Aufreger des Monats Februar: Gesetzgeber hebelt positives „Lebensversicherungs-Urteil“ rückwirkend aus

Die Kapitalauszahlung aus alten Lebensversicherungsverträgen mit Vertragsabschluss vor 2005 ist in den meisten Fällen steuerfrei. Dies gilt nicht nur für Kapitallebensversicherungen, sondern auch für Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht. Wird bei Fälligkeit das Kapitalwahlrecht ausgeübt, sind die in der Einmalzahlung enthaltenen Zinsen steuerfreie Kapitalerträge. Wird hingegen das Kapitalwahlrecht nicht ausgeübt, sondern die Rentenzahlung gewünscht, sind diese Renten – nach dem Willen der Finanzverwaltung – allerdings mit dem Ertragsanteil nach § 22 EStG steuerpflichtig (BMF-Schreiben vom 1.10.2009, BStBl 2009 I S. 1172 Rz. 19).

Im Jahre 2021 hat der Bundesfinanzhof die Ertragsanteilsbesteuerung jedoch verworfen und zugunsten der Versicherten entschieden: Rentenzahlungen, die auf einem begünstigten Versicherungsvertrag i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004 beruhen, sind insgesamt den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2004 zuzuordnen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 steuerfrei, soweit die Summe der ausgezahlten Rentenbeträge das in der Ansparzeit angesammelte Kapitalguthaben einschließlich der Überschussanteile nicht übersteigt (BFH-Urteil vom 1.7.2021, VIII R 4/18).

Das Urteil war eine kleine Sensation

Viele tausend Steuerzahler hätten von dem Urteil profitieren können. Sie lesen richtig: „hätten“. Weiterlesen

Sonderabschreibung nach § 7b EStG nicht für reine Ersatzneubauten

Fällt der Abriss eines vermieteten Einfamilienhauses mit anschließendem Neubau eines Einfamilienhauses in den Anwendungsbereich der Sonderabschreibung für den Mietwohnungsneubau nach § 7b EStG? Mit dieser Frage wird sich bald der BFH befassen müssen. Vorausgegangen ist ein – für die Steuerpflichtigen – negatives Urteil des FG Köln vom 12.9.2024 (1 K 2206/21; Revision unter X R 24/24).

Hintergrund:

Mit dem „Gesetz zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsneubaus“ wurde zur Ankurbelung der Investitionstätigkeit in neue Mietwohnungen eine befristete Sonderabschreibung nach § 7b EStG eingeführt. Mit dem „Wachstumschancengesetz“ wurden die Förderbedingungen etwas verbessert. Die Regelung ermöglicht für vier Jahre eine Abschreibung in Höhe von 5 Prozent der Baukosten, wenn durch Baumaßnahmen neue, bisher nicht vorhandene Wohnungen hergestellt werden und diese im Anschluss für mindestens zehn Jahre vermietet werden. Diese Sonderabschreibung kann zusätzlich zur regulären Abschreibung nach § 7 Abs. 4 EStG steuermindernd berücksichtigt werden. Dabei sind verschiedene Anwendungszeitpunkte zu beachten. Weiterlesen

Umsatzsteuerfreiheit von Bildungsleistungen: Bescheinigungen weiter gültig

Die Steuerfreiheit von Bildungsleistungen wurde mit dem Jahressteuergesetz 2024 neu regelt. Unter anderem wurde der Umfang der begünstigten Leistungen in § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG von „Leistungen, die auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten“ auf „Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung“ ausgedehnt. Das ist zwar positiv zu werten, doch es bedarf dafür eigentlich neuer Bescheinigungen der zuständigen Landesbehörden.

Das heißt: Die Steuerbefreiung in § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG von durch Einrichtungen erbrachte Leistungen sieht weiterhin eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde vor – und diese Bescheinigungen müssen an sich den „richtigen“ bzw. den „konkreten“ Wortlaut haben.

