mittel stammen – ob aus eigenen Einkünften, staatlichen Transferleistungen, Darlehen, Unterhaltsleistungen oder familiären Geldgeschenken – ist insoweit unerheblich.

Denkanstoß:

Zunächst möchte ich dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten ein Kompliment aussprechen. Sie haben die Revision – wenn ich es richtig sehe – erst per Nichtzulassungsbeschwerde erreicht. Und dann haben sie den BFH auch noch materiell-rechtlich überzeugt. Das gelingt nicht allzu oft.

Nun aber zurück zu dem Urteil: Nicht geändert hat der BFH seine Auffassung zu jüngeren berufstätigen Kindern, die während der Ausbildung oder nach Beendigung der Ausbildung weiterhin im elterlichen Haushalt ein Zimmer bewohnen. Hier sei anzunehmen, dass sie einen eigenen Hausstand nicht unterhalten, auch wenn sie sich an den Kosten beteiligen. Sie seien im Allgemeinen in den Haushalt der Eltern eingegliedert. Folge: Mangels eines zweiten Haushalts können schon begrifflich keine Kosten der doppelten Haushaltsführung vorliegen.

Und nicht geändert hat der BFH seine Auffassung zu Mehrgenerationenhaushalten. In diesem Fall kommt dem  Tatbestandsmerkmal der finanziellen Beteiligung an den Kosten der Lebensführung weiterhin Bedeutung zu. Die finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung darf nicht erkennbar unzureichend sein. Ob dies der Fall ist, bedarf einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls (BFH-Urteil vom 12.1.2023, VI R 39/19, BStBl 2023 II S. 747). Die Zehn-Prozent-Grenze der Finanzverwaltung (vgl. BMF-Schreiben vom 25.11.2020, BStBl 2020 I S. 1228, Rz. 101) hatte der BFH dabei verworfen.

Ein Beitrag von:

  • Christian Herold

    • Steuerberater in Herten/Westf. (www.herold-steuerrat.de)
    • Autor zahlreicher Fachbeiträge
    • Mitglied im Steuerrechtsausschuss des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe

    Warum blogge ich hier?
    Als verantwortlicher Redakteur und Programmleiter zahlreicher Steuerfachzeitschriften, meiner früheren Tätigkeit in der Finanzverwaltung und meiner über 25-jährigen Arbeit als Steuerberater lerne ich das Steuerrecht sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht kennen. Es reizt mich, die Erfahrungen, die sich aus dieser Kombination ergeben, mit den Nutzern des Blogs zu teilen und freue mich auf viele Rückmeldungen.

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