Nun hat das Bayerische Landesamt für Steuern – offenbar im Vorgriff auf ein BMF-Schreiben – jedoch verfügt, dass die bisherigen Bescheinigungen grundsätzlich ihre Wirksamkeit behalten (Erlass vom 17.1.2025, S 7179.1.1-21/4 St33).   Weiterlesen

Mitgliedsbeitrag für Fitnessstudio gehört nicht zu den außergewöhnlichen Belastungen

Im Rahmen dieses Expertenblogs hatte ich bereits mehrfach darauf hingewiesen – und auch kritisiert -, dass die Rechtsprechung des BFH zum Vorliegen bzw. zum Abzug von außergewöhnlichen Belastungen sehr restriktiv ist. Ob rein immaterielle (“psychische”) Schäden, Prozesskosten, Schäden, die nur mangels Versicherung zu tragen sind oder Kosten im Zusammenhang mit behördlichen Auflagen – immer wird ein Grund gefunden, warum nun gerade diese „Kostenart“ nicht zwangsläufig oder außergewöhnlich im Sinne des § 33 EStG ist.

Soeben hat der BFH entschieden, dass Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio auch dann nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar sind, wenn die Teilnahme an einem dort angebotenen, ärztlich verordneten Funktionstraining die Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio voraussetzt (BFH-Urteil vom 21.11.2024, VI R 1/23). Weiterlesen

Altersteilzeit: Erfreuliches BFH-Urteil zur Steuerfreiheit von Aufstockungsbeträgen

Aufstockungsbeträge, die ein Arbeitgeber an Arbeitnehmer in Altersteilzeit zahlt, sind nach § 3 Nr. 28 unter den entsprechenden Voraussetzungen steuerfrei und unterliegen lediglich dem Progressionsvorbehalt. Aber steht es der Steuerfreiheit des Aufstockungsbetrags entgegen, wenn sich der Steuerpflichtige bei dessen Zufluss nicht mehr in Altersteilzeit befindet?

Der BFH hat diesbezüglich entschieden: Wird das Entgelt für die Altersteilzeitarbeit aufgestockt, ist der Aufstockungsbetrags nach § 3 Nr. 28 EStG auch dann steuerfrei, wenn sich der Steuerpflichtige bei dessen Zufluss nicht mehr in Altersteilzeit befindet. Es kommt nicht darauf an, wann gezahlt wird, sondern für welchen Zeitraum (BFH-Beschluss vom 24.10.2024, VI R 4/22).

Der Sachverhalt:

Der Kläger war vom 1.12.2009 bis zum 31.7.2015 im Rahmen einer Altersteilzeit tätig. Er war in dieser Zeit zu 50 Prozent beschäftigt und erhielt sein Arbeitsentgelt sowie einen Aufstockungsbetrag für die Altersteilzeitarbeit. Der Aufstockungsbetrag wurde im Zeitraum der Altersteilzeit als steuerfrei behandelt. Seit dem 1.8.2015 bezieht der Kläger Renten und Versorgungsbezüge. Er nahm an einem Bonusprogramm seines Arbeitgebers teil, das auf den Zeitraum vom 1.1.2013 bis zum 31.12.2016 angelegt war.

Aus dem Programm erhielt der Kläger im Januar 2017 einen Betrag in Höhe von rund 10.500 Euro ausgezahlt. Auch auf diesen Betrag wurde ein Altersteilzeit-Aufstockungsbetrag geleistet. Das Finanzamt behandelte den gesamten Auszahlungsbetrag aus dem Bonusprogramm – einschließlich des Altersteilzeit-Aufstockungsbetrags – als steuerpflichtig und gewährte lediglich die Tarifermäßigung nach der so genannten Fünftelregelung. Doch der BFH ist anderer Auffassung und beließ den Aufstockungsbetrag steuerfrei.

Die Begründung:

Maßgeblich für die Frage, ob ein steuerbegünstigter Aufstockungsbetrag vorliegt, sind in erster Linie die zwischen den Arbeitsvertragsparteien im Altersteilzeit-Arbeitsvertrag getroffenen Vereinbarungen. Auch die Aufstockung weiterer Entgeltbestandteile, die – wie im Streitfall die Bonuszahlung – nicht zum förderfähigen regelmäßigen Arbeitsentgelt im Sinne von § 6 Abs. 1 AltTZG zählen, ist unter den weiteren Voraussetzungen von § 3 Nr. 28 EStG steuerfrei. Zwar kommt die Steuerfreiheit mit Ablauf des Kalendermonats, in dem der Arbeitnehmer die Altersteilzeitarbeit beendet oder die für ihn geltende gesetzliche Altersgrenze für die Regelaltersrente erreicht hat, nicht mehr in Betracht. Doch die Voraussetzungen des § 3 Nr. 28 EStG müssen nicht bei Zufluss vorliegen. Vielmehr sind die Verhältnisse des Zeitraums maßgebend, für den das Entgelt gezahlt wird. Dies gilt auch für den aufgestockten Arbeitslohn.

Denkanstoß:

Das Urteil ist erfreulich und bringt für Arbeitnehmer und Arbeitgeber Rechtssicherheit. Betroffene sollten das Urteil ausführlich studieren und sich in entsprechenden Fällen gegen ablehnende Steuerbescheide bzw. gegen Haftungsbescheide zur Wehr setzen.

Erbschaftsteuer: Kosten für die Lagerung wertvoller Nachlassgegenstände sind doch abziehbar

Die Erbschaftsteuer kann mitunter recht hoch ausfallen. Besonders gilt dies, wenn die Erben nicht mit dem Erblasser in gerader Linie verwandt sind und die persönlichen Freibeträge gering sind. Von daher sind Erben gut beraten, möglichst alle Frei- und Pauschbeträge ausnutzen und vor allem auch die Nachlassverbindlichkeiten geltend zu machen. Aber was sind eigentlich Nachlassverbindlichkeiten?

Darüber kann es heftigen Streit mit dem Finanzamt geben, denn es gibt „echte“ Nachlassverbindlichkeiten, Nachlassregelungskosten und Nachlassverwaltungskosten. Weiterlesen

§ 35c EStG: Ohne Steuerschuld bleibt die Förderung wirkungslos

Seit dem 1.1.2020 werden bestimmte energetische Maßnahmen am Eigenheim über § 35c EStG steuerlich gefördert. Die Förderung verteilt sich auf drei Jahre. Im Kalenderjahr des Abschlusses der energetischen Maßnahme und im nächsten Kalenderjahr werden jeweils 7 Prozent der Aufwendungen, maximal 14.000 Euro jährlich, im dritten Jahr 6 Prozent der Aufwendungen, maximal 12.000 Euro, von der Steuerschuld abgezogen.

Doch ohne tarifliche Steuerschuld geht die Förderung ins Leere – dies hat das FG Hamburg mit Urteil vom 6.8.2024 (1 K 73/24) klargestellt. Weiterlesen

Verdienstausfall-Entschädigung der Versicherung – Vorsicht Falle bei Zahlungen in zwei Veranlagungszeiträumen

Der Ersatz entgangener Einnahmen ist grundsätzlich steuerpflichtig. Wenn dieser Ersatz mehrere Jahre betrifft und – etwa durch eine Versicherung – zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum geleistet wird, ist er nach der Fünftelregelung des § 34 EStG immerhin ermäßigt zu besteuern.

Was aber gilt, wenn die Versicherung eines Schädigers, beispielsweise nach einem Unfall, den erlittenen Verdienstausfall ersetzt, doch die Einkommensteuer – aufgrund der so genannten modifizierten Nettolohnmethode – erst in einem späteren Veranlagungszeitraum von der Versicherung erstattet wird? Weiterlesen

Aufreger des Monats Januar: Genossenschaftsmitglieder müssen Mietminderungen versteuern

Im Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen gibt es fast 2.000 Baugenossenschaften, die rund 2,2 Millionen Wohnungen verwalten. Der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband schätzt, dass mehr als 5 Millionen Menschen in einer Genossenschaftswohnung leben (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Wohnungsbaugenossenschaft).

Insofern dürfte die folgende Information viele Wohnungsbaugenossenschaften und deren Mitglieder aufhorchen lassen: Der BFH hat entschieden, dass eine Mietminderung, die eine Wohnungsbaugenossenschaft ihren Mitgliedern anstelle einer Gewinnberechtigung für zusätzlich erworbene Genossenschaftsanteile gewährt, als Kapitalertrag zu versteuern ist (BFH-Urteil vom 22.10.2024, VIII R 23/21). Dies beruhe auf dem Zusammenspiel von § 20 Abs. 3 und § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

Das heißt: Der Anspruch eines Mitglieds auf Minderung des Nutzungsentgelts für die von ihm bewohnte Genossenschaftswohnung stellt einen besonderen Vorteil im Sinne des § 20 Abs. 3 EStG dar, der gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG als Kapitalertrag gilt.

Der Sachverhalt:

Die Kläger waren Mitglieder einer Wohnungsbaugenossenschaft und nutzten eine Genossenschaftswohnung. Sie erwarben zusätzlich freiwillige Genossenschaftsanteile ohne Dividendenberechtigung. Im Gegenzug wurde die zu zahlende Wohnungsmiete herabgesetzt. Die Höhe der Verringerung der Wohnungsmiete erfolgte dabei in Abhängigkeit der von der Vertreterversammlung beschlossenen Dividende auf freiwillige Anteile, die an Gewinnausschüttungen teilnahmen.

Das Finanzamt kam zu dem Schluss, dass es sich bei den Mietminderungen, die den Mitgliedern gewährt wurden, aus deren Sicht um Einnahmen aus Kapitalvermögen handele. Die hiergegen gerichtete Klage und auch die Revision blieben ohne Erfolg.

Die Begründung:

Hinsichtlich der Minderung des Nutzungsentgelts für die von den Klägern angemietete Wohnung handelt es sich um steuerbare Kapitalerträge. Die Minderung des Nutzungsentgelts erfüllte als geldwerter Vorteil den weiten Begriff der Einnahme im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 EStG und war durch den Erwerb zusätzlicher freiwilliger Genossenschaftsanteile und damit durch das Genossenschaftsverhältnis bedingt und veranlasst.

Die Minderung des Nutzungsentgelts trat bei wirtschaftlicher Betrachtung an die Stelle einer Gewinnausschüttung auf die von den Klägern freiwillig erworbenen zusätzlichen Genossenschaftsanteilen. Die zusätzlichen Anteile vermittelten keinen Gewinnanspruch, sondern einen Anspruch auf Verringerung des Nutzungsentgelts. Ohne den Erwerb zusätzlicher freiwilliger Anteile hätten die Kläger die Minderung des Nutzungsentgelts nicht erreichen können.

Denkanstoß:

Nach den Buchstaben des Gesetzes ist die Entscheidung sicherlich richtig. Dennoch mutet sie gerade in der heutigen Situation seltsam an. Der Gesetzgeber fördert die verbilligte Überlassung von Wohnungen über § 21 Abs. 2 EStG, das heißt über die 50- bzw. 66-Prozent-Grenze. Und auch gesamtpolitisch ist die Zurverfügungstellung von günstigem Wohnraum gewollt. Folglich ist es zumindest laienhaft betrachtet unlogisch, wenn ein Mietvorteil versteuert werden muss.

Übrigens nützt es den Mietern/den Genossenschaftsmitgliedern nichts, wenn die Genossenschaft selbst eine anderslautende verbindliche Auskunft ihres Finanzamts erhalten hat. Diese hat – wenn nicht ausdrücklich verfügt – keine Wirkung für die Genossenschaftsmitglieder und deren Finanzämter, sondern bindet nur das Finanzamt der Genossenschaft selbst.

Da hilft auch nicht der Grundsatz von Treu und Glauben. Auch deshalb ist das Urteil für mich der Aufreger der Monats Januar 2025.

 

Fahrten von Leiharbeitern zum Tätigkeitsort – weiteres Verfahren beim BFH

Viele Zeit- bzw. Leiharbeitnehmer sind der Auffassung, dass sie ihre Fahrtkosten zum jeweiligen Tätigkeitsort nach Dienstreisegrundsätzen geltend machen und gegebenenfalls sogar Mehraufwendungen für Verpflegung abziehen können. Naturgemäß hat die Finanzverwaltung dazu eine ganz eigene Meinung und lässt in den meisten Fällen lediglich die Entfernungspauschale und schon gar keine Verpflegungsmehraufwendungen zum Abzug zu.

Allerdings ist die Rechtslage auch schwierig – und durch die Neuregelung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG), die seit dem 1.4.2017 gilt, wird es noch komplizierter. Jedoch könnte sich ebenjene Neuregelung für unzählige Leiharbeitnehmer in steuerlicher Hinsicht auszahlen, denn wenn man der Auffassung des FG Düsseldorf in einem aktuellen Urteil folgt, könnten viele Betroffene ihre Fahrtkosten nun nach Reisekostengrundsätzen geltend machen (Urteil vom 20.11.2024, 15 K 1490/24 E). Doch der Reihe nach. Weiterlesen